GOZ-Referentenentwurf

Ein einstimmiges Nein

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Kurz, bündig und prägnant: Die außerordentliche Bundesversammlung der BZÄK am 15. November in Berlin setzte in ihrer Botschaft nach draußen ein ganz klares Zeichen. Der Referentenentwurf zur GOZ wird vom Berufsstand in toto abgelehnt. Im Schulterschluss zwischen Standespolitik, Wissenschaft und Berufsverbänden hieß es dazu einstimmig „Nein“.

Der erste Schuss muss sitzen und der Berufsstand muss nach fundierter Prüfung der GOZ-Novelle nach außen mit einer Stimme sprechen – mit diesem Vorhaben waren die BZÄK-Delegierten auf der Bundesversammlung in Stuttgart auseinandergegangen, nachdem angesichts des desaströsen Timings zur Veröffentlichung des GOZ-Referentenentwurfs eine Vertagung der Beratungen notwendig wurde (siehe den Titelbericht zum Deutschen Zahnärztetag in zm 22/2008).

Drei Wochen später, auf der außerordentlichen Bundesversammlung in Berlin, erfolgte nach gründlicher Analyse nun der eigentliche Knalleffekt: Statt lange Diskussionen um eine Flut von Anträgen zu führen, verabschiedeten die Delegierten nach nur zweistündiger Sitzung eine einzige Grundsatzerklärung. Die Botschaft, die im Schulterschluss von Standespolitik, Wissenschaft und Berufsverbänden nach draußen ging, konnte eindeutiger nicht sein: Die Zahnärzteschaft lehnt den Referentenentwurf als insgesamt völlig unzulänglich ab, da er weder fachlichen Kriterien noch betriebswirtschaftlichen Zwängen genügt (Wortlaut siehe Kasten).

Dem Urteil vorausgegangen waren fundierte und intensive Prüfungen und Analysen in den verantwortlichen Gremien (BZÄK-Senat für privates Leistungs- und Gebührenrecht, GOZ-Koordinierungskonferenz der Länderkammern, BZÄK-Vorstand) sowie Abstimmungsprozesse mit der KZBV und der DGZMK.

Von radikaler Rosskur weit entfernt

„In der Euphorie einer historischen Zeitenwende nähme ich den Ruf nach „Change“ eines anderen frisch gewählten Präsidenten gern für das deutsche Gesundheitswesen in Anspruch“, leitete der neue BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel seine Stellungnahme ein. „Und noch lieber riefe ich Ihnen allen zu: 'Yes, we can!' Aber die Wirklichkeit hierzulande ist von einer rational und ökonomisch gebotenen radikalen Rosskur der Sozialsysteme so weit entfernt, wie es Barack Obama noch vor einem Jahr vom Weißen Haus gewesen ist.“

Stattdessen, so Engel, zeige der GOZ-Referentenentwurf das genaue Gegenteil von Reformgedanken. „Ich fühle mich vom BMG enttäuscht und über den Tisch gezogen“, lautete sein persönliches Resümee. Ausführlich ging Engel auf die Knackpunkte im GOZ-Entwurf ein und deckte dabei Unstimmigkeiten und Widersprüche seitens des Ministeriums auf (mehr Details dazu im nachfolgenden Artikel Seiten 22 bis 25).

Zynisch sei die avisierte Anhebung des Honorarvolumens von 10,4 Prozent, die vom BMG in seiner Begründung zum Entwurf als angemessene Anpassung an die Kostenund Einkommensentwicklung angesehen werde. Bei einer Punktwertsteigerung um 0,46 Prozent könne von einer Angleichung an die Preisentwicklung keine Rede sein.

Engel gab seiner Verwunderung Ausdruck, dass das BMG von einer unklaren Berechnungsbasis für das Honorarvolumen die Zukunft der Zahnheilkunde abhängig machen wolle, und unterstrich die Unlogik des Ministeriums. Von der vom BMG im Oktober 2007 ins Gespräch gebrachten kalkulierten Vollkostenrechnung von 194 Euro für die Bepreisung sei keine Rede mehr. Ohne Beachtung der der eigenen Vollkostenrechnung seien nun Zeiteinheiten berechnet worden, die viel zu engmaschig seien. Das sei im Sinne einer qualitätsorientierten Zahnmedizin nicht hinnehmbar. Letztlich bedeute das für den Zahnarzt, dass er mehr oder schneller arbeiten müsse, um auf das gleiche Geld zu kommen. Engel: „Das ist unredlich, unfair und nach 21 Jahren so nicht hinnehmbar!“

Ein Minus von 2,5 Prozent

Anhand von Beispielen wies der Präsident, der auch gleichzeitig Vorsitzender des BZÄK-Senats für privates Leistungs- und Gebührenrecht ist, auf, dass sich die Gesamtauswirkungen der neuen GOZ auf das Honorarvolumen auf ein Minus von 2,5 Prozent belaufen. Schaue man sich das Honorarvolumen der 47 umsatzstärksten Leistungen an, so betrugen diese nach der GOZ von 1988 rund 82 Prozent am Gesamtvolumen (Basis 2006). Nach Berechnungen des Referentenentwurfs sinke dieses um vier Prozent auf rund 78 Prozent des Gesamtvolumens ab. Ausdrücklich dankte Engel der KZBV für ihre Schnittstellenarbeit bei den internen Berechnungen durch die Gremien. Dies diene der Glaubwürdigkeit zum Wohle des Berufsstandes.

