Sinkende Renditen bei Lebensversicherungen

Das kleinere Übel

Heftarchiv Praxis
sg
Von den Profis verpönt, von den Amateuren unter den Anlegern geliebt – in der Krise scheint die Lebensversicherung ihre positiven Seiten hervor zu kehren. Gut vier Prozent Rendite im Schnitt bedeuten unter den derzeitigen Marktchancen ein gutes Ergebnis. Doch die Tendenz ist fallend. Und vor allem den Fondspolicen macht die Krise zu schaffen. Versicherte müssen sich fragen, ob die Gesellschaften ihre Zusagen halten können.

„Sicherheit bezeichnet einen Zustand, der frei von unvertretbaren Risiken der Beeinträchtigung ist oder als gefahrenfrei angesehen wird.“ So definiert Wikipedia das Gefühl, nach dem sich Anleger besonders in diesen Zeiten am meisten sehnen. Von dieser Sehnsucht nach Sicherheit profitiert die Branche der Assekuranz naturgemäß am meisten. Trotz aller Unkenrufe von professionellen Anlegern und Verbraucherschützern setzen die Deutschen bei ihrer Altersvorsorge voll auf die Lebensversicherung. Inklusive der Pensionskassen und -fonds halten sie 97,2 Millionen Verträge. Von ihnen versprechen sich die Sparer ein Leben im Alter frei von wirtschaftlichen Sorgen.

Fels in der Brandung

Die Gegner der Lebensversicherung argumentieren nach wie vor mit mangelnden Erträgen und hohen Kosten, die sie mit dieser Anlageform verbinden. Doch die größten Abstürze in der Krise erlebten gerade die von ihnen bevorzugten Anlagen wie Aktien, Fonds und Zertifikate. Die Lebensversicherung scheint sich derzeit wie ein Fels in der Brandung zu halten. Der Grund für die relative Stabilität liegt sicher in den engen Vorgaben begründet, nach denen die Portfoliomanager der Gesellschaften das Geld der Versicherten anlegen. So argumentiert auch Dr. Reiner Will, geschäftsführender Gesellschafter der Ratingagentur Assekurata in Köln: „Da deutsche Versicherungsunternehmen schon aufgrund der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen vergleichsweise eher gering in ausfallbedrohte strukturierte Kreditprodukte investiert waren, blieben sie größtenteils von den unmittelbaren Auswirkungen der Krise verschont.“

Denn die Versicherer dürfen maximal 35 Prozent des Anlagekapitals in Aktien investieren. Doch das Debakel um die Mannheimer-Versicherung, deren Engagement am Neuen Markt zu Beginn des Jahrtausend-Wechsels zur ersten Pleite einer Versicherung führte, ist nicht vergessen. Um die Risiken möglichst gering zu halten, haben sie ihre Aktienquote im vergangenen Jahr auf acht Prozent gesenkt. Inzwischen dürfte sie bei fünf Prozent liegen. Der Rest ist in Immobilien und zu circa 80 Prozent in festverzinslichen Wertpapieren angelegt. Doch auch die vorsichtige Anlagepolitik schützt nicht unbedingt. Dem Sog des Abwärtstaumels konnten sich die Gesellschaften nicht komplett entziehen. „Aus diesem Grund rechneten viele Experten damit, dass die Lebensversicherungsunternehmen für 2009 ihre Überschussbeteiligung deutlich absenken würden“, so Reiner Will im Vorwort zur Assekurata-Studie über die Überschussbeteiligung in der Lebensversicherung 2009. Tatsächlich erwies sich diese Besorgnis bislang jedenfalls als übertrieben. Denn nach der Rechnung der Assekurata sank die laufende Verzinsung im Durchschnitt nur von 4,34 Prozent im Jahr 2008 auf jetzt 4,26 Prozent.

