Messebericht IDS 2011

Von Menschen und Maschinen

Technik sollte in erster Linie dem Menschen dienen. Das gilt auch in der Zahnmedizin. Die diesjährige IDS war wieder eine Rekordmesse, sicher auch in Bezug auf digitale Produkte und IT-basierte Dienstleistungen. Es gab viel Faszinierendes zu entdecken, darunter vorbiegbare Nickel-Titan-Feilen und ein anatomisch geformtes Sofortimplantat.

Das zentrale Thema, das immer mehr Teilbereiche der Zahnmedizin betrifft, war in Köln wieder die Digitalisierung. Eine große Zahl von Produkten basiert auf digitaler Hard- und Software, selbst in kleinen Geräten arbeitet ein kleiner Computer. Das beginnt mit der Befunderhebung und endet mit der Herstellung komplexer implantatgestützter Restaurationen. Vorgestellt wurde eine ganze Reihe fluoreszenzbasierter Systeme, die den Verlauf kariesbedingter Schmelzveränderungen erfassen (zum Beispiel KaVo, Dürr, Acteon, neu von orangedental, Carestream und Quantum Dental Technologies).

Schon hier stellt sich die Frage, was der Therapeut mit den digital erhobenen Daten tun soll. Denn auch ausgereifte und gut dokumentierte Technologien liefern auf Knopfdruck eben nicht die notwendige detaillierte – und vor allem sichere – Diagnose. So erlaubt zum Beispiel kein Messgerät allein mit ausreichender Genauigkeit die Diagnose „approximale Dentinkaries bis ins mittlere Drittel, kavitiert und nicht remineralisierbar, invasive Füllungstherapie notwendig“. Vielmehr muss der gesamte Patient mit seiner Vorgeschichte, seinem vielfältig bedingten Kariesrisiko, seiner Compliance und weiteren Befunden gesehen werden. Mit dem Verlauf der Fluoreszenz-Messwerte lässt sich eine Diagnose allerdings unterstützen oder weiter präzisieren.

Ärztliche Kenntnisse und Erfahrung und der Dialog mit dem Patienten werden also durch die Technik nicht ersetzt. Wer sich dieser Tatsache bewusst ist und gleichzeitig neue Entwicklungen richtig einschätzt, kann diese zielführend und mit hohem Patientennutzen einsetzen. Dr. Peter Engel, Präsident der Bundeszahnärztekammer, empfahl in einer Pressemitteilung zur IDS, „vor jeder Investition genau zu prüfen, ob es zu der jeweiligen Technologie eine fundierte Studienlage“ gibt [BZÄK]. Die entsprechenden Untersuchungen sollten – je nach Fragestellung – in der Regel klinisch-prospektiv und von unabhängiger Seite durchgeführt sein. Im Zweifel können die entsprechende Fachgesellschaft oder ein versierter Kollege befragt werden.

Digitale Taschenmessung

Auch parodontale Taschentiefen sind nur ein Mosaikstein, der zur korrekten parodontologischen Diagnose führt. Messwerte für Taschentiefen und Rezessionen, und damit der gesamte Attachmentverlust, lassen sich aber mit einer neu vorgestellten digitalen Sonde erstmals vollautomatisch aufzeichnen (Floridaprobe). Eine Verlaufskontrolle zeigt grafisch an, in welche Richtung sich die Messwerte entwickeln. Sogar eine Risikobeurteilung ist integriert, für die die Messwerte mit anamnestischen Daten wie Rauchen, systemische Erkrankungen und weitere Befunde wie Sondierungsblutungen kombiniert werden. Das System scheint ein Beispiel dafür zu sein, wie Mensch (Zahnarzt) und Maschine (Messgerät mit Software) intelligent zusammenarbeiten können.

