Google Flu Trends

Selbstbewusste Grippejäger

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Es ist Grippezeit. Das bedeutet Husten, Schnupfen, Kopf- und Gliederschmerzen. Viele Menschen recherchieren diese Symptome im Internet. Der Suchmaschinenkonzern Google wertet entsprechende Eingaben deutscher User seit Kurzem mit dem Tool „Flu Trends“ aus. Das Ziel: Grippewellen voraussagen.

„Flu Trends“ wurde gemeinsam mit dem amerikanischen Zentrum für Seuchenkontrolle (CDC) entwickelt. In den USA hat Google das Krankheitsbarometer bereits im November 2008 an den Start gebracht, kurz darauf auch in Australien, Mexiko und Neuseeland. In einer dritten Runde ist der kostenfreie Service nun in 16 weiteren Ländern – und 37 Sprachen – erhältlich. Neben Deutschland, Spanien, Frankreich und vielen anderen europäischen Ländern sollen Japan und Russland davon profitieren.

Schätzung in Echtzeit

Die Korrelation zwischen Suchanfragen und dem tatsächlichem Aufkommen von Krankheiten hat Google nach eigener Aussage schon vor längerer Zeit bemerkt. Jeden Sommer häuften sich beispielsweise die Suchanfragen zum Thema Sonnenbrand, im Frühling wollten User alles über Heuschnupfen und Pollenflug wissen. „Unsere Beobachtungen haben gezeigt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Suchanfragen zum Thema Grippe und der Anzahl der Personen mit Grippesymptomen gibt. Für Google Grippe-Trends werden Daten der Google-Suche gesammelt und ausgewertet. Auf Grundlage der Ergebnisse wird anschließend nahezu in Echtzeit die Häufigkeit von Grippeerkrankungen geschätzt“, heißt es selbstbewusst auf der Projektseite des kalifornischen Konzerns. „Traditionelle Auswertungsmechanismen“ benötigten dafür hingegen Tage und Wochen, schrieben die Google-Ingenieure Matt Mohebbi und Dan Vanderkam in ihrem Blog und fügten hinzu, dass die Schätzungen des letzten Jahres den offiziellen Zahlen der Gesundheitsbehörden sehr nahe gekommen seien. Stefan Keuchel, Googlesprecher für Deutschland, sagte beim Start in Hamburg: „Wir können ein bis zwei Wochen im Voraus sagen, ob eine Grippewelle anrollt.“

In der Fachwelt nimmt man „Flu Trends“ mal mehr, mal weniger ernst. Der „Zeit“ sagte Susanne Glasmacher, Sprecherin des Robert Koch-Instituts, das Tool sei interessant, könne aber „nichts Etabliertes ersetzen“. Das Fachmagazin „Nature“ bescheinigte dem Messinstrument im Februar 2009, dass es durchaus dazu geeignet sei, eine Grippewelle frühzeitig vorauszusagen. Gesundheitsbehörden bekämen so die Möglichkeit, schnell zu reagieren. Fehler seien allerdings nicht auszuschließen. Auch lasse „Flu Trends“ keine genauen Aussagen zu, etwa über die demografische Zusammensetzung der Kranken oder eine Analyse des jeweils aktiven Grippevirus. Auf die traditionelle wissenschaftliche Überwachung in Praxen und Labors kann laut „Nature“ deshalb nicht verzichtet werden. Verfälschte Zahlen versucht Google zu vermeiden, indem es die Suchanfragen filtert. Schlagworte wie „Schweinegrippe“ bleiben, so der Konzern, unberücksichtigt. Die Wahrscheinlichkeit sei zu hoch, dass User – sensibilisiert durch die Medien – nach Nachrichten zu dem Thema suchten, ohne selbst krank zu sein.

Neue Datenkrake?

Grippezahlen sind nicht das einzige Gebiet, auf dem Google mit Zahlen dienen kann. Im Sommer 2008 startete der Konzern seinen Dienst „Insights for Search“, der das Suchverhalten von Google-Usern genau aufdröselt. Er richtet sich an Werbe- und Marketingfirmen, die mit seiner Hilfe die neuesten Internettrends verfolgen können. „Insights for Search“ verrät ihnen, welche Marken gerade besonders gefragt sind und sortiert die Ergebnisse sogar nach Städten, Regionen oder Ländern. Das wirft Fragen zum Thema Datenschutz auf. Den Nutzern von Flu Trend versichert der Suchmaschinenbetreiber – von Kritikern gerne als „Datenkrake“ bezeichnet –, dass der Dienst „nicht dazu verwendet werden kann, einzelne Nutzer zu identifizieren“.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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