Mediation statt Kampfgeist

Friedenspfeife statt Kriegsbeil

Die enge Zusammenarbeit von Zahnärzten mit Kollegen in Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) oder in Praxisgemeinschaften bietet zwar manche Vorteile, etwa geringere Kosten, fachlichen Austausch und leichtere gegenseitige Vertretung. Aber auch Konfliktpotenzial: Oft kommt es zu Streit zwischen Partnern. Eskaliert der, kostet er Zeit, Geld und Nerven. Mediation ist günstiger als jeder Prozess und hält den Schaden klein.

Wer eng mit Kollegen zusammenarbeitet, muss Reibungsverluste in Kauf nehmen. Solange diese sich sachlich und strukturiert bereinigen lassen, läuft die Praxis gut, das Klima stimmt. Anders, wenn die Partner einander überhaupt nicht mehr verstehen (wollen): In manchen Fällen wird schließlich die Auseinandersetzung über Rechtsanwälte geführt oder die Partnerschaft zerbricht. Dies kostet viel Geld, viel Zeit und Nerven. Besser ist es, rechtzeitig externe Hilfe durch einen Mediator zu holen.

Ein typisches Beispiel: Dr. Zahn und Dr. Stein sind seit einigen Jahren in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Seit geraumer Zeit kommt es immer wieder zu Reibereien zwischen den beiden. Nicht einmal wegen fachlicher Ansichten. Dr. Zahn etwa will die Praxiseinrichtung ändern, Dr. Stein aber nicht. Auch nach längerer Zeit finden sie keine Lösung. Schließlich greift Dr. Zahn zur Selbsthilfe und renoviert – im Urlaub von Dr. Stein – mehrere Räume. Als dieser die Eigenmächtigkeit seines Partners sieht, kommt es zu einem wütenden Streit, bei dem beide nicht mit Beschimpfungen und Beleidigungen sparen. Dr. Zahn ist zu einer Rück-Renovierung nicht bereit. Die Situation eskaliert: Dr. Stein nutzt den Urlaub von Dr. Zahn für eine Renovierung in seinem Sinne. Der Rosenkrieg ist eröffnet.

Danach geht’s bergab

Abgesehen davon, dass nun zwischen den beiden Zahnärzten nichts mehr geht, entsteht beiden Partnern ein erheblicher finanzieller Schaden. Dabei sind die doppelten Renovierungskosten noch der kleinste Posten. Viel schwerwiegender ist der Abstieg der Praxis: Sehr schnell merken die Mitarbeiter nämlich, was los ist. Kurz darauf die Patienten. In einer so gespannten Atmosphäre wollen weder Mitarbeiter arbeiten noch Patienten behandelt werden. Hinzu kommt, dass die verschiedenen Renovierungen die Praxis nicht gerade verschönert haben.

Die beiden Zahnärzte gehen in die nächste Runde: Beide verlangen mit einstweiligen Verfügungen die „Entfernung der Renovierungen“, es fallen Sätze wie „Jetzt ist Krieg“, „Ich mache dich fertig“ und was die Palette übler Beschimpfungen so bietet. Sehr bald denkt jeder über eine Kündigung der Partnerschaft nach. Die soll außerdem so ausfallen, dass der Partner möglichst schwer geschädigt wird. Der jeweils andere, versteht sich.

Der Albtraum

Das klingt wie aus einem schlechten Märchen. Diese Albträume werden aber regelmäßig wahr. In deutschen Zahnarztpraxen, wenn auch nicht nur dort: Auch in Unternehmen und in Verwaltungen sind solche Kleinkriege weit verbreitet. Und in Ehen sowieso. Oft tragen die Parteien ihre Auseinandersetzungen schließlich vor Gericht. Abgesehen davon, dass dies viel Geld und Zeit kostet, erzielen sie meist ein unbefriedigendes Ergebnis. Das Gericht entscheidet nämlich ganz oder teilweise zugunsten einer Partei, die andere bleibt frustriert zurück. Und sinnt ganz gern auf Rache. Die Partner- schaft ist meist beendet, obwohl sie an sich für beide Seiten Vorteile gebracht hatte und eigentlich auch weiter bringen könnte.