Kritisch sind nach Aussagen des Präsidenten auch weitergehende Auswirkungen der neuen GOZ zu betrachten. Nicht nur der nach § 15 ZHG erforderliche Interessensausgleich zwischen Zahnarzt und Patientist unterblieben, sondern vielmehr seien auch der Gesundheitsmarkt insgesamt sowie der Arbeitsmarkt von Praxisangestellten, Auszubildenden, Labors und der Dentalbranche betroffen. Engel ging auf die Problematik der Mehrkostenregelung ein, jener „unsäglichen Aufspaltung einer privaten Leistung in Privat- und Kassenleistung“. Kritisch äußerte er sich außerdem zur Öffnungsklausel, die er unter Gesichtspunkten des Kartell-, Berufs- und Europarechts als bedenklich einstufte. Auch die Vertragsfreiheit zwischen dem Zahnarzt und seinem Patienten werde beschnitten. So werde es einerseits nicht gestattet, in einer Vertragsbeziehung die GOZ ganz auszuschließen (§2 Absatz 1 GOZ neu). Andererseits werde aber dem Patienten zugemutet, Versicherungstarife zu wählen, die Selektivvereinbarung nach der Öffnungsklausel zuließen und dem Vertrag zwischen PKV und Zahnarzt im Einzelfall beizutreten. Dies sei nicht nur inkonsequent, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich.

Das Fazit von Engel: „Ich finde in dem Referentenentwurf kein Körnchen, welches irgendwie genießbar wäre. In Verantwortung für den Berufsstand und für den Berufsstand und für die Patienten und nach einstimmigem Votum der GOZ-Koordinierungskonferenz und des BZÄK-Vorstandes ist dieser Entwurf inakzeptabel für uns.“ Seine Handlungsmaxime: „Es gilt, klar, überlegt, aber nachhaltig und glaubhaft herüberzukommen. Politik ist immer die Kunst des Machbaren. Unsere Gemeinsamkeit ist unsere Stärke.“

Ordnungspolitische Dimension

Den Blick auf die ordnungspolitischen Dimensionen des GOZ-Entwurfs lenkte der Vorsitzende der KZBV, Dr. Jürgen Fedderwitz. Er bezeichnete ihn – im Hinblick auf die noch anstehende Reform der Gebührenordnung für Ärzte – als „Blaupause für das, was noch kommt“. Der Berufsstand müsse achtgeben, dass die Fixierung der jetzt vorgelegten Regelungen nicht zur ideologischen Grundlage für Entwicklungen der Zukunft würden. Bei der gewollten Gleichschaltung zwischen GKV und PKV gehe es nicht um Preisgerechtigkeit, sondern darum, das Bewertungsgefüge des Bema auf die GOZ zu übertragen.

Es handele sich um eine Weichenstellung hin zu einer Einheitsversicherung, die sozusagen als „Einflugschneise“ sowohl zur Bürgerversicherung als auch zur Gesundheitsprämie dienen könnte. Diese Gleichschaltungsstrukturen zwischen PKV und GKV könnten auch bei den Diskussionen um die GOÄ relevant werden. Auch die PKV gehe als „Gewinner“ aus dem Gefüge hervor, analysierte Fedderwitz und verwies auf die Wettbewerbsmöglichkeiten im Rahmen der Öffnungsklausel und auf den Basistarif.

Der KZBV-Vorsitzende warnte davor, „dem BMG auf dem Leim zu gehen“. Der bloße Blick auf das Zahlenwerk GOZ lenke von der tatsächlichen Zielsetzung des Ministeriums ab: „Ich glaube schon lange nicht mehr an Versprechungen aus dem BMG.“

Jetzt gelte es, sich strategisch gut aufzustellen und im Schulterschluss aller Beteiligten unter der Federführung der BZÄK eine geschlossene Position des Berufsstandes zu entwickeln. Fedderwitz schloss im Hinblick auf die GOÄ-Novelle die Ärzteschaft mit ein. Die große Zielrichtung müsse sein, den Entwurf geschlossen abzulehnen. Das Fazit des KZBV-Vorsitzenden: „Ich unterstütze in dieser Hinsicht jedes 'Yes, we can!'. Aber zum Referentenentwurf muss es heißen: 'No, we won´t!'“

