Quadrizeps- und Patellarsehnenruptur

Meist ein indirektes Trauma

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Eine intakte Sehne reißt normalerweise nur unter äußerster Gewalteinwirkung. Gefährdet sind vor allem vorgeschädigte Streckapparate. Dann jedoch genügt ein Abstieg vom Berg oder ein Sprung mit unsanfter Landung. Unsere Autoren geben einen Überblick über die typischen Zeichen geschädigter Kniegelenkssehnen und mögliche Therapien.

Quadrizepssehnenruptur

Die Quadrizepssehnenruptur ist eine schwere Verletzung des Streckapparats der unteren Extremität. Selten findet man sie als Folge direkter Gewalteinwirkung im Rahmen von komplexen Knieverletzungen. Viel häufiger treten Spontanrupturen aufgrund eines indirekten Traumas bei degenerativ vorgeschädigten Sehnen mit einem Altersgipfel jenseits des 40. Lebensjahrs (meist zwischen 55 und 65 Jahren) auf [1, 8]. Bei Sportlern werden Quadrizepssehnenrupturen auch in jüngerem Lebensalter beobachtet, vor allem beim Gewichthebern, Basketballern oder Hochspringern, bei denen sie oft infolge degenerativer Veränderungen als „Jumpers Knee“ vorkommen [6]. Der häufigste Pathomechanismus ist die willkürliche maximale Quadrizepsanspannung bei fixiertem Fuß, typischerweise beim Bergabgehen, bei der Landung nach einem Sprung oder beim Versuch, einen Sturz mit gebeugtem Knie abzufangen.

Quadrizepssehnenrupturen werden häufig auch beidseitig beobachtet, die Rupturstelle liegt in der Regel ein bis zwei Zentimeter oberhalb der Insertion an der Patella. Untersuchungen zur Vaskularisation großer Sehnen wie der Supraspinatussehne oder Achillessehne haben gezeigt, dass Rupturen dieser Sehnen hauptsächlich in Bereichen auftreten, in denen die Sehnen unzureichend mit Blutgefäßen versorgt sind. Avaskuläre Zonen kommen in Sehnen häufig dort vor, wo eine Sehne über ein Hypomochlion gleitet. Der dem Hypomochlion anliegende Anteil wird als Gleitsehne bezeichnet. Als Ausdruck einer Druck- und Schubbeanspruchung kommt es in dieser Zone zur Bildung von avaskulärem Faserknorpel. Bei gestrecktem Kniegelenk hat die Quadrizepssehne einen geraden Verlauf. Bei zunehmender Beugung des Kniegelenks wandert der Ansatz der Sehne an der Patella nach distal, und es kommt zu einer Umlenkung der Sehne in ein femorales Patellagleitlager, das der Sehne als Hypomochlion dient [7].

Patellarsehnenruptur

Die Ruptur der Patellarsehne ereignet sich meist am unteren Patellapol, seltener auch am tibialen Ansatz der Sehne. Auch hier gilt, dass nur durch direkte, außerordentlich starke Gewalteinwirkung eine intakte Patellarsehne verletzt werden kann. Rupturen der Sehne selbst durch indirekte Gewalteinwirkung entstehen nicht ohne Vorschädigung. Die Patellarsehne reißt seltener als die Quadrizepssehne. Das Durchschnittsalter der Patienten liegt ebenfalls bei etwa 40 Jahren. Auch bei der Patellarsehne sind Überlastungsschäden des mittleren Sehnendrittels vor allem bei Patienten mit hohem Aktivitätsniveau bekannt. Prädisponierende Bedingungen sind zum Beispiel auch Niereninsuffizienz, Rheuma, Hyperparathyreoidismus, Diabetes, Lupus erythematodes, Chinolonantibiotika, Immunsuppressiva und Kortisontherapie. Weiterhin sind iatrogene Rupturen der Patellarsehne nach der Entnahme eines Teils der Sehne zum Kreuzbandersatz und bei der Implantation von Knieendoprothesen zu nennen [1 bis 3, 5]. Der häufigste Pathomechanismus ist das indirekte Trauma (vergleiche auch den Beitrag Quadrizepssehnenruptur in zm 2/2011).