Fallende Zinsen

Doch die Tendenz ist fallend. Der Hauptgrund für die zukünftigen Probleme dürfte das extrem niedrige Zinsniveau sein. Neuanlagen in Anleihen mit Zinsen von drei Prozent und weniger werden auch zukünftig die Erträge niedrig halten. Kunden, die noch Verträge aus den neunziger Jahren haben, können sich gelassen zurücklehnen. Ihnen sind Garantiezinsen zwischen 3,5 und vier Prozent sicher. Für Verträge jüngeren Datums gibt es nur noch garantierte 2,25 Prozent. Die Verzinsung gewährt der Versicherer aber nur auf den Sparanteil der Beiträge. Das heißt, die Kosten für Provision und Verwaltung sind abgezogen – insgesamt macht dieser Anteil etwa 20 Prozent aus.

Eng wird es bestimmt bei der jährlich fälligen Überschussbeteiligung, an der die Versicherten beteiligt werden müssen. Noch können die Gesellschaften die versprochenen Renditen halten. Sie zahlen die Differenz einfach aus ihren Rücklagen, wenn die Überschüsse nicht reichen. Doch die sind nicht bei allen Gesellschaften gleich stark und bei keiner unendlich. Unternehmen, die nicht über bequeme Polster verfügen, werden auf die Dauer in Schwierigkeiten geraten. Als ein weiteres Problem könnte sich die Konzentration der festverzinslichen Anlagen auf Bankpapiere erweisen. Denn noch ist nicht geklärt, wie viele toxische Papiere in den Bilanzen der Kreditinstitute schlummern und wie hoch die Risiken sind. Zwar hat die Bundesregierung ihren Schutz zugesagt. Doch das Wanken der Hypo Real Estate (HRE) hat gezeigt, dass die Sicherungssysteme der Banken für solche Fälle nicht mehr ausreichen. Aus diesem Grund hatte die Versicherungswirtschaft gerade in diesem speziellen Fall der HRE eine Bürgschaft in Höhe von 1,4 Milliarden Euro zugesagt. Bislang ist noch kein Geld geflossen, so die Auskunft des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft. Und inzwischen sitzt der Staat als Mehrheitsaktionär am Hebel. Die Pfandbriefe, die zuhauf in den Depots lagern, sind also geschützt.

Der Klassiker

Wer eine klassische Lebensversicherung abgeschlossen hat, sollte auch dabei bleiben. Ein Ausstieg zum jetzigen Zeitpunkt brächte viele Nachteile. Zum einen gibt es zurzeit so gut wie keine lukrativen Alternativen für eine Geldanlage. Zum anderen kommt außer einer Kündigung, die eher zu Verlusten führt, kaum ein Ausstieg in Frage. Der Verkauf der Police macht zurzeit keinen Sinn, weil der Zweitmarkt, auf dem Verträge normalerweise gehandelt werden, momentan kaum Chancen bietet.

Dürfen sich die Inhaber einer klassischen Lebenspolice wenigstens über Garantiezinsen freuen, so konnten die Anhänger der fondsgebundenen Lebensversicherung zusehen, wie ihre Anteile an Wert verloren. Denn bei dieser Variante investiert der Anbieter das Geld der Kunden häufig in hohem Maße in Aktienfonds. Das Risiko trägt allein der Kunde. Stürzen die Kurse, rauscht der Wert der Anteile in den Keller. Um diesen Schrecken abzumildern, verkaufen immer mehr Gesellschaften Fondspolicen inklusive einer Garantie. Doch die Ausgestaltung dieser Absicherung kann sich von Gesellschaft zu Gesellschaft deutlich unterscheiden. Zum einen kann es sich um den Kapitalerhalt handeln. Dann sind dem Versicherten wenigstens die eingezahlten Beiträge sicher. Manche Versicherer gewähren einen ähnlichen Garantiezins wie bei der klassischen Variante. Entscheidend ist auch, ob die Garantie von der Versicherungsgesellschaft selbst zugesagt wird oder ob sie von einer Investmentgesellschaft stammt. So können Kunden, die zum Beispiel bei der Skandia eine Fondspolice abschließen unter 60 verschiedenen Fonds wählen. Wollen sie eine Garantie, entscheiden sie sich für einen Garantiefonds. Wie viel die Sicherheit wert ist, hängt von der Fondsgesellschaft ab und nicht von der Skandia-Versicherung.

