Repetitorium

CUP-Syndrom – Metastasen ohne Primärtumor

Keineswegs selten, aber wenig bekannt ist das CUP-Syndrom, also der „Cancer of Unknown Primary origin“. Trotz umfassender Diagnostik sind bei der Erkrankung praktisch nur Metastasen zu finden, der Primärtumor bleibt unbekannt. Die Prognose der betroffenen Patienten ist meist schlecht.

Krebserkrankungen nehmen an Häufigkeit stetig zu. In bis zu fünf Prozent der Fälle bleibt jedoch unklar, von welchem Organ und welchem Gewebe der Tumor ausgeht, wo also konkret der Primärtumor angesiedelt ist. Die Erkrankung wird zumeist bei der Abklärung von Beschwerden diagnostiziert, wenn zum Beispiel im Rahmen einer bildgebenden Diagnostik Metastasen im Körper gefunden werden.

Von einem „Krebs mit unbekanntem Primärtumor“ kann streng genommen nur gesprochen werden, wenn auch bei einer Obduktion des Patienten kein Primärtumor zu finden ist. Allerdings wird die Definition im Allgemeinen weiter gefasst und auch dann von einem CUP-Syndrom ausgegangen, wenn der Ursprungsort der Erkrankung zu Lebzeiten des Patienten trotz umfassender Diagnostik nicht dingfest zu machen ist. Dabei kann zunächst alles auf ein CUPSyndrom hindeuten, im weiteren Verlauf dann aber doch der Primärtumor gefunden werden. Ein solcher Fall wird als „initiale CUP-Situation“ bezeichnet.

Männer sind häufiger betroffen als Frauen

Nicht selten handelt es sich bei der Diagnose CUP-Syndrom somit um einen Zufallsbefund. Männer erkranken etwas häufiger als Frauen, wobei Inzidenz und Prävalenz dieser Erkrankung generell noch unterschätzt werden. Die Inzidenz wird offiziell mit 6-6,7/100 000 für Männer und mit 4-5,3/100 000 für Frauen angegeben. Der Erkrankungsgipfel bei der Diagnosestellung liegt im sechsten Lebensjahrzehnt.

Mit einer Prävalenz von drei bis fünf Prozent gehört das CUP-Syndrom dabei zu den zehn häufigsten Krebserkrankungen.

Primärtumor möglicherweise aufgelöst

Es kann verschiedene Möglichkeiten geben, warum der Primärtumor beim CUP-Syndrom nicht auffindbar ist. So geht eine Theorie davon aus, dass der Körper in solchen Fällen möglicherweise in der Lage war, über das Immunsystem den Primärtumor zu attackieren und zu eliminieren, dass aber die Metastasen aggressiver wachsen und daher vom Immunsystem nicht erfolgreich zu bekämpfen waren. Eine andere Theorie besagt, dass der Primärtumor wahrscheinlich relativ klein und mit den üblichen Untersuchungsverfahren nicht zu entdecken ist und somit übersehen wird, dass aber die Metastasen des jeweiligen Tumors deutlich maligner und aggressiver gewachsen und damit größer als der Primärtumor sind.

Diskutiert wird damit, dass sich die Metastasen biologisch eventuell anders verhalten als der ursprüngliche Tumor. Es wird vermutet, dass sie Wachstumsvorteile besitzen, was erklären kann, warum die Metastasen die eigentliche Erkrankung bedingen, der Primärtumor aber vom Abwehrsystem offenbar erfolgreich aufgelöst oder zumindest klein gehalten wurde.

Hohe Belastung

Für die betroffenen Patienten stellt die Erkrankung eine erhebliche Belastung dar. So kommt es nicht selten vor, dass die Betreffenden sich zuvor völlig gesund fühlten und ihnen nach einer Routineuntersuchung mitgeteilt werden muss, dass sie krebskrank sind, während ihnen zugleich nicht gesagt werden kann, an welcher Krebsart sie leiden. Es schließen sich umfassende und zum Teil invasive Untersuchungen an, was ebenfalls oft als sehr belastend erlebt wird, zumal in acht von zehn Fällen trotz aller Bemühungen unklar bleibt, von welchem Organ oder Gewebe die Erkrankung ausgegangen ist.