Manchmal wird vor Gericht oder auch vor Einschaltung des Gerichtes ein Kompromiss geschlossen, jedoch ist diese Lösung selten nachhaltig. Und selbst solche Kompromisse sind in verfahrenen Fällen nicht mehr möglich. Wie sollten sich Dr. Zahn und Dr. Stein einigen? Die eine Hälfte der Praxis im Stile von Dr. Zahn gestalten und die andere im Sinne von Dr. Stein? Das hieße auch optisch ausdrücken, dass die Harmonie auf der Stecke blieb.

Harmonie in der Chemie

Vor allem wird ein Kompromiss regelmäßig nicht der wahren Konfliktlage gerecht. Fast immer wird nämlich nur über eine eher belanglose Sachfrage gestritten, dahinter steht ein schwerwiegender Konflikt im zwischenmenschlichen Bereich. Um diesen kümmert sich kein Gericht oder Schiedsgericht. Ganz im Gegenteil achten Richter und Schiedsrichter streng darauf, nur den ihnen vorgelegten Streit zu entscheiden. Wenn jedoch der zugrunde liegende Konflikt weiter schwelt, sind neue Streitigkeiten unvermeidlich. Es folgen neuerliche Gerichtsverfahren, die abermals nur die aktuellen Streitpunkte regeln.

An diesem strukturellen Mangel von Gerichtsverfahren setzt die Mediation an. Die Technik der Mediation ist in den USA schon seit einigen Jahrzehnten etabliert und findet auch in Deutschland immer mehr Zuspruch. Leider ist der Titel „Mediator“ bisher nur unzureichend geschützt. Lediglich für Rechtsanwälte gibt es eine Regelung: Sie dürfen die Zusatzbezeichnung „Mediator“ nur führen, wenn sie einen entsprechenden Intensivlehrgang erfolgreich absolviert haben. Mediation bedeutet sinngemäß „Vermittlung“. Ein unabhängiger Dritter, eben der Mediator, vermittelt zwischen streitenden Parteien. Er unterscheidet sich grundsätzlich von einem Richter oder Schiedsrichter, da er keine Entscheidung fällt, sondern nur die Parteien dazu bringen will, selbst eine Lösung zu finden. Dazu setzen sich der Mediator und die Parteien an einen Tisch, und beide Parteien sollen umfassend vortragen, wie sie den aktuellen Streit aus ihrer Sicht sehen.

Das ist für die Parteien nicht ganz einfach: Die jeweils zuhörende Partei möchte fast zu jedem Punkt der Gegenseite – in gewohnter Manier – sofort etwas sagen. Das würde jedoch nur zu dem bereits zuvor zwischen den Parteien stattgefundenen Austausch von Unfreundlichkeiten führen. Es ist Sache des Mediators, die Parteien dazu zu bringen, sich zuzuhören ohne sich zu unterbrechen.

Die Crux der Missverständnisse

Gelingt dies, ist das schon ein großer Erfolg, denn die Parteien hatten einander ja längere Zeit nicht mehr richtig zugehört. Vor allem werden beiden Seiten die Beweggründe der jeweils anderen deutlich, es wird leichter verständlich, warum der andere sich so verhalten hat. Nicht selten kommen Äußerungen wie „Das habe ich nicht gewusst“ oder auch „Warum hast du das nicht gesagt?“

So entsteht langsam wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien, sie respektieren einander und die jeweiligen Interessen wieder. Auf dieser Basis lässt sich aktueller Streit meist schnell schlichten.

So war es auch im Fall Dr. Zahn/Dr. Stein. Sie bekamen den Rat, vor einer Beschreitung des Rechtsweges eine Mediation zu versuchen. Zum Glück ließen sich beide darauf ein. Allerdings ließ sich der Konflikt nicht in einem einzigen Mediationsgespräch lösen. Der Mediator und die Parteien mussten sich wiederholt treffen.

Zunächst ging es nur darum, dass beide Zahnärzte eigenmächtig gehandelt hatten.

Dann wurde dem jeweils anderen vorgeworfen, dass er einen schlechten Geschmack habe. Schließlich wurde diskutiert, ob überhaupt eine Renovierung nötig ist und ob eine schön gestaltete Praxis zu mehr Patienten führe.