Ist die Anlage nicht durch eine Garantie geschützt und rückt das Ablaufdatum des Vertrags näher, bleibt noch ein Ausweg. Sollte der Wert der Fondsanteile im Keller sein, kann der Kunde die Auszahlung auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, wenn er das Geld nicht sofort benötigt. Dann besteht die Chance, dass sich der Verlust bis dahin ausgleicht. Wer erst am Beginn seiner Vertragslaufzeit steht, für den kann Daniela Roeben, Sprecherin des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft sogar noch einen Vorteil im Tief der Kurse entdecken: „Der Kunde bekommt mehr Anteile fürs Geld. Das zahlt sich bei wieder steigenden Kursen aus.“

Weil die Lebensversicherung aufgrund ihrer Kostenstruktur bei den Verbraucherschützern keinen guten Ruf genießt und auch die Anleger selbst nach immer mehr Rendite gerufen haben, zauberten die Versicherer einen vermeintlichen Alleskönner aus dem Hut: die Variable Annuities.

Fondspolicen

Bei den „veränderliche Renten“ genannten Produkten handelt es sich um Fondspolicen mit ausgefeilten Garantien, die eine Anlage in risikoreichere Produkte erlauben. Einen einmal eingezahlten Betrag investiert die Versicherung meist bis zum Beginn der Rentenzahlung in Aktien- oder Indexfonds. Damit soll ein höheres Rentenniveau erzielt werden, das dann bis zum Lebensende garantiert wird. So verspricht es die Police AllianzInvest4Life über eine irische Tochtergesellschaft. Denn in Deutschland sind diese Produkte noch nicht genehmigt. Auch andere Gesellschaften wie zum Beispiel die Axa bieten variable Annuities an. Doch die Axa musste Angebote aus ihrem Twin Star-Programm vom Markt nehmen. Der Grund waren die Kosten für die Garantien, die in Zeiten fallender Kurse auszuufern drohten. Je höher das Risiko desto teurer die Garantie. Dementsprechend hoch fallen auch die Kosten aus, die der Versicherte zu zahlen hat. Außerdem sollte er sich bewusst sein, dass nicht sein heimischer Versicherer die Garantien gibt, sondern ausländische Tochtergesellschaften die ihren Sitz in Dublin oder Luxemburg haben. Gefahr lauert auch bei der Art der Garantien. Meistens handelt es sich um Derivate, die durch Hedging abgesichert werden. Kritiker wie Lars Gatschke, Versicherungsexperte beim Bundesverband Verbraucherzentralen in Berlin, räumt diesen Garantien auch nicht die gleiche Qualität ein wie die klassischer Lebenspolicen. Schließlich führten nicht zuletzt Derivate, die auch für Experten nicht mehr zu durchschauen waren, mit zur Finanzkrise. Für die Kunden ist es daher umso wichtiger, dass sie die Produkte, in die sie anlegen auch komplett durchschauen können. Die Frage nach der Art der Garantie muss der Berater ausführlich beantworten können.

Zahnärztliche Versorgungswerke

Würde sich tatsächlich der Fall der Mannheimer Versicherung noch einmal wiederholen, spränge das brancheneigene Sicherungssystem Protektor ein. Auch dann bleibt den Versicherten immer noch der garantierte Zins. Das gilt für die klassische wie für die fondsgebundene Versicherung. Wer keine Garantien hat, hat auch das Nachsehen.

Gedanken über die Sicherheit der Versorgungswerke brauchen sich die Zahnärzte wohl nicht zu machen. Michael Jung, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (BAV) in Köln, beruhigt: „Die Versorgungswerke sind von der Krise nicht betroffen, es gibt keinen Ausfall.“ Zwar werden seiner Meinung nach nicht alle Versorgungswerke den Rechnungszins von 3,5 bis vier Prozent erreichen und mit einer Erhöhung der Renten ist im Schnitt auch nicht zu rechnen. Die Gründe dafür liegen aber zum einen darin, dass die Freiberufler im Durchschnitt vier Jahre länger leben und zum anderen „macht uns das derzeitige Zinsniveau auch nicht glücklich“, so Jung. Doch die Zinsen werden auch wieder steigen.

Marlene Endruweitm.endruweit@netcologne.de

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