Belastend ist dabei nicht nur die Unsicherheit, sondern auch das Wissen, dass die Therapie sich üblicherweise nach der Art des jeweiligen Tumors richtet. Ein solches Vorgehen ist zwangsläufig beim CUP-Syndrom nicht zu realisieren, was bei vielen Betroffenen das Gefühl hinterlässt, keine optimale Therapie erhalten zu können.

Umfassende Diagnostik

Üblicherweise wird mittels einer umfassenden Diagnostik versucht, den Primärtumor dingfest zu machen. Dabei sollte eine Art Stufenplan eingehalten werden, um dem Patienten unnötige Untersuchungen zu ersparen.

Neben Anamnese und gründlicher klinischer Untersuchung erfolgt eine Basislabordiagnostik und es kommen verschiedene bildgebende Verfahren zum Einsatz, beginnend mit lichtmikroskopischen Untersuchungen, um gutartige Veränderungen auszuschließen. In einem zweiten Schritt geht es darum, möglichst rasch Tumore wie etwa ein malignes Lymphom aufzuspüren, bei denen ein potenziell kurativer Ansatz noch denkbar ist. Ziel der weiteren Diagnostik sollte sein, lokal begrenzte Tumore zu identifizieren, da auch in solchen Fällen per Operation und gegebenenfalls kombiniert mit einer Radiochemotherapie möglicherweise noch ein kurativer Ansatz zu verfolgen ist.

Es kommen üblicherweise verschiedene bildgebende Verfahren zum Einsatz. Dazu gehören in aller Regel der Ultraschall und die Computertomographie oder die Magnetresonanztomographie. Weitere radiologische und auch endoskopische Untersuchungsverfahren sind eventuell angezeigt. Üblicherweise werden per CT Kopf, Hals und Thorax untersucht sowie das Abdomen und das Becken. Bei Frauen wird ferner nach einem gynäkologischen Tumor gefahndet, bei Männern nach einem Prostatakarzinom. Bleibt die Situation unklar, so kommt vor allem beim Verdacht auf einen Tumor im Kopf-Hals-Bereich gegebenenfalls auch eine Positronenemissionstomographie (PET) in Betracht.

Hinweisend auf den Entstehungsort der Erkrankung können zudem die Tumormarker sein. So kann zum Beispiel der Marker AFP auf ein hepatozelluläres Karzinom oder – ebenso wie eine hohe Konzentration von beta-hCG – auf einen Keimzelltumor hinweisen, während ein erhöhter PSA-Wert primär an ein Prostatakarzinom denken lässt. Eine wichtige Rolle kommt bei der Diagnostik der Gewebebiopsie mit nachfolgender histochemischer oder immunhistochemischer Testung zu.

Zunehmend an Bedeutung haben in den vergangenen Jahren außerdem molekulargenetische Verfahren zur Charakterisierung der Tumore gewonnen. Künftig können ferner auch Versuche der genomischen Analyse durch Chip-Test einen Stellenwert bei der Diagnostik erlangen. Sie könnten dazu beitragen, die Metastasen eher einem Primärtumor zuordnen zu können, als es mit der Histochemie und/oder der Immunhistochemie möglich ist.

Suche nach weiteren Metastasen

Allerdings ist die Identifizierung des Primärtumors nicht das einzige Ziel der Diagnostik. Vielmehr geht es hierbei vor allem darum festzustellen, wo Metastasen vorliegen. Abgeklärt werden soll, ob diese möglicherweise operativ zu entfernen sind oder welche anderen Therapieoptionen angebracht sind.