Ob für die genannte Risikoeinschätzung die Befunde aus der Praxissoftware übernommen werden können, ist dem Autor nicht bekannt. Laut Anbieter können die Daten des digitalen Taschenmess-Systems jedoch mit jeder „gängigen“ Praxissoftware verknüpft werden. Dies gilt bekanntlich auch für viele andere Produkte wie Röntgengeräte, zum Teil aus dem Ausland. Für diesen Zweck haben große deutsche Anbieter vor einigen Jahren die bekannte VDDS-Schnittstelle entwickeln lassen – nach dem Vorbild entsprechender Standards im IT-Bereich. Mit zunehmender Globalisierung des Dentalmarkts wäre es an der Zeit, hier einen weltweiten Standard zu definieren.

Schnittstellenfrage teilweise ungelöst

Das gilt auch für das weite Feld der digitalen Planungs- und Restaurationssysteme, einschließlich der Implantologie. Zwar unterstützt die VDDS-Schnittstelle seit 2009 auch 3-D-Planungsprogramme. Das heißt, dass diese aus dem Patientendatensatz der Praxissoftware über eine Schaltfläche aufgerufen werden können. Dies erleichtert den Behandlungsablauf und ist ein Schritt zur digitalen Integration. Doch gibt es in anderen Bereichen noch immer viele Barrieren. So fehlen gemeinsame Standards für Laborscanner und Geräte zur digitalen Herstellung von Restaurationen oder Implantataufbauten. Dies kann zum Beispiel dazu führen, dass ein Scanner im Praxislabor nicht mit der CAD/CAM-Software des Partnerlabors kompatibel ist. Dann muss unter Umständen ein weiteres teures Gerät mit offenen Schnittstellen angeschafft oder der Partner gewechselt werden.

Erste Ansätze, dieses Problem zu lösen, wurden in Köln vorgestellt. So gibt es ab sofort zum Beispiel eine gemeinsame Schnittstelle dreier Anbieter, die die Versorgung mit Implantaten, individualisierten Aufbauten und CAD/CAMRestaurationen kompatibel machen (dental wings, straumann, 3M Espe). Alle Datensätze aus 3-D-Planungsprogramm, Labor- oder intraoralem Scanner lassen sich in einer Software zusammenführen, mit der die Restauration entworfen und der CAM-Fertigung zugeführt wird. Die sogenannte Dental Wings Open Software (DWOS), die auf dem DICOMStandard für medizinische Bildgebung basiert, soll nach einer Pressemitteilung zum Industriestandard ausgebaut werden [Dental Wings]. Die beteiligten Unternehmen betonen, dass dieser helfen könnte, digitale Anwendungen besser zu positionieren.

So weit, so gut. Natürlich bleibt abzuwarten, ob weitere wichtige Player im Markt sich anschließen werden. Unabhängig davon muss auch hier nach dem Nutzen der neuen Technologien für Praxis und Labor und letztlich für den Patienten gefragt werden. So betont Zahntechnikermeister Andreas Kunz, Berlin, dass die Industrie sehr daran interessiert sei, digitale Lösungen voranzubringen. Das geschehe je nach Unternehmen auch am Zahntechniker vorbei. Die Wirklichkeit stimme aber zumindest in seinem Labor mit rund 90 Prozent analoger Fertigung nicht mit der suggerierten Dominanz der digitalen Zahntechnik überein.

Die Vorliebe der meisten Zahntechniker für echtes Handwerk wird auch in zahlreichen Produktsystemen deutlich, die digitale Technologien mit manuellen oder halbautomatischen Fertigungsmethoden wie Kopierfräsverfahren (zum Beispiel Amann Girrbach) oder haptischen Modellierwerkzeugen (zum Beispiel Sensable Dental) verbinden. So wachsen Zahntechniker individuelle Implantataufbauten gern erst konventionell auf und scannen sie dann ein, so dass die Herstellung noch immer halbanalog erfolgt. Andererseits werden Artikulatoren in die Software integriert, so dass ein vielfältiger Dialog zwischen Hard- und Software entsteht. Entscheidend werden mittelfristig – unabhängig von analoger oder digitaler Überzeugung – sicher die Qualität und nicht zuletzt die Kosten der jeweiligen prothetischen Versorgung sein.