Aus der Körpersprache des Dr. Zahn schloss der Mediator, der beide Parteien die ganze Zeit genau beobachtete, dass dieser Punkt – die Gewinnung neuer Patienten – für Dr. Zahn von großer Wichtigkeit war. Es ging ihm nicht um eine schöne Praxis als solche, sondern um mehr Patienten. Nach einiger Zeit kam auch heraus, warum das für Dr. Zahn so wichtig ist: Er war in finanziellen Schwierigkeiten, da seine Umsätze seit einiger Zeit zurückgingen, er aber infolge eines Hausbaus und eines teuren Lebensstils erhebliche finanzielle Verpflichtungen hatte. Er las nun häufig Artikel über schöne Zahnarztpraxen und deren (angeblichen) wirtschaftlichen Erfolg. Er hatte allerdings nicht den Mut, dies in aller Offenheit mit seinem Partner Dr. Stein zu besprechen. Unter anderem, weil er gegenüber dem Kollegen jahrelang mit seinem Lebensstil geprahlt hatte.

Dr. Stein, den die Umsatzrückgänge wegen seines bescheideneren Lebensstils weniger hart trafen, hatte Komplexe gegenüber dem scheinbar erfolgreicheren Dr. Zahn entwickelt und wollte dem am Beispiel Renovierung zeigen, dass er auch etwas zu sagen habe.

Am Tisch des Verstehens

Nachdem nunmehr Dr. Zahn die Karten auf den Tisch gelegt hat, wurde Dr. Stein klar, dass Dr. Zahn keineswegs ein Übermensch, sehr wohl aber an seine Grenzen gestoßen ist. Beide Zahnärzte kommen zu dem Schluss, dass beide ein gemeinsames Interesse an mehr Patienten und mehr Umsatz haben. Sie kommen überein, hierzu professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Die gemeinsame Wahl eines Beraters macht Mühe, bringt ihnen aber eine Reihe von Vorschlägen auf den Tisch. Einer davon beinhaltet in der Tat eine professionelle Praxis- Renovierung.

Der Erfolg zeigte sich bald, die Patientenund Umsatzzahlen stiegen wieder. Vor allem hatten beide Zahnärzte gelernt, dem anderen gegenüber offen und ehrlich aufzutreten und zu einer für beide vorteilhaften Lösung zu kommen.

Es liegt auf der Hand, dass es für Dr. Zahn eine große Überwindung bedeutete, Dr. Stein seine wahren Probleme zu offenbaren. Er tat dies nur, weil der Mediator mit beiden Parteien einen schriftlichen Mediationsvertrag geschlossen hatte, in dem absolute Verschwiegenheit vereinbart wurde. Außerdem war vom Mediator erhebliches Einfühlungsvermögen und Kenntnis von Kommunikationstechniken gefordert. In den meisten Streitfällen ist es wie bei Dr. Zahn und Dr. Stein: Auf den ersten Blick wird nur über eine Sachfrage gestritten. Dahinter stehen jedoch tiefere Konflikte zwischen den Partnern. Werden diese Konflikte nicht gelöst, hilft die scheinbare Lösung der gerade streitigen Sachfrage nicht lange, es wird zu neuen Streitigkeiten kommen.

Missverhältnisse ändern

Ein anderes Beispiel: Dr. Wurzel und Dr. Kanal sind seit fünf Jahren in einer Gemeinschaftspraxis tätig. Dr. Wurzel verlangt plötzlich eine andere Gewinnverteilung als im Praxisvertrag vereinbart. Natürlich wäre die nun geforderte Gewinnverteilung für ihn günstiger. Dr. Kanal verweigert diese Änderung. Dieser Streit zieht sich über einige Monate hin, regelmäßig kommt es noch zu weiteren kleineren Streitigkeiten.

Die Situation eskaliert, als der Abgabetermin für die gemeinsame Steuererklärung näher rückt. Dr. Wurzel will nur unterschreiben, wenn die von ihm geforderte neue Gewinnverteilung verwendet wird. Dr. Kanal wiederum will nur unterschreiben, wenn die bisherige angewendet wird. Schließlich mahnt das Finanzamt die Abgabe der Steuererklärung an und droht mit einer Schätzung und Säumniszuschlägen. Solche Schätzungen gehen selten zugunsten der Steuerpflichtigen aus. Deshalb will nunmehr Dr. Kanal seinen Partner gerichtlich zwingen, die bisherige Gewinnverteilung weiter zu akzeptieren. Eine rechtliche Prüfung ergibt, dass der Praxisvertrag nicht sehr glücklich formuliert ist und deshalb der Ausgang des Gerichtsverfahrens unsicher ist. So entscheiden sich beide für eine Mediation.

