Zehn Jahre Monat der Mundgesundheit

Beste Bilanzen und neue Visionen

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Eine der umfangreichsten zahnärztlichen Präventions- und Aufklärungskampagnen für Patienten ist die Kooperation der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) mit Colgate-Palmolive „Monat der Mundgesundheit“. In diesem Jahr jährt sich die Zusammenarbeit zum 10. Mal. Anlass, auf der gemeinsamen Pressekonferenz am 25.8.2010 in Berlin nicht nur Bilanz zu ziehen, sondern neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorzutragen.

In den vergangenen zehn Jahren hat sich der „Monat der Mundgesundheit“ zu einer vielbeachteten Aufklärungskampagne entwickelt. „Sehr viele Maßnahmen, Aktivitäten und Projekte haben wir in dieser Zeit angestoßen“, so Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK, in seinem Begrüßungsstatement. In dieser Zeit habe der Fokus auf zahnmedizinischen Präventionsthemen mit Blick auf die Wechselwirkungen zwischen oralen und allgemeinen Erkrankungen gelegen, fasste er zusammen. Die beiden Träger der Aufklärungskampagne setzten sich intensiv für die Verbesserung der Mundgesundheit in Deutschland ein, präsentierten wichtige Themen gut verständlich einer breiten Öffentlichkeit. Jedes Jahr sei ein spezifisches Schwerpunktthema definiert und in Zusammenarbeit mit Experten eine Informationsbroschüre für Zahnärzte und Patienten veröffentlicht worden.

Innerhalb von acht Jahren wurden mehr als 10 Millionen Informationsbroschüren von Zahnarztpraxen angefordert: „Damit ist es die erfolgreichste Infobroschürenreihe, die jemals in Deutschland entwickelt wurde“, resümierte Michael Warncke, medizinischwissenschaftlicher Leiter von Colgate-Palmolive.

PZR bei Patienten etabliert

Eine besonders nachgefragte Broschüre wurde „Professionelle Zahnreinigung (PZR)“. Die PZR wurde im Zuge der Zusammenarbeit als Prophylaxemaßnahme definiert und im Bewusstsein der Patienten etabliert. Noch zu Beginn, bei einer Befragung 2001, seien die Inhalte der PZR kaum bekannt gewesen und häufig mit der Zahnsteinentfernung verwechselt worden, führte Warncke an. Die öffentlichen Aufklärungskampagnen der letzten Jahre hätten wesentlich zu einem messbaren Bewusstseinswandel in der Bevölkerung zum Thema Prophylaxe und Mundgesundheit beigetragen und natürlich auch Aktionen wie die Verlosung von insgesamt mehr als 10.000 Gutscheinen für eine Professionelle Zahnreinigung. Eine aktuelle, repräsentative Befragung zeige, dass der Begriff der Professionellen Zahnreinigung inzwischen bei 92 Prozent aller Befragten bekannt sei. Die PZR würde mittlerweile bei Älteren intensiv genutzt und regelmäßig durchgeführt. 68 Prozent derjenigen, die bereits eine PZR durchführen ließen, nutzten diese danach einmal im Jahr oder öfter.

Die positive Entwicklung des Mundhygieneverhaltens zeige sich ebenso im Anstieg des Verbrauchs von Mundhygieneprodukten, ergänzte Warncke. Das Bewusstsein der Verbraucher für Prophylaxe zu Hause und beim Zahnarzt sei eine erfreuliche Tendenz. Dennoch gäbe es weiteren Handlungsbedarf.

Interdisziplinäre Zusammenhänge

Unter der Bezeichnung „Vision Mundgesundheit“ wird in den kommenden Jahren die Zusammenarbeit mit einer neuen strategischen Ausrichtung weitergeführt. Das Projekt soll den interdisziplinären Zusammenhang zwischen Mundgesundheit, Oralmedizin und Allgemeinmedizin vertiefen und zu einem Dachkonzept für fachübergreifende Ansätze und Diskussionen werden. Experten verschiedener Fachrichtungen sollen Themen beurteilen und umfangreiches Datenmaterial auswerten. Entsprechende Publikationen, die für verschiedene Fachrichtungen relevant sein dürften, sind angedacht. „Wir wollen damit zum ersten Mal die Oral- und Allgemeinmedizin intensiv miteinander verzahnen“, so Warncke.

