Europerio in Stockholm

Parodontologie und Implantattherapie in Europa

Heftarchiv Zahnmedizin
Die große im Drei-Jahres-Rhythmus abgehaltene Tagung der European Federation of Periodontology (EFP) fand Anfang Juni in der schwedischen Hauptstadt Stockholm statt. Mit 5000 Teilnehmern aus 83 Ländern war es nicht nur die sechste, sondern auch die bisher größte Europerio-Tagung.

Die größte Gruppe mit 1 022 Teilnehmern kam aus der unmittelbaren Nachbarschaft, dem Gastgeberland Schweden. Die deutschen Teilnehmer stellten mit 376 immerhin die zweitgrößte Gruppe. Stockholm zeigte sich als gastfreundliche und weltoffene Metropole. Um den „schwedischen Sommer“ genießen zu können, waren allerdings bisweilen Gummistiefel und Regenschirm recht hilfreich.

Für die nächsten drei Tage folgte ein viel- seitiges Programm mit über 170 renommierten Referenten aus aller Welt, das es den rund 5 000 Teilnehmern oftmals schwer machte, sich für den einen und damit gegen einen anderen Programmpunkt zu entscheiden. Themenschwerpunkte der diesjährigen Europerio-Tagung waren auf der einen Seite die nicht-chirurgische und die chirurgische Parodontaltherapie, auf der anderen Seite ebenso umfassend die Implantattherapie im parodontal kompromittierten Gebiss sowie die periimplantären Erkrankungen: Im Hauptvortragssaal wechselten sich die Themen Parodontologie und Implantattherapie ab. Zeitgleich fanden immer zwei Vortragsrunden statt, die sich jeweils speziellen Themen der Parodontologie (zum Beispiel „Relevanz mikrobiologischer Diagnostik für die Parodontitistherapie“) und Implantattherapie (wie „Zirkonoxidimplantate“) widmeten. Das Interesse am Thema „Dia-gnostik und Therapie von Patienten mit aggressiver Parodontitis“ am Donnerstag überstieg alle Erwartungen. Der Vortragssaal war gerammelt voll und nicht alle Interessenten fanden Einlass.

Die Gliederung des wissenschaftlichen Hauptprogramms folgte den grundlegenden therapeutischen Themen. Der aktuelle Stand der Kunst sollte dargelegt werden: Philipp Marsh, Sören Jepsen und Niklaus Lang übernahmen diese Aufgabe für das Thema nicht-chirurgische Parodontaltherapie. Der chirurgischen Parodontaltherapie widmeten sich Ulf Wikesjö, Mauricio Tonetti und Mariano Sanz. Durch Tord Berglundh, Marc Quirynen und Stefan Renvert, dem Präsidenten der Tagung, wurde das Thema „Implantattherapie im parodontal kompromittierten Gebiss“ diskutiert. Themen wie „Weich- und Hartgewebsmanagement um Implantate“, „Knochenaugmentationen und periimplantäre Entzündungen“ waren weitere Schwerpunkte.

Am letzten Kongresstag wurden die Themen Parodontitis- und Implantattherapie unter dem Titel „Die Kernfrage: Zahnerhalt oder Implantatinsertion?“ von Jan Lindhe, Marc Hürzeler und Marc Jung zusammen geführt. Wie lange halten selbst parodontal kompromittierte aber erfolgreich therapierte Zähne und wie lange halten enossale Implantate? Es wurde erneut herausgestellt, wie wichtig es ist, die Parodontitistherapie vor einer geplanten Implantatinsertion abgeschlossen zu haben. Jan Lindhe zitierte maßgebliche Arbeiten der Berner Arbeitsgruppe von Klaus Lang über die Fünf- und Zehn-Jahres-Langzeitprognose unterschiedlicher prothetischer Versorgungen auf Implantaten und Zähnen. Nach zehn Jahren kann bei Brücken auf Zähnen oder auf Implantaten und bei Einzelkronen auf Implantaten mit einer Überlebensrate von etwa 90 Prozent gerechnet werden. Extensionsbrücken und Hybridbrücken auf Zähnen und Implantaten überleben zehn Jahre nur zu etwa 80 Prozent. Marc Hürzeler gab die Devise aus, Zähnen mit fraglicher Prognose durch geeignete Therapie zu einer sicheren Prognose zu verhelfen. Für Parodontitis existieren zuverlässige Therapiekonzepte, für Periimplantitis noch nicht.

Das langfristige Problem

Was aber tun wir, wenn wir uns für ein Implantat entschieden haben, und es gibt Probleme? Unter dem Titel „Das langfristige Problem: Wie können wir Komplikationen bei Implantaten beherrschen?“ widmeten sich Richard Palmer, Urs Brägger und Eli Machtei technischen und biologischen Komplikationen an Implantaten. Eli Machtei zeigte dabei unkonventionelle, aber pragmatische Lösungen, zum Beispiel die „Amputation“ eines einzelnen Implantats mit finaler Periimplantitis unter einer implantatgetragenen Brückenkonstruktion.

An jedem der drei Kongresstage bestand selbstverständlich die Möglichkeit sich über neueste Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeitsgruppen zu informieren. Das vielfältige Spektrum reichte von der Anwendung der Volumentomographie auf die Furkations- diagnostik über das Virulenzpotenzial bestimmter Stämme von Aggregatibacter actinomycetemcomitans bis zu klinischen Studien zum Vergleich verschiedener Verfahren zur Rezessionstherapie.

Symposien und Teamfortbildung

Was wäre moderne Parodontologie ohne die kompetente Unterstützung durch das zahnärztliche Team? So hatten auch über 1 000 Teilnehmer das Programm für Dentalhygieniker und -hygienikerinnen besucht.

Das wissenschaftliche Hauptprogramm wurde im Verlauf des gesamten Kongresses durch zahlreiche Symposien zu unterschiedlichsten Themen ergänzt, die von vielen der über 80 Sponsoren organisiert worden waren. Auf einer eindrucksvollen Dentalausstellung präsentierte die Industrie ihre neuesten Errungenschaften.

Fazit

Die Europerio 6 in Stockholm war ein großartiger Erfolg. Trotz Finanzkrise und deutlichem Rumoren in der Dentalindustrie fanden mehr Teilnehmer als auf jeder anderen Europerio-Tagung ihren Weg nach Stockholm und auch die Industrie-Sponsoren und Aussteller bekräftigten mit ihrer Teilnahme die Bedeutung der europäischen Parodontologie. Jedem, der sich für Parodontologie und Implantattherapie interessiert, wurde etwas geboten: grundlegende Übersichtsvorträge über den aktuellen Stand des Fachs und wissenschaftliche Kurzvorträge mit Themen, die ganz hart am Wind der aktuellen Forschung segelten.

Nächste Tagung in Wien

Zur nächsten Europerio 7 lädt die Österreichische Gesellschaft für Parodontologie (ÖGP) vom 7. bis 9. Juni 2012 nach Wien ein. Wir können uns wieder auf einen spannenden und vielseitigen Kongress freuen.

Dr. Amelie Bäumer, Raluca Cosgarea,Sektion Parodontologie, Poliklinik für ZahnerhaltungskundeUniversitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 40069120 Heidelberg

Prof. Dr. Peter Eickholz,Poliklinik für Parodontologie,Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum),Johann Wolfgang Goethe-UniversitätTheodor-Stern-Kai 760590 Frankfurt am Main

 

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