Beim Gang durch die Kölner Messehallen konnte sich der Besucher aber der Faszination neuer digitaler Lösungen kaum verschließen. Eine Reihe von Anbietern hat neue intraorale Scanner entwickelt oder entwickeln lassen (neu zum Beispiel von 3Shape / Heraeus). Nach Firmeninformationen ist es inzwischen möglich, ohne Vorbehandlung der Zahnsubstanz mit Kontrastpuder, verzerrungsfreie Bilder zu erzeugen, bei denen sogar Patientenbewegungen während der Abformung ausgeglichen werden (Straumann). Marktgängige Lösungen, mit denen auch subgingivale, unter sich gehende Bereiche besser darstellbar sind, wurden vom Autor dieses Berichts noch nicht gefunden. Bei einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt an der RWTH Aachen wird Ultraschall eingesetzt, der auch Weichgewebe und Flüssigkeiten durchdringt [mediTEC].

Prothetik hoch drei

Wer noch nicht mit intraoralen Scannern arbeiten möchte, kann auch mit scan-fähigen Silikonethern in unterschiedlichen Viskositäten abformen (Kettenbach). Die Abformung wird im Labor eingescannt und die digitale Restauration kann bei kleineren Restaurationen ohne aufwendige Modellherstellung am Bildschirm entworfen werden. Auch die Zahnfleischmaske kann mit scan-fähigem Silikon hergestellt werden (Dreve), so dass sich Weichgewebs-Informationen in die Design-Software integrieren lassen.

Ebenfalls spannend sind die Entwicklungen im Bereich der Modellherstellung. Wer als Zahntechniker lieber mit Pin-Modellen arbeitet, kann diese mit einer im zahntechnischen Labor oder Praxislabor aufstellbaren CAM-Maschine selbst aus Polyurethan schleifen lassen (Sirona). Damit ist nach Anbieterinformationen die komplette Prozesskette ohne externe Partner in die Praxis integrierbar. In naher Zukunft können voraussichtlich auch Bohrschablonen für die Implantologie in der Praxis gefräst werden.

Als alternativen Weg bieten verschiedene Unternehmen die Zusammenarbeit mit externen Fräszentren an, die für zahntechnische Labore auch größere Gerüste in industrieller Qualität herstellen (zum Beispiel Degudent/Dentsply Friadent/Compartis). Hier bleibt das zahntechnische Labor nach Firmendarstellung ein wichtiger Partner, der für Ästhetik und Funktion verantwortlich ist. Der Trend, Prozesse aus dem Labor auszulagern, ist aber deutlich erkennbar. Auch Hersteller digital verarbeitbarer Restaurationsmaterialien verstärken ihre – weltweiten – Kooperationen mit Fräszentren (Ivoclar Vivadent, Vita), aber auch mit Implantatanbietern. Eine klare Abgrenzung zwischen Fräszentrum und zahntechnischem Labor ist andererseits immer weniger möglich.

Neue Produkte und Systemlösungen gibt es auch in anderen Bereichen der Prothetik. So versuchen einzelne Anbieter, ihre Verblendmaterialsysteme weiter zu integrieren und zu vereinfachen. Bei den Befestigungsmaterialien wurden in Köln ein neues, umfassendes Systemtray (Dentsply DeTrey) und eine Multimedia-Hilfestellung für die Auswahl des geeigneten Materials vorgestellt (Ivoclar Vivadent). Hochinteressant ist ein neues transluzentes Zirkoniumdioxid-Gerüstmaterial für den ästhetischen Bereich, das Gerüststärken von nur 0,2 Millimetern erlauben soll (Degudent).

