Vorzeitiger Samenerguss

Jeder fünfte Mann „kommt zu früh“

Über die erektile Dysfunktion wird inzwischen ohne große Probleme gesprochen, die häufigste Sexualstörung des Mannes – der vorzeitige Samenerguss – aber ist weiterhin ein Tabuthema. Dabei geht die Störung oft mit einem erheblichen Leidensdruck auf Seiten des Mannes und auch auf Seiten der Frau einher, so hieß es bei einer Pressekonferenz in Köln. Dort wurde zugleich ein erstes, für die Behandlung der Ejaculatio praecox zugelassenes Medikament vorgestellt.

Rund 20 Prozent aller Männer leiden an einer Ejaculatio praecox. Diese Diagnose ist zu stellen, wenn die intravaginale Ejakulations-Latenzzeit, kurz IELT, also die Zeit von der Penetration bis zur Ejakulation, unter zwei Minuten liegt, wenn zugleich eine nur mangelhafte Kontrolle über die Ejakulation besteht, der Mann also ungeachtet der jeweiligen Situation und Partnerin nicht in der Lage ist, den Samenerguss hinauszuzögern, und wenn die frühzeitige Ejakulation den Mann und/oder seine Partnerin in ihrer sexuellen Erlebnisfähigkeit und in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Obwohl die Störung sehr belastend ist, sprechen laut Professor Dr. Hartmut Porst aus Hamburg weniger als zehn Prozent der betroffenen Männer ihren Arzt darauf an.

Vom Ablenkungsmanöver bis zum Lokalanästhetikum

Vielmehr versuchen die meisten Männer, das „Problem“ auf ihre Art zu lösen, wobei die unterschiedlichsten „Hausmittelchen“ zum Einsatz kommen. Die Palette reicht laut Dr. Volker Moll aus Augsburg von Ablenkungsmanövern, wie etwa dem Denken an die Steuererklärung oder die Schwiegermutter, bis hin zur häufigen Masturbation, in der Hoffnung, so die Latenzzeit zu verlängern, oder der sogenannten Squeeze-Technik, bei der die Eichel gedrückt wird, um die Stimulation zu unterbrechen. „Beliebt“ ist nach Moll auch das Auftragen von Cremes und Salben, die die Ejakulation verzögern sollen. Meist handelt es sich dabei um Lokalanästhetika, die die Empfindlichkeit des Penis herabsetzen sollen. „Das ist schwer zu steuern und die Lokalanästhetika werden zudem bei der Penetration auf die Schleimhaut der Frau übertragen“, erklärt der niedergelassene Urologe. Das Ende vom Lied ist nach seinen Worten dann oft eine erhebliche Frustration, weil Mann und Frau im Intimbereich praktisch gefühllos werden.

Deutlich effektiver, verträglicher und auch lustbetonter ist eine medikamentöse Behandlung, wie sie nach Moll seit einigen Monaten mit dem Wirkstoff Dapoxetin möglich ist. Es handelt sich hierbei um einen selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, selective Serotonine Reuptake- Inhibitor), also um einen Vertreter einer Wirkstoffgruppe, die seit vielen Jahren schon zur Behandlung von Depressionen eingesetzt wird. Während die herkömm- lichen SSRI eine lange Wirkdauer aufweisen und damit für eine bedarfsgerechte Medikation kaum geeignet sind, flutet Dapoxetin rasch an und auch rasch wieder ab. „Die Substanz ist hinsichtlich ihres pharmakologischen Profils sehr gut zur Behandlung des vorzeitigen Samenergusses geeignet“, so Moll. Sie wird ein bis drei Stunden vor dem Geschlechtsverkehr zusammen mit einem großen Glas Wasser eingenommen.

Damit Männer wieder länger „können“

Geprüft wurde Dapoxetin in Studien an rund 6 000 Patienten. Die Studiendaten bescheinigen dem Wirkstoff eine gute Wirksamkeit bei gleichzeitig guter Verträglichkeit und gutem Sicherheitsprofil. Dies ist besonders wichtig, da es sich bei der Mehrzahl der Fälle um eine lebenslang persistierende Störung handelt, die auf genetischen Veränderungen im Serotonintransportersystem beruht. Die Gabe eines SSRI ist damit folgerichtig, so hieß es in Köln.

Mit Dapoxetin lässt sich die Ejakulations- latenz nach Angaben von Professor Porst etwa um das Drei- bis Vierfache verlängern. Die betroffenen Männer erreichen damit meist wieder völlig normale Zeiten. So liegt die durchschnittliche Zeit von der Penetra-tion bis zur Ejakulation bei 5,4 Minuten. „Männer mit vorzeitigem Samenerguss haben nun erstmals die Option einer eigens zur Behandlung dieser Sexualstörung ent-wickelten und offiziell von den Gesundheitsbehörden entsprechend zugelassenen Medikation“, sagte der Urologe. Die neue Behandlungsoption ist nach seinen Angaben zudem für all jene Männer ein wichtiger Fortschritt, die infolge ihrer Sexualstörung immer wieder Schwierigkeiten in Beziehungen erlebt und ihre sexuellen Kontakte deshalb eingestellt haben und die ungewollt ein Single-Dasein führen, weil sie vor wei- teren Beziehungen und damit verbundenen Enttäuschungen zurückschrecken.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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