Gutachten zur geplanten GOZ-Novellierung

Massive Kritik an der Öffnungsklausel

Mitte bis Ende August wird voraussichtlich der Referentenentwurf zur GOZNovellierung auf den Tisch kommen. Darin ist mit einer Öffnungsklausel zu rechnen, mit der Einzelverträge zwischen Zahnarzt und PKV ermöglicht werden sollen. Ein von BZÄK und KZBV in Auftrag gegebenes Gutachten des Konstanzer Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Winfried Boecken kommt zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer solchen Vorschrift verfassungswidrig sei.

Das Bundesgesundheitsministerium plant, in der neuen Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) eine Klausel zu verankern, die Direktverträge außerhalb der GOZ zwischen einzelnen Zahnärzten oder Gruppen von Zahnärzten mit den Privaten Krankenversicherungen zulässt. Diese sogenannte Öffnungsklausel (im bisher vorliegenden GOZ-Arbeitsentwurf GOZ-E unter § 2a festgeschrieben) wird vom Berufsstand äußerst kritisch gesehen, da sie die Gefahr birgt, dass die private Gebührenordnung ausgehöhlt wird und stattdessen ein ruinöser Preiswettbewerb zu Lasten der Patienten greift.

Deshalb beauftragten BZÄK und KZBV den Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Winfried Boecken, Direktor des Konstanzer Seminars zur Rechtsentwicklung und Ordinarius für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit, mit einem Kurzgutachten, um abzuklären, ob die geplante Klausel rechtlich zulässig ist. Boecken, der auch Mitglied im wissenschaftlichen Consilium der BZÄK ist, stellte die Ergebnisse anlässlich des BZÄK-Symposiums „Gesundheitswesen zwischen Wettbewerb und Regulierung“ am 18. Juli in Berlin vor.

Massive Bedenken

Seiner Einschätzung nach gibt es massive juristische Bedenken gegen die Öffnungsklausel: Sie sei verfassungswidrig und stelle einen Verstoß gegen das Grundgesetz dar. Die Einführung einer solchen Vorschrift sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 15 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (Zahnheilkundegesetz ZHG) gedeckt. Außerdem werfe die Vorschrift auch EU-rechtliche Fragen auf.

Der Knackpunkt: Im § 15 des Zahnheilkundegesetzes wird die Bundesregierung ermächtigt, eine Gebührenordnung zu erlassen. Dabei sind aber laut dieser Bestimmung folgende Ziele zu berücksichtigen:

• Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbs um die Patienten

• Schaffung eines Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Interessen von Zahnärzten und Patienten

• Stärkung der Transparenz privatzahnärztlicher Liquidation. Die geplante Öffnungsklausel sei, so Boecken, mit keiner dieser Vorgaben zu vereinbaren. Statt einen ruinösen Wettbewerb zu verhindern, werde vielmehr der ungebremsten Kostenminimierung das Tor geöffnet, zu Lasten eines funktionierenden Gesundheitswesens und des Verbraucherschutzes. 

Schritt in Einheitsversicherung

BZÄK und KZBV weisen darauf hin, dass eine Vielzahl von Einzelverträgen zu einem intransparenten System der Vergütungzahnärztlicher Leistungen führen müsse. Fairer Wettbewerb sei grundsätzlich erwünscht, so Dr. Dr. Jürgen Weitkamp, Präsident der BZÄK. Es bestehe mit der Öffnungsklausel aber die Gefahr, dass die GOZ als Vergütungsgrundlage ausgehöhlt werde: „Übrig bleibt ein Flickenteppich von Verträgen, der keinerlei Gewähr bietet, dass in jedem Einzelfall eine qualitativ anspruchsvolle zahnärztliche Leistung erbracht wird.“

Mit dieser Kollektivierung des Gebührenrechts halten, so fürchtet der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz, erneut Elemente des Sozialgesetzbuches V und damit der Gesetzlichen Krankenversicherung Einzug in die Private Gebührenordnung. „Das ist wieder ein Schritt mehr in die Einheitsversicherung.“

Kernaussagen

Zusammengefasst kommt Boecken in seinem Kurzgutachten zu folgenden Kernaussagen:

• Verfassungsrechtlich ist davon auszugehen, dass dem Bund für § 15 ZHG (die Bestimmung ist laut Grundgesetz die erforderliche formellgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Bundesregierung zum Erlass beziehungsweise zur Änderung der GOZ) die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zusteht.

• In § 15 ZHG selbst werden Inhalt, Zweck und Ausmaß der zum Erlass einer Gebührenordnung für Zahnärzte erteilten Ermächtigung hinreichend bestimmt.

• Die geplante Vorschrift des § 2a des GOZ-Arbeitsentwurfs ist mit ihrem Regelungsgehalt nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 15 ZHG gedeckt und deshalb bereits aus diesem Grunde verfassungswidrig.

• § 15 ZHG kann die Verordnungsregelung des § 2a im GOZ-Arbeitsentwurf nicht tragen, weil diese ihrem Inhalt nach nicht mit der im Zahnheilkundegesetz verfolgten Zielsetzung (Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbs, Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen den widerstreitenden Interessen von Zahnärzten und Patienten unter Beachtung der jeweiligen berechtigten Interessen sowie Erhöhung der Transparenz privatzahnärtzlicher Liquidation) im Einklang steht.

• Die aus der fehlenden Deckung der Öffnungsklausel durch § 15 ZHG folgende Verfassungswidrigkeit führt dazu, dass (mögliche) Eingriffe in die das Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit der Zahnärzte und die durch das Grundgesetz gewährleistete Vertragsfreiheit der Patienten durch die Öffnungsklausel bereits aus diesem Grund nicht verfassungsgemäß sein können.

• Die Möglichkeit einer Abweichung von der GOZ nach Maßgabe des § 2a GOZ-E durch Vereinbarungen zwischen Zahnärzten und Kostenträgern verstößt jedoch nicht gegen das EG-rechtliche Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen.

• Die Regelung des § 2a GOZ-E beinhaltet keine Beschränkung der EU-Dienstleistungsfreiheit.

Fundierte Grundlage

Die Bundeszahnärztekammer betont, dass das Gutachten eine fundierte Grundlage für die anstehende berufspolitische Auseinandersetzung mit dem Mitte bis Ende August zu erwartenden Referentenentwurf zur neuen GOZ bietet. 

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