Anästhesie bei Kindern und Menschen mit Behinderung

Rationierung zulasten der Schwächsten

Die Einführung fallzahlabhängiger Regelleistungsvolumina im kassenärztlichen Bereich wirkt sich kritisch auf die zahnärztliche Versorgung von kleinen Kindern, Zahnarztphobikern und Menschen mit Behinderung aus. Mit der beschlossenen Honorarabsenkung werden auch Vollnarkosen bei Zahnbehandlungen, die zum Teil für diesen Patientenkreis erforderlich sind, nicht mehr ausreichend finanziert. Die BZÄK und Fachverbände warnen dringlich vor der Rationierung zulasten der schwächsten Patienten.

Mit Wirkung zum 1. Januar hat der Bewertungsausschuss die gesetzlich vorgesehene Einführung von Regelleistungsvolumina (RLV) für Vertragsärzte beschlossen. Davon betroffen sind auch Anästhesisten.

Folglich gelten die RLV für die Abrechnung von Narkosen bei zahnärztlichen Eingriffen. Speziell in der Anästhesie führt die neue Systematik dazu, dass wegen der statistischen Mittelung nur die Grundleistungen erfasst und honoriert werden. Da aber die ambulanten Vollnarkosen zu zahnärztlichen Eingriffen innerhalb der RLV zu erbringen sind, gibt es hierfür praktisch kein Honorar mehr.

Die Bundeszahnärztekammer kritisiert, dass damit besonders die zahnärztliche Versorgung der Schwächsten in Mitleidenschaft gezogen ist. BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel betont in einer Stellungnahme an das BMG, dass mit der Honorarabsenkung die zum Teil notwendigen Vollnarkosen bei Kindern bis zu zwölf Jahren, behinderten Patienten und Patienten mit Angst vor der Zahnbehandlung nicht mehr ausreichend finanziert werden. Die BZÄK teile ihre Kritik mit dem Bundesverband der Kinderzahnärzte, der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde und dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten.

Versorgungslücke droht

Nach den neuen Regelungen sollen für ambulant tätige Anästhesisten bei zahnärztlichen Narkosen ab Januar 2009 künftig nur noch 29 bis 49 Euro gezahlt werden, unabhängig von der Dauer der Narkose. Von dieser Summe müssen noch Materialausgaben von mindestens 15 bis 25 Euro bestritten werden.

Damit droht, so die Warnung der BZÄK, eine eklatante zahnärztliche Versorgungslücke sowohl bei kleinen Kindern mit schweren kariösen Gebisszerstörungen und erblichen

Zahnerkrankungen, aber auch von extrem ängstlichen und behinderten Kindern, von erwachsenen Menschen mit Behinderungen und Patienten mit Zahnbehandlungsphobie.

Bis zu 15 Prozent der deutschen Kleinkinder leiden laut Angaben der BZÄK an schweren Zahnproblemen, die oftmals nur unter ambulanter Narkose behoben werden können. Betroffen sind rund 70 000 Kinder pro Geburtsjahrgang. Hinzu kommen die in Deutschland lebenden rund 1,67 Millionen Menschen, denen eine 100-prozentige angeborene oder erworbene Behinderung bescheinigt wird. Die Zahl der Betroffenen mit einer amtlich anerkannten angeborenen Behinderung (Grad der Behinderung 50 bis 100 Prozent) umfasst etwa 310 000 Personen. Zirka 40 von 100 zahnärztlichen Behandlungen müssen bei diesen Fällen in Allgemeinanästhesie erfolgen.

Es drohe eine Ausgrenzung des angesprochenen Patientenkreises von einer medizinisch notwendigen Behandlung, warnt die BZÄK. Das hätte für diesen Personenkreis die Konsequenz, dass das Kauen und Sprechen erschwert würden, auch in Verbindung mit weiteren psychosozialen Einschränkungen. Eine Nicht-Behandlung könne folgende weitere allgemein- und zahnmedizinische Beeinträchtigungen nach sich ziehen:

• Bakterienherde an kranken Zähnen schädigten den Kieferknochen und beeinflussen die Allgemeingesundheit negativ.

• Verstärkte Schlaf- und Essstörungen, Einschränkungen des Immunsystems und HNO-Probleme zögen weitere Behandlungen nach sich.

• Folgekosten für Zahnersatz und/oder Kieferorthopädie im Erwachsenenalter seien wahrscheinlich.

• Psychosoziale Störungen im Jugend- und Erwachsenenalter seien zu erwarten.

Lösung außerhalb des Budgets gefordert

Die Vergütung der Narkoseleistungen bei zahnärztlichen Eingriffen bei kleinen Kindern und bei Menschen mit Behinderungen muss nach Meinung der BZÄK angemessen sein. Daher fordert sie, den Beschluss des Bewertungsausschusses rückgängig zu machen. Die zahnärztliche Behandlung dieser Patienten müsse in der GKV, dem deutlich erhöhten zeitlichen, personellen, räumlichen und apparativen Aufwand entsprechend, besser honoriert werden, und zwar außerhalb von Budget und Degression. Die Budgetierung für die Zahnbehandlung von Kindern und von Menschen mit Behinderungen sollte aufgehoben werden. Ein Ausweg könnten Sondervereinbarungen zwischen den ambulant tätigen Anästhesisten und den Krankenkassen sein oder die Einführung der gleichen Vergütung wie bei Narkosen zu anderen ambulanten Eingriffen und Operationen.

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