Qualitatives Rating

Außerhalb der Bilanz

Im Geschäftsgebaren von Banken gehören Kreditbeurteilungen zur täglichen Arbeit. Zahnärzte sollten sich vor Gesprächen mit ihrer Bank jedoch nicht nur auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen konzentrieren, sondern auch die strukturellen und strategischen Merkmale der Praxis im Blick haben.

Neben den monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen (BWA) bildeten bisher vor allem regelmäßige Rentabilitäts- und Liquiditätsberechnungen für Praxisinhaber Dietrich S. die wesentlichen Grundlagen seiner Kreditwürdigkeit. Als sein Vater vor acht Jahren die Praxis an ihn übergab, tat er dies mit dem Selbstverständnis des Unternehmers, dass „Umsatz und vor allem Gewinn eben immer stimmen müssen“. S. übernahm diesen Ansatz fast schon wie selbstverständlich und lebt auch heute noch danach. Zusätzliche Gesichtspunkte, die wesentliche Eigenschaften des Arztes als Unternehmer – vor allem als Führungskraft sowohl gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Patienten als auch gegenüber seinen Banken – abbilden und die mit der Bilanz und dem damit verbundenen Zahlenwerk zunächst nichts oder wenig zu tun haben, zählten bisher dagegen nicht zu seinen Stärken.

Dies wurde während des letzten Bilanzgesprächs deutlich, das S. gemeinsam mit seinem Steuerberater einmal im Quartal mit dem für ihn zuständigen Kundenberater seiner Hausbank führt. Zu seiner Überraschung erhielt er dort die Information, dass sein Praxisrating wie schon in den vergangenen Jahren ein „gerade noch ausreichend“ sei. Diese Note drückt sich naturgemäß auch in seinen Kreditkonditionen aus: So zahlt er für den für ihn wichtigen Überziehungskredit auf dem Praxiskonto derzeit einen Zinssatz von elf Prozent im Jahr, während erstklassige Sätze bei etwa sieben bis acht Prozent im Jahr liegen. Im Verlauf des Gesprächs wurde erneut deutlich, dass seine Hausbank bereits während der vergangenen Jahre darauf hingewiesen hat, dass sie eben nicht nur großen Wert auf stabile wirtschaftliche Zahlen lege, sondern auch auf jene Faktoren, die sich im sogenannten „Qualitativen Rating“ (siehe Kasten) wiederfinden und mit denen sich S. bisher noch nicht richtig angefreundet hat.

S. selbst führt dies darauf zurück, dass er sich bisher vor allem um seine Patienten gekümmert hat. Da das Delegieren bisher eben auch nicht gerade zu seinen Stärken gehörte, blieben wichtige organisatorische Dinge mehr oder weniger unbearbeitet.

Großer Nachholbedarf

Immerhin scheint bei S. nun aber die Einsicht zu wachsen, den umfangreichen Bereich des „Qualitativen Ratings“ nicht länger zu vernachlässigen und sich endlich detailliert mit Inhalten seiner Praxisführung auseinanderzusetzen. Hier besteht Nachholbedarf vor allem in der strategischen Ausrichtung der Praxis und in den damit verbundenen wichtigen Bereichen der Planung und der Steuerung. So fehlt ein funktionierendes Controllingsystem ebenso wie ein Früherkennungssystem für potenzielle wirtschaftliche Risiken. Auch sein Informationsverhalten und die damit verbundene Transparenz sind verbesserungsfähig. Details über Umsätze, Kosten und Erträge sowie über geplante Investitionen teilt er bisher lediglich einer langjährigen Fachkraft mit, die ihrerseits angewiesen wurde, sich gegenüber den sechs übrigen Mitarbeiterinnen zurückhaltend zu verhalten.

Regelmäßige Mitarbeitergespräche und daraus resultierende individuelle Beurteilungen gibt es darüber hinaus ebenso wenig wie konkrete Fortbildungspläne. Seminarbesuche wurden bisher fast ausschließlich kurzfristig bewilligt und orientierten sich eigentlich immer an den jeweils aktuellen betrieblichen Notwendigkeiten. Immerhin hat sich S. vor einigen Monaten dazu entschlossen, ein betriebliches Vorschlagswesen einzuführen. Er verspricht sich durch die damit verbundenen attraktiven finanziellen Anreize durchaus auch einen Motivationsschub für seine Fachkräfte.

Während des erwähnten Bankgesprächs wurde S. ebenfalls mitgeteilt, dass zukünftige Kreditvergaben sowie die jeweiligen Konditionen auch vom kurzfristigen Aufbau vor allem eines Controlling- respektive Steuerungssystems abhängig sein werden. An der Höhe des Kreditzinssatzes des Überziehungskredits „wird sich aufgrund der aktuellen Situation nichts ändern“, wurde S. wie selbstverständlich auch noch mitgeteilt.

Notfalls professionellen Rat einholen

Diese deutlichen Worte und die angedeuteten Konsequenzen zeigten bei S. Wirkung. Nach einer internen Abstimmung mit seinem Steuerberater wird er sich kurzfristig um einen Unternehmensberater bemühen, dessen betriebswirtschaftliche Beratungsschwerpunkte in seinem Fachbereich liegen. Gemeinsam mit Hausbank und Steuerberater soll dann ein Praxiskonzept erarbeitet werden, in dem sich die Anforderungen seines Kreditgebers weitgehend wiederfinden werden. Ob sich bei S. damit allerdings die tatsächliche Einsicht verbindet, sein unternehmerisches Handeln zu verändern, oder ob die Veränderungen fast ausschließlich auf den Druck seiner Hausbank zurückzuführen sind, muss sich erst noch zeigen. S. wäre jedenfalls gut beraten, vor allem sein bisheriges Kommunikationsverhalten einer kritischen Selbstprüfung zu unterziehen. Dazu will er sich übrigens auch selbst extern beraten lassen.

Michael VetterWirtschaftsjournalistvetter-finanz@t-online.de

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