Mundschleimhautveränderungen

Nekrotisierende ulzerative Parodontitis beim HIV-Patienten

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Ein 25-jähriger Patient stellte sich, nach Überweisung durch einen niedergelassenen Zahnarzt, zur umfassenden Zahnsanierung bei desolatem Parodontal- und Zahnstatus vor. Schmerzen bestanden nicht, allerdings war dem Patienten eine zunehmende Lockerung der Zähne aufgefallen, mit partiellem Spontanverlust mehrerer Zähne des Unterkiefers. Eine neu aufgetretene Schwellung der Wange links hatte ihn schließlich zur Konsultation eines Zahnarztes veranlasst.

Des Weiteren litt der Patient vor mehreren Jahren an einer – nach eigenen Angaben – überwundenen Bulimie. Aktuell war der Patient wegen einer Depression in tagesklinischer Behandlung.

Bei der klinischen Untersuchung fielen ein reduzierter Allgemein- und Ernährungszustand auf. Die rechte Wange zeigte bei Inspektion eine deutliche Schwellung, die sich palpatorisch weich darstellte. Enoral imponierte ein parodontal stark geschädigtes Restgebiss. Die Wurzeln der III-gradig gelockerten Zähne lagen frei und waren von harten und weichen Belägen bedeckt (Abbildung 1). Die Weichgewebe waren stark gerötet und reagierten schon bei leichter Manipulation mit Blutung.

Korrespondierend zur Klinik ist in der Panoramaschichtaufnahme der generalisierte Knochenabbau bis auf das Niveau der Wurzelspitzen in Ober- und Unterkiefer zu erkennen (Abbildung 2).

Laborchemisch erfolgte der Nachweis von HI-Viren des Typs I und eine mit 41/μl stark erniedrigte CD4-Zellzahl (Norm 400/μl) im Blut des Patienten bei Verdacht auf Vorliegen einer nekrotisierenden ulzerierenden Parodontitis bei HIV.

Nach Entfernung der Zähne, Glätten der Knochenkanten und plastischer Deckung wurde der Patient an die Infektiologie der Medizinischen Klinik und Poliklinik in domo weitervermittelt und befindet sich seitdem in antiviraler Therapie.

Diskussion

Mehrere Veränderungen der Mundschleimhaut und der angrenzenden Gewebe wie zum Beispiel die nekrotisierende ulzerative Gingivitis (NUG) und Parodontitis (NUP), die aus ersterer entsteht, treten gehäuft bei HIV auf und gehen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit des Progresses der Grunderkrankung einher [Rivera-Hidalgo et al., 1999]. Bei Entwicklung einer NUP kann beim HIV-seropositiven Patienten von einer Anzahl an CD4-Zellen von <200 pro Mikroliter Blut ausgegangen werden [Rivera-Hidalgo and Stanford, 1999].

Weitere HIV-unabhängige Risikofaktoren in der Entwicklung einer NUP sind Stress, Schlafmangel, Tabakkonsum, eine schlechte Mundhygiene und immunsupprimierende Faktoren [Bermejo-Fenoll et al., 2004].

Auf der Basis einer initialen Gingivitis kommt es unter dem klinischen Bild der sogenannten ausgestanzten Papillen zur Nekrose selbiger. Neben Blutungen beklagen die Patienten Schmerzen, die so stark sein können, dass die Mundhygiene nicht mehr adäquat durchgeführt und feste Nahrung vermieden wird. Es bilden sich ausgedehnte gelblich-graue Beläge auf den Weichgeweben mit partiell starkem Foetor ex ore einhergehend. Weitere Symptome können Fieber und ein reduzierter Allgemeinzustand sein.

Im Verlauf greift die Infektion dann auf den gesamten Zahnhalteapparat über, und es kommt durch Nekrose des parodontalen Ligaments und des Alveolarknochens zum rasch fortschreitenden Attachmentverlust. Radiologisches Korrelat in der Panoramaschichtaufnahme ist ein schnell fortschreitender, generalisierter, horizontaler und vertikaler Knochenabbau.

Die Therapie der NUP unterscheidet sich nicht grundlegend von der Therapie anderer Parodontalerkrankungen. Ziel ist, einen weiteren Progress zu vermeiden.

Bei Vorliegen einer NUP sollte aufgrund der Assoziation zu HIV eine serologische Überprüfung angestrebt werden und der Patient bei positivem Ergebnis einer HIV-Therapie zugeführt werden.

Weitere Veränderungen in der Mundhöhle, die den Behandler zur Überprüfung des HIVSerostatus motivieren sollten, können sein: dieorale Candidosebeim scheinbar gesunden Patienten,enorale Condylomataacuminata, die durch humane Papillomaviridae verursacht werden (Abbildung 3) und dieHaarleukoplakie(Abbildung 4), die durch das Eppstein-Barr-Virus verursacht wird. Ein Neuauftreten einer Haarleukoplakie unter antiviraler Therapie deutet auf ein Therapieversagen hin [Reznik, 2005].

Abschließend soll noch dasKaposi-Sarkomerwähnt werden, das im Gegensatz zu den Vorgenannten allerdings zu den AIDSdefinierenden Erkrankungen gehört.

Der hier vorgestellte Fall soll darauf hinweisen, dass bestimmte meist durch den Zahnarzt erkannte Veränderungen in der Mundhöhle gehäuft mit bestimmten, behandlungsbedürftigen Grunderkrankungen einhergehen, zu deren Abklärung weiterführende diagnostische Maßnahmen getroffen werden müssen, wie in diesem Fall die Überprüfung des HIV-Status bei Vorliegen einer nekrotisierenden ulzerativen Parodontitis.

Tasso von HaussenPD Dr. Dr. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – Plastische OperationenUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de

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