Doch führen selbst modernste Verfahren nur bei zehn bis 20 Prozent der betroffenen Patienten im weiteren Verlauf zu einer klaren Organkrebs-Diagnose. Bei den übrigen Patienten bleibt die konkrete Tumorentstehung auch im weiteren Verlauf unklar. In bis zu zwei Drittel der Fälle kann der Primärtumor nach dem Tod des Patienten durch eine Obduktion gesichert werden. Dabei zeigt sich in der Mehrzahl der Fälle, dass die Metastasen von einem Lungenoder einem Pankreaskarzinom ausgegangen sind, seltener sind Leber und Gallenwege der Ursprungsort oder das Kolon, das Rektum oder die Nieren. Nicht selten entpuppt sich das initiale CUP-Syndrom im Verlauf der Diagnostik zudem als Kopf-Hals-Tumor, denn rund drei bis fünf Prozent dieser Tumore werden über Metastasen entdeckt, wobei der Primärtumor zunächst unbekannt ist.

Heterogenes Krankheitsbild

Ganz allgemein zeigen die histologischen Befunde bei 50 bis 70 Prozent der Patienten ein Adenokarzinom an und bei 20 bis 30 Prozent ein undifferenziertes Karzinom. Dagegen sind Plattenepithelkarzinome mit 5 bis 8 Prozent seltener. Es werden dabei verschiedene Entitäten differenziert und zwar unter anderem ein CUP-Syndrom, bei dem vor allem Metastasen in der Leber im Vordergrund stehen, aber auch in anderen Organen vorhanden sind, dann Erkrankungen mit Beteiligung der Lunge und der Pleura und auch Erkrankungen mit Beteiligung des Peritoneums sowie ein CUPSyndrom mit Hirnmetastasen oder mit Knochenmetastasen.

Allgemein ungünstige Prognose

Die Prognose von Patienten mit CUPSyndrom ist allgemein ungünstig, was sich schon daraus ergibt, dass die Krebserkrankung erst im metastasierten, also im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird. Die mittlere Überlebenszeit bei dem heterogenen Krankheitsbild liegt Literaturberichten zufolge bei nur drei bis elf Monaten, die Ein-Jahres-Überlebensrate bei 20 bis 40 Prozent. Zwar gibt es Langzeitüberlebende, die Rate des Fünf-Jahres-Überlebens liegt aber nur bei 3 bis 15 Prozent. Die Prognose der Patienten wird insgesamt besser, wenn es gelingt, nach dem initialen CUP-Syndrom doch den Ursprung der Erkrankung dingfest zu machen. Etwas besser als allgemein bei CUP-Tumoren ist die Prognose mit einer Fünf-Jahres-Überlebensrate von 35 bis 50 Prozent bei den zervikalen CUPSyndromen.

Behandlung nach dem Go-, Slow-Go-, No-Go-Prinzip

Es ist deshalb zum einen wichtig, eine intensive Diagnostik zu betreiben, um den Primärtumor ausfindig zu machen und eine adäquate Behandlung durchführen zu können. Zum anderen gilt es, nicht allzu viel Zeit mit einer aufwendigen Diagnostik zu verlieren, sondern rasch eine effektive Antitumortherapie einzuleiten. Diese aber wird dadurch erschwert, dass es sich um ein heterogenes Krankheitsbild handelt, wobei unklar bleibt, ob die CUP-Tumore eine vergleichbare Biologie aufweisen, ob es sich beispielsweise einheitlich um langsam wachsende Primärtumore handelt, die trotz ihres langsamen Wachstums aber die Fähigkeit besitzen, frühzeitig Tochtergeschwülste abzusetzen.

