15. Jahrestagung der Neuen Arbeitsgruppe Parodontologie e.V.

Ästhetik in der Parodontologie: Zahnfleisch und seine Schönheit

Am 17. November 2007 trafen sich über 250 Kolleginnen und Kollegen im Saal des Renaissance Hotels Leipzig, um Antworten auf die Frage ,,Ästhetik in der Parodontologie – Wie schön kann und muss Zahnfleisch sein?’’ zu finden.

Prof. Dr. Holger Jentsch, kommissarischer Direktor der Poliklinik für Konservierende Zahnheilkunde und Parodontologie der Universität Leipzig und Tagungspräsident, sowie Prof. Dr. Dr. Anton Sculean, erster Vorsitzender der NAgP e.V. und Leiter der Abteilung Parodontologie an der Universität Nijmegen, begrüßten die Teilnehmer zur Tagung über Aspekte der Ästhetik in der Parodontologie.

Die Rezession aus mikrobiologischer Sicht

Dr. Sigrun Eick, Universität Jena, referierte in ihrem Vortrag „Die Region der Rezession aus mikrobiologischer Sicht“ über die Bedeutung des bakteriellen Biofilms in der Ätiologie und Pathogenese der Parodontitis und der Wurzelkaries. Sie stellte heraus, dass an Zähnen, die Rezessionen aufweisen, mit keiner besonderen Mikroflora zu rechnen ist. Auffällig sei jedoch eine hohe systemische und vermutlich auch lokale Immunreaktivität. Da im Rezessionsbereich Bakterien prädominieren, die vornehmlich mit der Wurzelkaries assoziiert sind, stehen antimikrobielle Maßnahmen zur Prävention und Therapie der Wurzelkaries bei Patienten mit Rezessionen im Vordergrund. Neben lokaler Fluoridierung kommt der chirurgischen Therapie Bedeutung zu. Dabei weist die adjunktive Verwendung von Schmelzmatrixproteinen aufgrund deren antibakterieller, antiinflammatorischer sowie antiapoptotischer Eigenschaften auch aus mikrobiologischer Sicht Vorteile auf. Der Einsatz von Chlorhexidin als antimikrobielle Maßnahme bei Wurzelkaries sollte aufgrund der mit der Konzentration ansteigenden Zytotoxizität auf vitale Gingivafibroblasten kritisch hinterfragt werden.

Diverse Möglichkeiten bei Patienten mit Rezessionen

Prof. Dr. Holger Jentsch machte in seinem Vortrag deutlich, dass die Entstehung einer Rezession oft Folge einer multifaktoriellen Pathogenese ist. Man sollte sich daher nicht von einem einzigen vermeintlich ursächlichen Faktor leiten lassen, sondern die möglichen ursächlichen und beeinflussenden Faktoren in die Diagnostik einbeziehen. Neben anatomischen Faktoren können Alterungsvorgänge am Parodont, falsche Putztechnik, destruktive Parodontalerkrankungen, aggressive kieferorthopädische Therapie, Operationen sowie intra- und periorale Piercings zur Manifestation einer Rezession führen. Die Diagnostik sollte sich an diesen Faktoren orientieren. Neben der Miller-Klassifikation sollte man in Hinblick auf die Therapie auch die Rezessionstiefe und -breite sowie die Papillenhöhe erfassen. Der Progressionsverlauf kann durch das jährliche Vermessen der Strecken zwischen Schneidekante, Schmelzzementgrenze, Gingivarand und Mukogingivallinie reproduzierbar beurteilt werden. Der Referent erläuterte detailliert nicht chirurgische Maßnahmen, welche auf die Vermeidung einer falschen Zahnputztechnik sowie auf Prävention und Therapie von Hypersensibilitäten, Wurzelkaries sowie erosive Zahnhartsubstanzdefekte abzielen.

Dr. Klein, Frankfurt/Main, erläuterte anhand zahlreicher klinischer Fallbeispiele die Indikationen, Ziele, Grenzen und Risiken der chirurgischen Kronenverlängerung. Sehr anschaulich charakterisierte er die verschiedenen chirurgischen Verfahren, die dabei zur Anwendung kommen können. Die Breite der befestigten Gingiva und die Knochendicke sind die wichtigsten Faktoren, die das chirurgische Vorgehen bestimmen. Zur Erhaltung der parodontalen Gesundheit ist nach chirurgischer Kronenverlängerung eine Distanz von drei bis vier Millimetern zwischen Präparationsgrenze und Alveolarknochen anzustreben, um die biologische Breite einzuhalten. Vor einer definitiven prothetischen Versorgung in ästhetisch kritischen Regionen empfahl Dr. Klein die Wundheilungszeit von sechs Wochen auf drei bis sechs Monate zu verlängern, um optimale ästhetische Verhältnisse zu erzielen.

Rezessionsdeckung

Über die plastische Deckung parodontaler Rezessionen berichtete Prof. Dr. Petra Ratka-Krüger, Freiburg. Eine plastische Deckung von Rezessionen ist, neben ästhetischen Beweggründen seitens des Patienten, vorwiegend angezeigt, wenn ein „mukogingivales Problem“, das heißt eine ständige Traumatisierung, Schmerzen beziehungsweise vermehrte Plaqueakkumulation im Rezessionsgebiet, vorliegt. Die Referentin zeigte sehr übersichtlich die verschiedenen Verfahren zur Rezessionsdeckung, ihre Indikation und Grenzen auf. Mit allen Verfahren sind bei Rezessionen der Miller- Klassen I und II mit einer initialen Rezessionstiefe unter fünf Millimetern sehr gute ästhetische Ergebnisse zu erreichen. Verfahren mit Bindegewebstransplantaten sollten dabei favorisiert werden, da sie deutliche Vorteile in Bezug auf Gewinn an keratinisierter Gingiva, Wurzeldeckung, Ästhetik und Langzeitstabilität aufweisen. Sie präsentierte Langzeitergebnisse, die zeigen, dass auch bis zu 22 Jahre nach Rezessionsdeckung mit Bindegewebstransplantaten stabile Verhältnisse vorliegen. Die zusätzliche Verwendung von Emdogain ® scheint die Erfolgsquote noch zu verbessern. Abschließend gab die Referentin einen Einblick in den aktuellen Forschungstrend im Bereich der Rezessionsdeckungen.

