Kunst in der Krise

Bessere Zeiten für Sammler

Die Finanzkrise schlägt sich inzwischen massiv auf dem Kunstmarkt nieder. Besonders betroffen sind die Top-Angebote auf den internationalen Auktionen. Allmählich wirkt sich die reduzierte Kaufkraft der Investoren auch auf den unteren Rängen aus. Für die wahren Sammler bieten sich daher bessere Chancen, Lieblingsstücke zu ergattern.

15. September 2008, schwarzer Montag an der New Yorker Wall-Street – ausgerechnet am Tag der Lehman-Pleite erreichte der Kunstmarkt den Gipfel eines fünf Jahre dauernden Aufstiegs. Der amerikanische Künstler Damien Hirst verkaufte an seinen Galeristen vorbei 223 Arbeiten bei Sotheby’s in der britischen Hauptstadt. Während bei Lehman/London 4 500 Banker ohne Job und mit Kisten bepackt auf der Straße standen, erzielte der britische Artist ein paar Ecken weiter in der New Bond Street mit seinen Tier- und Vanitas-Objekten sensationelle 140 Millionen Pfund.

Die Zeichen der Zeit

Einen Monat später ging ein Werk des Künstlers auf einer Auktion schon unter Schätzwert weg. Mitte November fand ein Hirst-Bild auf einer Versteigerung in New York gar keinen Interessenten mehr.

Doch der Künstler lässt sich nicht abschrecken. Er hat die Zeichen der Zeit erkannt und passt sich an: „Wenn ich neue Werke verkaufen will, werde ich die Preise heruntersetzen.“

Es wird ihm wohl auch nichts anderes übrig bleiben, wenn er weiter im Geschäft bleiben will. Die Zeiten der Rekorde dürften auch auf dem Kunstmarkt für mindestens ein Jahr, wenn nicht für länger, vorbei sein. Die Ergebnisse auf den internationalen Auktionen bestätigen diesen Trend. So erzielte das Auktionshaus Christie’s auf seiner Auktion zeitgenössischer Kunst Mitte Oktober statt der erwarteten 100 bis 132 Millionen Dollar gerade mal 55,5 Millionen. Der Konkurrent Sotheby’s zog das Highlight der Herbstauktion 2008, den „Harlekin“ von Picasso, vor der Auktion zurück – wohl in dem Glauben, dass die geschätzten 30 Millionen Dollar für das Meisterwerk nicht zu erreichen wären. Dieser Einbruch bei den Preisen verschandelt zwar die Bilanzen der großen Auktionshäuser und Galeristen. Doch den engagierten Sammlern eröffnen sich in den kommenden Monaten und vielleicht sogar Jahren neue Chancen. Daran glaubt Robert Ketterer, Inhaber des gleichnamigen Auktionshauses in München: „Es ist richtig, dass wir in der Vergangenheit auch immer wieder sehen mussten, dass unsere traditionellen Sammler nicht mehr zum Zuge kamen, weil es einfach zu teuer wurde.“ Zwar werden die Meisterwerke auch in Zukunft für die Meisten unerschwinglich bleiben. Doch für deren Anblick gibt es Museen, die große Kunst jedem zugänglich machen. Wer selbst einige Schätze besitzen möchte, muss auf gute und sehr gute Kunst nicht verzichten. Der Auktionator hält gerade deutsche Kunst im internationalen Vergleich für immer noch unterbewertet, auch wenn es in der Vergangenheit Preissteigerungen gegeben hat. Natürlich werden in der Klassischen Moderne auch Millionenbeträge für ein Meisterwerk erzielt, so zum Beispiel für Ernst Ludwig Kirchners „Szene aus dem Sommernachtstraum“ 2,424 Millionen Euro. Doch im Bereich der Grafik und Zeichnungen gibt es immer noch hohe Qualitäten zu entdecken. Die Preise bei den Expressionisten-Gemälden steigen zwar seit Jahren kontinuierlich an, bei den Papierarbeiten aber klaffen sie auseinander.

Der Galerist und Spezialist Dr. Wolfgang Henze sagt: „Die Preisspanne bei den Arbeiten auf Papier ist sehr divergent, es gibt Holzschnitte von Heckel bereits ab 3 000 bis 4 000 Euro, Farbholzschnitte von Ernst Ludwig Kirchner können bei 1,5 Millionen Euro liegen.“

Auf der Kölner Kunstmesse Cologne Fine Art & Antiques im November boten sich zahlreiche Gelegenheiten, Arbeiten auf Papier zu erstehen. So präsentierte die Galerie Utermann einen Holzschnitt von Erich Heckel „Schlafende“, von 1910 für 32 000 Euro. Eine Zeichnung von Christian Rohlfs „Ausweisung aus dem Paradies“ von 1917 kostete 15 000 Euro, eine Kaltnadelradierung von Max Beckmann „Selbstbildnis mit Bart“ von 1923 lag bei 33 000 Euro. Der Galerist Wolfgang Weiss aus Siegen ist spezialisiert auf zeitgenössische Kunst sowie Klassische Moderne. Er bietet Zeichnungen von Kirchner zu Preisen zwischen 7 000 und 15 000 Euro an.