Karies vermeiden

Zurück zur anfangs thematisierten Karies und Parodontitis. Wenn rechtzeitig geeignete Präventionsmaßnahmen erfolgen, sind keine aufwendigen Restaurationen oder digitalen Schnittstellen mehr notwendig: „Gesunde Zähne ein Leben lang“ verspricht folgerichtig ein Anbieter elektrischer Zahnbürsten (Procter & Gamble/Oral-B). Tatsächlich setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, dass elektrisch betriebene Zahnbürsten ihren manuellen Schwestern überlegen sind, sicher nicht zuletzt durch das integrierte Feedback zur Putzdauer [Zimmer, 2011].

Auch nach Überzeugung des Schweizer Hochschullehrers Prof. Ulrich Saxer, Zürich, kann ein neues Gerät für die häusliche Interdentalraumreinigung dazu beitragen, Karies zukünftig vollständig zu vermeiden (Philips). Der in Köln erstmals vorgestellte Apparat, mit dem ein „Hochdruck-Sprühstrahlgemisch“ in den Zahnzwischenraum gepresst wird, kann nach Darstellung des Anbieters die bisher notwendige Zahnseide oder andere Hilfsmittel ersetzen. Das Gemisch besteht aus Luft und Wasser oder antimikrobieller Lösung und ist nach ersten Studienergebnissen dazu geeignet, signifikant mehr Plaque (Biofilm) zu entfernen als eine schallaktive oder eine Handzahnbürste [De Jager, 2010 und 2011]. Das technische Prinzip ist (noch) geheim. Das gilt nicht für Interdentalbürsten, die mit einem speziellen Fluoridgel angeboten werden (TePe). Bürsten sind das einzige manuelle Hilfsmittel, das auch interdentale Einziehungen erreicht [Graetz, 2011].

Für die professionelle Belagentfernung an Zähnen und Implantaten werden immer differenziertere Silikon- oder Kautschuk-Polierinstrumente für Ultraschall- oder rotierende Anwendung angeboten (zum Beispiel EVE). Eine subgingivale Dekontamination mit photodynamischen Therapiegeräten, die auf der IDS von zahlreichen Herstellern angeboten wurden, kann als vielversprechend angesehen werden. Ein aktueller Artikel im angesehenen Journal of Periodontal Research kommt aber zu der Schlussfolgerung, dass die Langzeitwirkung der Methode noch nachgewiesen werden muss [Lui, 2011]. Mit einem neuen Airpolishing-System sind laut Anbieter erstmals sowohl supragingivale als auch subgingivale Beläge entfernbar (Acteon). Subgingival kommt dabei ein sorgfältig dokumentiertes glycinhaltiges Pulver eines anderen Anbieters zum Einsatz (3M Espe).Wie bereits im IDS-Vorbericht zum Thema Prävention und Parodontologie beschrieben [Koch, 2011a], gibt es auf dem Gebiet der Zahncremes und Mundspüllösungen viele neue Produkte. Neu ist die Kombination einer professionellen Polierpaste mit dem desensibilisierenden Wirkstoff Novamin, der auch in Zahncremes Anwendung findet (Dentsply DeTrey / GlaxoSmithKline).

Schonend exkavieren, rationell füllen

Wenn ein Zahn kavitiert ist, lässt sich eine Füllung oder eine weitergehende restaurative Therapie in der Regel nicht mehr vermeiden. Für die Exkavation stehen seit der IDS zwei neue Polymerbohrer zur Verfügung, die im Gegensatz zu Hartmetall- oder Zirkoniumdioxidbohrern nur unwiederbringlich zerstörtes Dentin abtragen (Komet/ Gebr. Brasseler, SS White Burs) [siehe auch IDS-Vorbericht, Koch, 2011b]. Dabei spielt auch ein experimenteller Ansatz eine Rolle, bei dem es darum geht, das verbleibende Dentin mit geeigneten Substanzen zu remineralisieren. Der Therapieerfolg könnte zusätzlich mithilfe von Ozon gesichert werden, für das eine desinfizierende Wirkung nachgewiesen ist. Mit einem neuen Gerät (dental brains), bei dem die Ozon-Konzentration sechsmal höher ist als beim bisherigen Produkt, könnte die Technologie auch in der Endodontie nützlich sein. Nach einer Pressemeldung des Anbieters werden Biofilmkeime auch in verzweigten Wurzelkanalsystemen wirksam abgetötet. Entsprechende Studien liegen allerdings noch nicht vor.