Was ist Schönheit – verändertes Körperbild

Im Anschluss näherte sich der Kunstwissenschaftler Prof. Dr. Schulz, Leipzig, dem Thema Ästhetik/Schönheit von einer ganz anderen Seite. Wie sind die kulturellen und wie die historischen Kontexte der Wahrnehmung von Schönheit? Monica Bellucci als modernes Beispiel für die unbekleidete Venus und Arnold Schwarzenegger als modernes Männlichkeitsideal waren Schlaglichter dieser Betrachtung. Prof. Schulz konnte dabei die Relativität von Ästhetik und die Veränderlichkeit von Ästhetikkonzepten eindrucksvoll herausarbeiten. Seine Überlegungen machten die Risiken deutlich, die lauern, wenn Zahnmedizin ästhetische Konzepte für Patienten realisieren soll.

Papillenrekonstruktion – Traum oder Realität

Prof. Dr. Dr. Anton Sculean widmete sich in seinem Vortrag den Möglichkeiten und Grenzen der Papillenrekonstruktion. Schon zu Beginn machte er deutlich, dass die vorhandene Evidenz zu dieser Thematik nur auf einzelne erfolgreiche Fallberichte aus der Literatur beschränkt ist. Es ist nur eingeschränkt möglich, eine approximale Rezession der Miller-Klasse III zu decken, die Deckung einer Miller-Klasse IV ist nicht möglich beziehungsweise nicht vorhersagbar. Anhand einzelner klinischer Fälle zeigte er, dass man oft nur mit einer Kombination parodontalchirurgischer, prothetischer und orthodontischer Behandlungsmaßnahmen akzeptable Erfolge erzielen kann. Der Abstand des Kontaktpunktes zum Knochen ist maßgebend für die Ausformung der Papille. Die Wiederherstellung des approximalen Kontaktpunktes kann so in Verbindung mit Parodontalchirurgie zu einer vollkommenen Ausfüllung des interpapillären Raumes führen. Die beste Therapie besteht darin, einen Papillenverlust durch frühzeitige Parodontitistherapie zu verhindern.

Preisverleihungen

13 wissenschaftliche Arbeiten wurden auf der NAgP-Tagung als Poster präsentiert und konkurrierten um die mit 500 Euro, 300 Euro und 150 Euro dotierten NAgPFörderpreise. Eine Jury aus Referenten der Tagung, die nicht an den Posterpräsentationen beteiligt waren, kam zu folgender Bewertung:

1. Preis:Dr. Bernadette Pretzl, Heidelberg, Prof. Dr. Peter Eickholz, Frankfurt/Main: Patientenbezogene Langzeitergebnisse zehn Jahre nach parodontaler Therapie

2. Preis:ZA Martin Wohlfeil, Dr. Beate Schacher, Cand. med. dent. Jasmin Wehner, Prof. Dr. Gerhard Oremek, MTA Hildegard Sauer-Eppel, Prof. Dr. Peter Eickholz, alle Frankfurt/Main: Entzündungsparameter im Serum parodontal gesunder Probanden

3. Preis:Dr. Diana M. Krigar, Heidelberg, Priv.-Doz. Dr. Dr. Ti-Sun Kim, Heidelberg, Prof. Dr. Peter Eickholz, Frankfurt/Main: Lokalisierte moderate und schwere Parodontitis bei zyklischer Neutropenie – zwei Fallberichte

Möglichkeiten und Grenzen von Zahnfleischepithesen

Nach der Preisverleihung sprach Prof. Dr. Eickholz, Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt/Main, über Möglichkeiten und Grenzen der Versorgung mit Zahnfleischepithesen. Gerade bei approximalen Rezessionen im Oberkieferfrontzahnbereich ist mit flexiblen Gingivaepithesen ein einfaches und gewebeschonendes Hilfsmittel gegeben, die Ästhetik zu verbessern (siehe Abbildungen Seite 71). Prof. Eickholz schilderte anhand eigener Patientenfälle anschaulich und detailliert den Herstellungsprozess unter klinischen und labortechnischen Gesichtspunkten. Aus seiner Sicht haben sich Gingivaepithesen klinisch bewährt. Negative Einflüsse auf die Parodontien der versorgten Zähne konnten nicht nachgewiesen werden. Nur die Ver- beziehungsweise Entfärbung des Epithesenkunststoffes kann eine Neuanfertigung notwendig machen.

Termin

Die 14. Frühjahrstagung der Neuen Arbeitsgruppe Parodontologie e.V. findet am 24. 5. 2007 im Bundeswehrzentralkrankenhaus in Koblenz statt und wird unter dem Thema ,,Risikopatienten in der Parodontologie’’ stehen. Am 15. 11. 2008 wird dann die 16. Jahrestagung zum Thema „Parodontale Regeneration – Gestern und heute“ in Nijmegen in den Niederlanden stattfinden.

Axel JenzschFunktionsbereich ParodontologiePoliklinik für Konservierende Zahnheilkundeund ParodontologieZentrum für Zahn-, MundundKieferheilkundeUniversitätsklinikum LeipzigNürnberger Str. 5704103 Leipzig

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.