Fachwissenschaftlich unhaltbar

Ablehnung auf ganzer Linie kam auch von Seiten der Wissenschaft. Der ehemalige DGZMK-Präsident Prof. Dr. Georg Meyer, Greifswald, überbrachte den Delegierten das Statement der DGZMK zum GOZ-Entwurf. Darin wird aus fachwissenschaftlicher Sicht heftig moniert, dass sich der Entwurf kritiklos am Bema orientiere, fachwissenschaftlich fehlerhaft sei, elementare Prinzipien und Grundsätze einer modernen Zahnmedizin in Deutschland verletze, anerkannte oralepidemiologische Forschungsergebnisse ignoriere und infolgedessen eine präventionsorientierte, risikoadaptierte und individualisierte Behandlung verhindere. Bei dem erkennbaren Versuch, die Gebührenordnung in eine Erstattungsordnung umzuwandeln, würde an zahlreichen Stellen Einschränkungen definiert, die zahnmedizinisch- fachlich nicht haltbar seien und dem Einzelfall nicht gerecht würden. „Willkürliche Leistungseinschränkungen verhindern in diesem Sinne eine risikoadaptierte Behandlung des einzelnen Patienten“, heißt es weiter.

Die DGZMK appelliert mit Nachdruck an das BMG, die Verantwortung gegenüber der Gesundheit der Bevölkerung wahrzunehmen, den Referentenentwurf zurückzuziehen und auf der Grundlage der wissenschaftlichen Neubeschreibung einer präventionsorientierten Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde neu zu verhandeln.

Meyer fügte hinzu, dass die GOZ von je her als Vorreiter galt, um moderne Zahnheilkunde nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft umzusetzen. Die neuen Regelungen führten allerdings in die rückwärtige Richtung. Auch die medizinische Orientierung in der Zahnmedizin, die Studentenausbildung sowie die neue Approbationsordnung seien tangiert. Die DGZMK gehe davon aus, dass der Entwurf vom Wissenschaftsrat abgelehnt werde.

Harsche Kritik der Berufsverbände

Der Vorsitzende des Freien Verbandes Deutscher Zahnärzte, Dr. Karl-Heinz Sundmacher, übte ebenfalls harsche Kritik. Die Politik könne den Argumenten der Wissenschaft nicht ausweichen, sagte er. „Die Arroganz der Macht sitzt im BMG.“ Zwar nütze es nichts, auf die Barrikaden zu gehen, denn die GOZ-Novellierung werde kommen. Aber der vorliegende Entwurf sei nicht mehr die Gebührenordnung für die private Zahnheilkunde. Sundmacher appellierte an die Verantwortung der Zahnärzte für die zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung. Er empfahl, die GOZ so anzuwenden, dass sie dem Ziel nach ausgehebelt werde. Der Berufsstand solle Selbstbewusstsein zeigen – unabhängig von der Gebührenordnung: „Nur gemeinsam sind wir stark.“

Die Übernahme des Bema in die neue GOZ zeige sich besonders deutlich im Bereich der Kieferorthopädie, analysierte Dr. Gundi Mindermann, Vorsitzende des Berufsverbandes der Deutschen Kieferorthopäden (BDK). Mit den Neuregelungen koppele sich Deutschland vom internationalen Standard des Faches ab. Bei der massiven Abstufung im KFO-Bereich sei vor allem die Notwendigkeit der sprechenden Medizin und Patientenaufklärung in dem Fach in Mitleidenschaft gezogen. Bei dem eng gesetzten Zeitraster sei dies nicht mehr möglich. Mindermann überbrachte ein gemeinsames Statement von BDK und der Deutschen Gesellschaft für Kieferorthopädie (DGKFO). Das Fazit: Die neue GOZ sei für das Fach nicht tragbar und in Toto abzulehnen, da sie nicht den qualitätsorientierten Belangen entspreche und nicht mehr genügend Zeit für die Patienten einräume.

Als unzulänglich wies auch der Berufsverband Deutscher Oralchirurgen (BDO) den Referentenentwurf zurück. Deren stellvertretender Vorsitzender Dr. Joachim Schmidt prangerte die restriktiven, fachlich nicht zu rechtfertigenden Instrumentarien an, die aus der GKV in die GOZ übertragen worden seien. „Dass damit eine den individuellen Erfordernissen entsprechende Patientenbehandlung gefährdet wird, nimmt das BMG offenbar billigend in Kauf.“ Das BMG unternehme den unverhohlenen Versuch, die GOZ als weiteren Schritt in Richtung Bürgerversicherung zu missbrauchen, mit der Öffnungsklausel werde das Einkaufsmodell der GKV auf die PKV übertragen.

Markanter Schluss

Die außerordentliche Bundesversammlung fand mit der einstimmigen Verabschiedung der Grundsatzerklärung ihr markantes Ende. BZÄK-Präsident Engel appellierte an das strategisch-politische Fingerspitzengefühl der Delegierten, die noch anstehenden Sachstandsberatungen zum Thema Fortund Weiterbildung auf die ordentliche Bundesversammlung im nächsten Herbst zu vertagen. Die Delegierten stimmten dieser Vorgehensweise mit großer Mehrheit zu. •

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