Insgesamt zählen die Werke der Expressionisten sicherlich zu den begehrtesten überhaupt.

Weniger bekannt, aber dafür auch noch nicht mit abgehobenen Preisen versehen, sind die Arbeiten der „Verschollenen Generation“. Diese Künstler verstanden sich als Nachfolger der Expressionisten. Allerdings hatten sie wegen der politischen Gegebenheiten in Deutschland nicht mehr die Möglichkeit, sich einem größeren Publikum so bekannt zu machen wie ihre berühmten Vorgänger. Während der Nazizeit versteckten sich die meisten von ihnen, weil ihre Kunst als entartet galt und sie Arbeitsverbot hatten. Erst nach dem Krieg in den Jahren 1945 bis 1950 tauchten sie wieder auf. Sie knüpften bei ihrer Kunst dort an, wo sie damals unterbrechen mussten, erregten aber auch dieses Mal kaum Interesse: Denn mittlerweile hatte die jungen Künstler sich vom Gegenständlichen weg zum Abstrakten hin orientiert.

Verschollen, nicht vergessen

Entdeckt hat die lange übersehene Gruppe der Post-Expressionisten ein Antiquar aus dem sauerländischen Olpe. Dr. Gerhard Schneider fand Werke dieser Künstler in einem Nachlass und staunte über die Qualität der Bilder. Seit etwa 20 Jahren kümmern sich verschiedene Galeristen und Liebhaber um die Würdigung dieser Kunst. Der Galerist Wolfgang Weiss ersteigerte bei eBay einen Nachlass, in dem er hervorragende Bilder von Künstlern der Verschollenen Generation fand. Seitdem gehören sie zu seinem Repertoire. Weil sie nicht mehr unbedingt dem Zeitgeschmack entsprechen und ihre expressionistischen Vorgänger weltberühmt sind, gibt es ihre Werke immer noch zu niedrigen Preisen. So kostet ein Aquarell von Fritz Keller bei der Galerie Weiss in Siegburg zwischen 900 und 1 600 Euro, ein Holzschnitt von August Hofer ist für 180 Euro zu haben. Bei der Rathaus Galerie in Euskirchen verkauft Gerti Willmes zum Beispiel das Aquarell „Didyma“ von Edvard Frank für 4 200 Euro, eine Farblithografie von Alfred Wais von 1972 kostet 3 400 Euro.

Auch der Münchner Auktionator Robert Ketterer bietet in seinen Auktionen „Seitenwege der Avantgarde“ Sammlern die Möglichkeit, gute Qualität von bislang noch nicht so gefeierten Künstlern zu entdecken. Ihm ist daran gelegen, Künstlern aus der Zeit zwischen 1900 und 1930 mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. Seiner Meinung nach brauchen sie den Vergleich mit den Werken eines Nolde oder Kirchner nicht zu scheuen. „Hier bieten sich gute Einstiegsmöglichkeiten für Sammler“, sagt Ketterer, dem viel an diesen Auktionen liegt, „wir betreiben einen sehr großen Aufwand, so dass wir nichts mehr damit verdienen.“ Die Schätzpreise für die Gemälde rangieren zwischen 2 000 und 6 000 Euro, für die Papierarbeiten liegen sie zwischen 400 und 1 500 Euro. Für eine Lithographie „Besuch bei Alfred Kubin in Zwickledt“ (Blatt 25 von 50, 1921) von Fritz Fuhrken etwa lag der Schätzpreis für die Auktion am 3. Dezember bei 800 Euro. Das Aquarell „Bootswerft“, 1920, von Rudolf Jacobi stand mit 500 Euro im Katalog. Das Gemälde „Straße in Sevilla“ von Louis Seel, 1924, erzielte 18 910 Euro (Schätzpreis 4 000 Euro.

