Patientencoaching

Ein neues Feld

Das Gesundheitswesen mehr an den Bedürfnissen der Bürger auszurichten – so formuliert die Deutsche Gesellschaft für bürgerorientierte Gesundheitsversorgung e.V. (DGbG) ihr Hauptanliegen. Patientencoaching, Gesundheitscoaching und Case Management waren die Kernthemen auf ihrer Fachtagung Ende Februar in Berlin.

„Die Strukturen und Prozesse im deutschen Gesundheitswesen müssen an den Bedürfnissen der Bürger ausgerichtet werden“, diese Forderung stellte Dr. Elmar Schmid, Präsident der Deutschen Gesellschaft für bürgerorientierte Gesundheitsversorgung (DGbG) an den Anfang der Fachtagung am 27. Februar 2008 in Berlin. Bürger seien die wichtigste Lobby des Gesundheitswesens, die Ausrichtung bestehender und neuer Strukturen und Prozesse an Bürgerbedürfnisse sei zentrales Ziel der DGbG. Als wichtigen Schritt dorthin sieht die DGbG die Umsetzung von Instrumentarien wie Patientencoaching, Gesundheitscoaching und Case Management. Diese neuen Bereiche vorzustellen und anhand von Beispielen zu skizzieren, war Hauptziel der Tagung.

Nach dem Willen der DGbG soll der Bürger als selbstbestimmter und informierter Nutzer des Gesundheitssystems aktiviert und durch Coaching und Fallmanagement dabei unterstützt werden. Gesundheits- und Patientencoaching sei ein neues Feld. Es umfasse Gesundheitsberatung, Organisationshilfe des Patientenverhaltens im System, Hilfe bei der Wahl der Therapeuten, der Maßnahmen und der Versorgungsstrukturen, aber auch Beratung bei der finanziellen Gesundheitsabsicherung. Dabei sollten Freiräume in der Versorgung geschaffen werden, in denen sich Patientencoaching abspielen könne. Coaching verstehe sich als frei von staatlicher Regelung und könne – effektiv angewandt – Ärzte und andere Heilberufe entlasten. Das Coaching erfordere ein neues Berufsbild mit neuen Wegen in der Ausbildung. Die DGbG unterstreicht, dass sie keine Patienten- und Bürgervertretung sei.

„Coaching ist nicht ohne Interessen“, warnte Dr. Stefan Etgeton, Gesundheitsreferent der Verbraucherzentrale Bundesverband, aus Sicht der Verbrauchervertreter. Ziel müsse es sein, den Patienten kompetent zu machen, damit er die eigenen Interessen und Belange wahrnehmen könne. Coaching führe zu „Empowerment“ gegenüber den Akteuren im Gesundheitswesen, diene aber auch dem Schutz vor gesundheitlichen und ökonomischen Schäden.

Praktische Beispiele

Dr. Klaus Meyer-Lutterloh, Vizepräsident der DGbG, betonte: „Wir sind am Anfang einer Lernkurve.“ Er unterschied zwischen Coaching, welches die Kompetenz zu Selbsthilfe und Selbstmanagement fördere, und Case Management, bei dem es um die individuelle Lotsenrolle im Behandlungsprozess gehe. Die Etablierung dieser Instrumentarien setze ein qualifiziertes Konzept voraus. Es entstünden zwar Kosten, aber durch „return on investment“ zahlten sich die dafür aufgewendeten Ressourcen wieder aus. Einige in Berlin vorgestellte Beispiele (größtenteils aus dem kommerziellen Beratungsbereich) zeigen, dass der Coach-Gedanke bereits ansatzweise umgesetzt wird, dennoch aber ganz am Anfang einer noch offenen Entwicklung steht. Erklärter Wille der vorgestellten Projekte sei es – so machte die Tagung deutlich –, keinesfalls die Rolle des Arztes zu unterminieren, sondern das Arzt- Patienten-Verhältnis nachhaltiger zu gestalten.

Praktiziert werden die unterschiedlichsten Modelle. So bietet die KKH in München und Halle seit 2007 zusammen mit Accenture Care Management Services ein Pilotprojekt „Gesundheitscoaching“. Zwanzig medizinische Coaches (Krankenschwestern mit spezieller Schulung) führen telefonische Beratungsgespräche. Dem Projekt gehe es nicht darum, Ärzte zu ersetzen, sondern Empfehlungen der Ärzte durchzusetzen.

Ganz anders agiert der Verein Gesundheitstraining HIV/AIDS. Aus der Selbsthilfe kommend hat er ein bundesweites Trainingsprogramm entwickelt. Speziell geschulte Trainer helfen bei der Krankheitsund Lebensbewältigung der Patienten. Die 4Sigma GmbH ist Gesundheitsdienstleister. Mit im Angebot: ein Coachingkonzept mit einer Gesundheits-Hotline, die Patienten helfen soll, Krankenhausaufenthalte zu vermeiden, um so Kosten zu reduzieren. Auftraggeber sind unter anderem Krankenkassen.

Das Unternehmen Marvecs bietet Lösungen im Auftrag von Pharmaunternehmen an, dazu gehört auch Gesundheitscoaching. Ein „Compliance-Team“ wirkt in Absprache mit Kassen und Ärzten, um Diabetes-Patienten bei ihrer Compliance zu unterstützen. Healthways, Ableger eines großen amerikanischen Unternehmens im medizinischen Versorgungsbereich, ist auf rein pflegerischem Gebiet tätig und plant in Brandenburg mit 100 Arbeitskräften sein erstes Call- Center in Deutschland. Dort werden geschulte Krankenschwestern für ein telefonisches „Disease Management“ eingesetzt.

• Mehr zum Thema: E. Schmid, J.N. Weatherly, K. Meyer-Lutterloh, R. Seller, R. Lägel: Patientencoaching, Gesundheitscoaching, Case Management“, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin 2008

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