Am Anfang ist auch hier das Gespräch von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Dr. Wurzel wirft Dr. Kanal vor, dass er zu wenig Umsatz mache und stattdessen häufig zur Fortbildung gehe, was obendrein noch viel Geld koste. Dr. Kanal wirft Dr. Wurzel vor, dass dieser zwar viel umsetze jedoch schlechte Qualität abliefere. Er, Dr. Kanal, müsse immer wieder Leistungen von Dr. Wurzel nacharbeiten und könne deshalb keinen neuen Umsatz machen. Dr. Wurzel entgegnet, Dr. Kanal sei ein Besserwisser. Nach einiger Zeit werden auch in diesem Fall die Hintergründe deutlich: Dr. Wurzel, der deutlich älter als Dr. Kanal ist, hatte die Praxis aufgebaut und später Dr. Kanal aufgenommen. Er erklärt, er habe seinerzeit dem jüngeren Kollegen entgegenkommen wollen und deshalb einen sehr geringen Preis akzeptiert. Anstatt dafür dankbar zu sein, nörgele Dr. Kanal ständig herum und profitiere von der harten Arbeit des älteren Partners. Dr. Kanal wiederum fühlte sich immer als „Edel-Assistent“, der sich nicht als gleichwertiger Partner etablieren konnte. Deshalb habe sich sein Interesse mehr und mehr auf die Fortbildung gerichtet. Nach einiger Zeit habe er festgestellt, dass der ältere Partner Dr. Wurzel völlig anders behandele als in der Fortbildung gefordert. Das habe er diesem gesagt, um Haftungsprozesse und mehr zu vermeiden. Das habe der jedoch nie akzeptieren können.

Nachdem der Mediator Dr. Wurzel und Dr. Kanal dazu gebracht hatte, sich so offen zu äußern, wurde beiden klar, dass sie doch ein gutes Team bilden – wenn beide ihre Stärken einbringen: Dr. Kanal seine Kenntnisse aus dem erst kurz zurückliegenden Studium und den vielen Fortbildungen, Dr. Wurzel seine langjährige klinische Erfahrung und seine Fähigkeit, pragmatische Lösungen zu finden.

Angesichts einer gemeinsamen Perspektive akzeptierte Dr. Wurzel für ein weiteres Jahr die bisherige Gewinnverteilung, beide wollen sich künftig regelmäßig treffen, um sich auszusprechen und über komplizierte Fälle zu diskutieren. In aller Ruhe wollen sie dann noch einmal über die künftige Gewinnverteilung reden.

Auch in diesem Falle konnte durch eine Mediation eine gefährliche Auseinandersetzung verhindert werden. Ohne fachliche Hilfe und die Zusicherung absoluter Diskretion wären beide Zahnärzte nicht bereit gewesen, sich dem anderen so mitzuteilen und dem anderen zuzuhören.

Die Kräfte der Persönlichkeiten

Ein drittes Beispiel: Dr. Krone und Dr. Brücke führen seit Jahren eine Gemeinschaftspraxis. Nach langen Kämpfen untereinander und mit dem Personal haben sie eine gut florierende Praxis aufgebaut. Anfang 2007 beginnt Dr. Krone plötzlich mit Vorbereitungen für eine Zweitpraxis in einer anderen Stadt. Er investiert viel Geld in neue Praxisräume und fängt an, dort zu behandeln.

Dies gefällt Dr. Brücke gar nicht, da Dr. Krone nunmehr die gemeinsame Praxis vernachlässigt und er mehr arbeiten muss als er will. Es stellt sich heraus, dass Dr. Krone von der Rücksichtnahme auf Dr. Brücke frustriert ist. Er ist anders als Dr. Brücke mit Leib und Seele Zahnarzt und will mehr arbeiten. Die strikten Regelungen der Gemeinschaftspraxis beschränken jedoch die ihm zustehenden Behandlungszeiten.

Eine Mediation kann nicht immer helfen, jedoch sollte man sie versuchen, bevor eine Schlacht vor Gericht begonnen wird. Sie spart meist viel Geld und löst nicht nur das gerade virulente Problem, sondern schafft eine neue Basis für die Zusammenarbeit. Sie verlangt allerdings große Offenheit und Geduld. Es hat keinen Sinn, einen Mediator anzurufen und eine Lösung binnen einer Woche zu verlangen. Ein seriöser Mediator wird das ablehnen.

Dr. med. dent. Wieland SchinnenburgRechtsanwaltFachanwalt für Medizinrecht und MediatorLerchenfeld 3, 22081 Hamburg

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