Wer gute Qualität zu niedrigen Preisen auf eigene Faust entdecken will, befolgt zum Schutz vor Enttäuschungen einige Regeln. Sammler und solche, die es gerne werden wollen, sind ständig auf der Suche nach der günstigen Gelegenheit. Allzu oft erweist sich gerade das vermeintliche Schnäppchen leider als teurer Reinfall. Wer hat noch nicht von den berühmten Funden auf dem Flohmarkt gehört? Dr. Doris Möllers, Galeristin und Spezialistin für Zeichnungen und Grafik in Münster, berichtet von einem Fall, bei dem ihr mehrere Chagall-Lithographien zur Schätzung vorgelegt wurden. Sie stammten aus einem Erbe. Gekauft hatte sie die Erblasserin bei einem Trödler für je 15 000 Euro. Es handelte sich ausschließlich um Fälschungen. Zum Glück erlebte die Sammlerin die Enttäuschung wenigstens nicht mehr. Ausdrücklich warnt die Galeristin vor dem Kauf auf Internet- Auktionen: „Man hat keine Gelegenheit, das Bild genauer in Augenschein zu nehmen.“ Wer selbst nicht über genügend Fachkenntnisse verfügt, wende sich besser an einen renommierten Händler. So wirbt Doris Möllers für ihre Zunft: „Schließlich stehen gute Händler zu jedem Blatt, das sie verkaufen. Sie würden es auch noch nach Jahren zurücknehmen, wenn es sich als Fälschung erweist.“

Für Kunstwerke, die auf einer Auktion ersteigert werden, gelten andere Regeln. Auf diese Ware gibt das Auktionshaus die gesetzlich vorgeschriebenen zwei Jahre Gewährleistung. Grundlage ist die Beschreibung des Werks im Katalog. Seriöse Auktionshäuser geben daher stets eine sehr genaue Zustands- und Herkunftsbeschreibung ab und bieten die Möglichkeit, sich auf der Vorbesichtigung intensiv mit dem begehrten Stück auseinanderzusetzen. Sicherer fühlen sich Sammler, die sich die wichtigsten Kenntnisse über ihr Sammelgebiet aneignen. So kaufen zum Beispiel Grafik-Fans keine bereits gerahmten Blätter. Denn in diesen Fällen ist besondere Vorsicht geboten: Unter dem Passepartout verstecken sich manchmal Risse oder Flecken, die den Wert des Blattes mindern. Das gilt in besonderem Maße für Zeichnungen. Von einer Grafik existiert vielleicht noch ein besseres Exemplar, aber eine Zeichnung ist ein Unikat.

Wertfaktor Auflage

Ein weiteres Kriterium für den Preis einer Grafik ist die Höhe der Auflage. Mehr als 100 Exemplare von einem Blatt sollten es nicht sein. Allerdings gilt diese Regel nicht unbedingt für die Alten Meister. Die Könner ihres Fachs, wie Albrecht Dürer, zogen so viele Blätter von ihren Platten ab, wie nur eben möglich war. Frühe Abzüge weisen deutlich schärfere Konturen auf als die späten und sind entsprechend teurer. Limitierte Auflagen kannten die damaligen Künstler nicht. Fanden die Blätter einen guten Absatz, wurden die Platten einfach nachgestochen und die Nachfrage mit neuen Abzügen befriedigt. Diese Methode ist auch der Grund dafür, dass es heute immer noch günstige Radierungen von Rembrandt zu kaufen gibt. Zwar hat der große Meister zu Lebzeiten eigentlich sehr geschickt taktiert, um die Preise für seine Arbeit hoch zu halten. Er verknappte das Angebot künstlich. Doch nach seinem Tod verkauften die Erben seine Platten und es gelangten Mengen von neuen Abzügen auf den Markt.

Ende des 19. Jahrhunderts erst erfuhr die Auflagenkunst eine eigene Wertschätzung. Deshalb vernichteten viele Künstler ihre Druckplatten. Steinplatten zum Beispiel – die Vorlagen für Lithographien – wurden abgeschliffen, doch frischten Nachlassverwalter die Platten häufig wieder auf. Deshalb gibt es von berühmten Künstlern wie Picasso oder Miro sehr viele Abzüge zu kaufen, die die Künstler nicht genehmigt haben. Es verlangt schon viel Kennerschaft, um die Spreu vom Weizen zu trennen.

Gut geschätzt ist viel gespart

Die Signatur des Künstlers, Höhe der Auflage und der Zustand eines Blattes entscheiden mit über den Preis. Hinzu kommt die sogenannte Provenienz. Stammt das Blatt aus einer berühmten Sammlung oder gar aus dem Depot eines Museums, ist seine Echtheit über jeden Zweifel erhaben. Handelt es sich aber um ein bisher unbekanntes Werk, hilft nur der Gang zum Spezialisten, um Sicherheit über die Echtheit und den Wert zu erlangen. Ein guter Händler oder Auktionator sind die richtige Adresse. Inzwischen aber gibt es auch den Verband unabhängiger Kunstsachverständiger (VUKS, www.vuks.de), dessen Mitglieder es sich zur Aufgabe gemacht haben, Handel und Schätzertum zu trennen. Sie verstehen sich als Dienstleister, die sich nur ihrem Auftraggeber verpflichtet fühlen und für ihre Einschätzungen haften. Wenn diese Experten dem Fundstück vom Trödler die Echtheit bescheinigen, dann darf sich sein Besitzer über eine Trouvaille (Entdeckung) freuen.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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