Ein erstes Highlight dieser Vision ist die Initiative „Gesund im Mund bei Diabetes“, welche Ärzte und Zahnärzte unter einem gemeinsamen Dach vereinen soll, erläuterte BZÄK-Vize Oesterreich.

Bundeszahnärztekammer und Colgate sind bereits seit 2007 mit Unterstützung der Wissenschaft auf der jährlichen Fachmesse „Diabetes“ in Münster aktiv. Oesterreich zeigte Zusammenhänge medizinischer und zahnmedizinischer Erkrankungen und Risikofaktoren auf wie ‚Diabetes als Risikofaktor für Parodontitis’ oder auch ‚Parodontitis als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen’.

Er kommentierte unveröffentlichte Studiendaten zum Zusammenhang von Parodontalerkrankungen und Diabetes. Statistisch signifikante Auffälligkeiten bei Diabetikern in der Zahngesundheit seien zum Beispiel eine höhere Anzahl tiefer Zahnfleischtaschen, fehlender Zähne und eine subjektiv als schlechter wahrgenommene Mundgesundheit. Ein Screening in der Zahnarzt-Praxis könne zur Früherkennung systemischer Erkrankungen führen. Zudem könne die Prävention oraler Erkrankungen zur Verbesserung der Allgemeingesundheit beitragen, skizzierte Oesterreich.

Die Erarbeitung eines evidenzbasierten interdisziplinären Konsenses mit Diabetologen und Parodontologen sei daher gefordert. Durch die Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen sei beispielsweise eine genauere Kenntnis individueller Erkrankungsrisiken möglich.

Zahnmedizin der Zukunft

Prof. Dr. James Deschner, Poliklinik für Parodontologie, Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, unterstrich in seinem Vortrag ebenfalls die Zusammenhänge von Mundgesundheit und systemischen Erkrankungen mit gegenseitigen Abhängigkeiten. So seien zum Beispiel Parodontitis und Diabetes bidirektional, beeinflussten sich wechselseitig. Diabetiker mit einer guten Blutzuckereinstellung hätten eine minder ausgeprägte Parodontitis. Nichtdiabetiker hingegen könnten durch Parodontitis zum Prädiabetiker werden.

Andererseits führten Diabetes plus Parodontitis zu einem 2,3-fach erhöhten Risiko für einen Tod durch koronare Herzerkrankungen als bei Diabetes ohne Parodontitis. Ähnliche Zusammenhänge seien der Wissenschaft bekannt. Deshalb seien sehr große Effekte bei der Eindämmung von Parodontitis beim Diabetiker möglich. Dies unterstreiche die Wichtigkeit der interdisziplinären Forschung und Zusammenarbeit. In der Zukunft sei es zudem durchaus denkbar, dass „Zahnärzte den Blutzuckerspiegel messen könnten, auch oral, dazu gäbe es bereits Studien“, so Deschner.

Insgesamt hätte die Behandlung oraler Erkrankungen einen starken Einfluss auf den gesamten Organismus und umgekehrt. Daher sei die Betreuung, regelmäßige Nachuntersuchung und gegebenenfalls erneute Behandlung der Patienten unabdingbar für Mund- und Allgemeingesundheit, unterstrich Deschner.

Als wissenschaftlichen Ausblick zeigte Deschner einige mögliche zahnmedizinische Lösungen auf, wie Tissue Engineering, Gen-Therapie oder Stammzellen-Therapie mit Gewebegewinnung aus der Wurzelhaut des Zahnes. Insgesamt gäbe es viele interessante Ansätze für eine enge zukünftige Zusammenarbeit zwischen Zahnärzten und Medizinern.

Anke-Kristin WachholzBundeszahnärztekammerChausseestr. 13, 10115 Berlin

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