Anamnese, körperliche Untersuchung

Der Anamnese mit Beurteilung des Unfallmechanismus, bekannter systemischer Erkrankungen, lokaler Maßnahmen und eventuell bekannter degenerativer Vorschäden kommt ein großer Stellenwert zu [6]. Der einschießende Schmerz in Verbindung mit einem Zerreißungsgefühl stellt das Hauptsymptom dar. Die Patienten bemerken je nach Ausdehnung der Ruptur eine Minderung der aktiven Kniestreckung, ein Einknicken beim Gehen oder bei kompletter Ruptur bis in die seitlichen Retinaculae eine Gehunfähigkeit durch vollständige Aufhebung der Kniestabilität in Streckung [5]. Bei der Qaudrizepssehnenruptur gibt derPatient suprapatellar, bei der Patellarsehnenruptur infrapatellar einen Druckschmerz an. Zu Beginn ist hier auch eine Delle sichtund tastbar (Abbildung 1), die durch ein Hämatom maskiert werden kann.

Insbesondere bei schlanken Patienten erkennt man bei einer Quadrizepssehnenruptur einen Patellatiefstand, bei der Patellarsehnenruptur einen Patellahochstand. Hier ist unbedingt auf Seitendifferenzen zu achten (Abbildung 2). Bei kompletter Ruptur ist die aktive Streckung, und damit die Gehfähigkeit, aufgehoben. Bei inkompletter Ruptur sind die seitlichen Retinakula als Reservestreckapparat erhalten. Die aktive Streckung ist vermindert, und die Patienten bemerken ein Einknicken beim Gehen. Das Hochheben des gestreckten Beins kann nur mit intakten Retinakula und intaktem Tractus iliotibialis gelingen. Daher sollte immer auch die Extension aus 90 Grad Flexion getestet werden [8].

• Röntgen

In der konventionellen Röntgendiagnostik des Kniegelenks in zwei Ebenen finden sich bei der Quadrizepssehnenruptur meist ein Patellatiefstand im Vergleich zur Gegenseite als indirektes Zeichen sowie Kalzifikationen oder Spornbildungen am oberen Patellapol als Ausdruck degenerativer Veränderungen (Abbildung 3). Auch knöcherne Ausrisse können in seitlichen Röntgenaufnahmen identifiziert werden. Ein Patellatiefstand findet sich jedoch nicht in jedem Fall und ist nicht pathognomonisch für diese Verletzung [6]. Bei der Patellarsehnenruptur können eine Patellafraktur und ein Ausriss der Tuberositas tibiae sicher ausgeschlossen werden, auffallend ist ein Patellahochstand (Abbildung 4) [2, 5].

• Sonografie

Insbesondere das Ausmaß kompletter Rupturen lässt sich sonografisch kostengünstig und sicher beurteilen. Kriterien für eine frische komplette Ruptur sind die Unterbrechung der Sehnenkontinuität, die Kaliberzunahme des proximalen Stumpfes, echoarme Formationen in der Umgebung als Ausdruck des Hämatoms und fehlende Kranialisation der Patella nach Kontraktion des Musculus quadriceps [1, 6]. Mit der Sonografie kann die Patellarsehnenruptur als Unterbrechung der Sehnenkontinuität, Kaliberzunahme des proximalen Stumpfes, echoarme Formation in der Umgebung als Ausdruck des Hämatoms sicher diagnostiziert werden. Es wird zuerst auf der Gegenseite in 60 bis 90 Grad Kniebeugung die normale Sehnenstruktur und erst dann die verletzte Sehne im Längs- und Querschnitt dargestellt [1].

• Kernspintomografie

Die Kernspintomografie spielt in der Primärdiagnostik nur eine untergeordnete Rolle. Essenziell ist der Einsatz der MRT bei sonografisch nachweisbaren Partialrupturen zur Ermittlung des Ausmaßes und zum Entscheid über die konservative versus operative Therapie.