Erschwerend kommt weiter hinzu, dass es sich bei den Patienten meist um ältere Menschen handelt. So sind ein Drittel der Betroffenen über 70 Jahre alt, und es liegen nicht selten ein eingeschränkter Allgemeinzustand und oftmals auch eine erhebliche Komorbidität vor. Solche Parameter sind prognostisch relevant und zudem für die geplante Behandlung bedeutsam. Bei der Behandlung wird differenziert, ob es sich um einen weitgehend gesunden, fitten Patienten handelt oder um einen Patienten mit eingeschränktem Gesundheitszustand oder gar um einen gebrechlichen Patienten. Kurz charakterisiert werden die drei Grundsituationen im Hinblick auf die Tumortherapie und deren Intensität mit den Begriffen „Go“ bei den fitten Patienten, die eine möglichst effektive Therapie erhalten sollen, mit „Slow Go“ bei eingeschränktem Gesundheitsstatus, wobei bei diesen Patienten Nutzen und Risiken der Therapie sehr vorsichtig abzuwägen sind, und mit „No Go“ bei der gebrechlichen Gruppe, bei denen der palliativmedizinische Ansatz im Vordergrund steht.

Kriterien der Behandlung

Die Behandlung kann sich im besten Fall an prädiktiven Markern orientieren, sofern solche bei der Diagnostik dokumentiert wurden. So kann zum Beispiel der Hormonrezeptorstatus wegweisend für die Behandlung sein, etwa wenn ein hormonabhängiger Tumor vorliegt. Liegt ein HER2-positiver Tumor vor, so wird eine Behandlung mit einem Antikörper gegen das HER2-Antigen eingeleitet werden. Auch wenn sich spezielle Wachstumsfaktor-Rezeptoren wie etwa der EGFR (Endothelium Growth Faktor Receptor) auf den Tumorzellen nachweisen lassen, ist eine gezielte Antikörpertherapie einzuleiten.

Werden solche prädiktiven Marker nicht gefunden, so gibt es keinen prinzipiellen Goldstandard oder gar eine verbindliche Leitlinie der Behandlung. Am besten belegt sind die Effekte einer Chemotherapie mit einer Kombination von Platin und einem Taxan. Die Kombination mit zwei Wirkstoffen dieser Gruppe wird im Allgemeinen gegenüber der Dreifach-Kombination bevorzugt, weil sie besser verträglich ist und weil Belege für eine überlegene Wirksamkeit für die Gabe von drei Zytostatika fehlen. Eine Dosiseskalation erfolgt üblicherweise nicht, weil Vorteile für eine solche Strategie nicht nachgewiesen werden konnten, ebenso wenig wie für eine Hochdosisbehandlung, dosisdichte Chemotherapieprotokolle und eine Stammzelltransplantation.

„Targeted Therapy“ auch beim CUP-Syndrom

Erweitert haben sich in jüngster Zeit die Behandlungsmöglichkeiten andererseits durch die Option der „Targeted Therapy“ also der zielgerichteten Antitumortherapie. So wurde kürzlich im Rahmen einer klinischen Studie dokumentiert, dass sich das mediane Überleben von Patienten mit fortgeschrittenem CUP-Syndrom durch die kombinierte Behandlung mit dem Angiogenesehemmer Bevacizumab und dem Tyrosinkinasehemmer Erlotinib verlängert und die Ansprechrate auf eine platinbasierte Behandlung durch die beiden Therapeutika gesteigert wird.

In aktuellen Studien wird nun geprüft, ob sich die Überlebenszeit der Patienten zum Beispiel durch weitere Wirkstoffe der „Targeted Therapy“ wie etwa EGFR-Antikörper steigern lässt. Dieser Ansatz erscheint sinnvoll, da entsprechend der vorliegenden Befunde rund zwei Drittel der CUP-Tumore eine hohe EGFR-Expression aufweisen. In einer deutschen Studie wird deshalb zur Zeit überprüft, ob sich die Behandlungsergebnisse durch den EGFR-Antikörper Cetuximab, der placebokontrolliert zusätzlich zu Carboplatin und Paclitaxel verabreicht wird, verbessern lassen.

Es wird ferner untersucht, ob durch ein individualisiertes Vorgehen basierend auf Genexpressionstests möglicherweise künftig eine Verbesserung der doch ansonsten ernüchternden Behandlungsergebnisse bei Patienten mit CUP-Syndrom möglich ist.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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