Auch zum Nachweis veralteter Rupturen, insbesondere zur Planung einer erforderlichen operativen Rekonstruktion, spielt die MRT eine Rolle. Typisch für veraltete Rupturen sind zusätzlich zur Kontinuitätsunterbrechung und Schwellung des proximalen Sehnenstumpfes eine Atrophie des M. quadriceps femoris sowie der Nachweis einer fettigen Degeneration [5, 6].

Therapie der Quadrizepssehnenruptur

Partialrupturen ohne Kontinuitätsunterbrechung der Hauptportion der Quadrizepssehne oder der Patellarsehne können konservativ/funktionell mittels Orthesen behandelt werden. Es muss eine Teilbelastung für sechs Wochen eingehalten werden, maximale Beugung sollte vermieden werden. Bei höhergradigen Partial- oder kompletten Rupturen besteht die Indikation zur Operation. Welches Verfahren angewandt wird, hängt im Wesentlichen von der Ausbildung des Chirurgen ab [2, 5, 8]. Voraussetzung für die Sehnenheilung ist sowohl eine stabile Sehnennaht als auch eine frühfunktionelle Nachbehandlung. Wenige Tage nach dem Trauma beginnt sich die Sehne bereits zu retrahieren. Ein Zeitrahmen von drei bis 14 Tagen bis zur operativen Rekonstruktion wird noch als günstig angegeben. Doch auch Patienten mit älteren Rupturen profitieren aufgrund der schlechten Ergebnisse konservativer Therapie von rekonstruktiven Verfahren. Verzögerungen der operativen Versorgung über die Primärphase hinweg führen bei ausgeprägten kompletten Rupturen zu einer Retraktion der Sehne nach proximal, welche dann aufwendige rekonstruktive Maßnahmen erforderlich macht. Bei der Operation sollte regelhaft eine Gewebeprobe zur histologischen Untersuchung entnommen werden, um degenerative Schädigungen nachzuweisen. Liegt ein Sehnendefekt vor, oder lässt sich keine Readaptation des Sehnenstumpfes an die Patella erzielen, muss eine lokale Sehnenplastik erfolgen (Abbildung 5) [5]. Als Nahtmaterial sollten bevorzugt monofile, spät resorbierbare Fäden verwendet werden. Zur Augmentation kann ebenfalls Nahtmaterial (wie Fiberwire) Verwendung finden oder Drahtcerclagen. Letztere erfordern jedoch eine spätere Implantatentfernung [1, 4 bis 6].

Therapie der Patellarsehnenruptur

Die Behandlung der Patellarsehnenruptur besteht in der resorbierbaren Adaptationsnaht der Sehnenenden, kombiniert mit einer Augmentation, welche die Naht sichert und das sekundäre Hochtreten der Patella verhindert. Dabei können Rupturen am unteren Patellapol mit transossär geführten Nähten reinseriert werden. Risse im Sehnenverlauf werden mit feinen Nähten direkt adaptiert. Distale Abrisse können transossär im Tibiakopf reinseriert werden. Liegt ein Sehnendefekt vor oder lässt sich keine Readaptation des Sehnenstumpfes an der Patella oder am Tibiakopf erzielen, muss eine lokale Sehnenplastik erfolgen (Abbildung 5). Als Nahtmaterial kann Draht (Abbildung 6), eine Sehnenschlinge aus dem Pes anserinus oder auch resorbierbares Kunststoffmaterial (PDS) verwendet werden.

Dr. med. Thomas SchmickalChefarzt der Abteilung für UnfallchirurgieSylvia DoleschalPD Dr. med. habil. Alexander SchuhLehrkrankenhaus derFriedrich-Alexander-UniversitätErlangen-NürnbergKlinikum NeumarktNürnberger Str. 1292318 Neumarkt in der Oberpfalzunfallchirurgie@klinikum.neumarkt.de

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