In der Füllungstherapie mit Kompositen gibt es zwei konkurrierende Entwicklungen, die den klinischen Alltag nachhaltig verändern könnten. Zu einem niedrigviskösen und transluzenten Komposit, das in Schichten von bis zu vier Millimetern eingebracht und mit einem ästhetischen Komposit überschichtet werden kann (Dentsply De- Trey), liegen jetzt vielversprechende 24-Monats-Daten vor [Burgess, 2011]. Das Produkt eignet sich nach Darstellung von Prof. Roland Frankenberger (Universität Marburg) zum Beispiel für das Füllen tiefer approximaler Kästen, die aufgrund ihrer Lokalisation schwer einsehbar sind.

Ein anderer interessanter Ansatz mit ähnlicher Zielrichtung ist ein neues Füllsystem, bei dem ein speziell entwickeltes Komposit mithilfe eines Schallhandstücks aus einer vordosierten Kapsel eingebracht wird (Kerr / KaVo). Der Schall erhöht vorübergehend die Fließfähigkeit des Komposits um bis zu 87 Prozent. Das Material fließt auf diese Weise nach Anbieterinformationen weitgehend blasenfrei in die Kavität. Schichten von bis zu fünf Millimetern sollen möglich sein. Nach Einbringen des Materials stellt sich wieder eine normale Viskosität ein, die ein gewohntes Modellieren erlaubt. Die Methode soll bei hoher Füllungsqualität bis zu 30 Prozent Zeit sparen, bei fast gleicher Härte wie ein Referenzmaterial desselben Herstellers.

Schließlich wurde in Köln ein neues Glasionomer- Füllungsmaterial mit erhöhter mechanischer Belastbarkeit vorgestellt (Dentsply De- Trey). Nach 100 000 Belastungszyklen wurden für das Material bei einer Belastung von 50 Newton im Molarenbereich keine Frakturen gefunden, bei Vergleichsprodukten dagegen in bis zu 75 Prozent der Fälle [Frankenberger, 2010]. Diese Ergebnisse wurden zwar nicht unabhängig ermittelt und man kann davon ausgehen, dass die Versuchsbedingungen so „optimiert“ wurden, dass das Ergebnis werbewirksam darstellbar ist. Ein Trend zu einem signifikant stärker belastbaren Material, das besser für preisgünstige, zeitlich begrenzte Füllungen im Seitenzahnbereich geeignet ist als bisherige Glasionomermaterialien, ist dennoch erkennbar.

Neuartige Endofeilen

Im IDS-Vorbericht [Koch, 2011a] wurde eine neue Nickel-Titan-Feile für die maschinelle Aufbereitung vorgestellt, mit der Wurzelkanäle in nur einer Sitzung aufbereitet werden können (VDW, Dentsply Maillefer). Der Autor dieses Artikels testete die Feile in Köln am Messestand und ließ sich die Funktionsweise erklären: Das Instrument ändert während der Aufbereitung mit einem speziellen Motor ständig seine Drehrichtung, wodurch es schrittweise tiefer in den Kanal gezogen wird. Druck ist zu vermeiden. Das Gefühl bei der Anwendung im Plastikblock ist leicht rüttelnd, soll aber am natürlichen Zahn gleichmäßiger sein. Die Instrumente sind für die einmalige Anwendung empfohlen.

Eine weitere, sehr interessante Feile wurde von Coltène Whaledent vorgestellt. Die Legierung der Nickel-Titan-Feile wurde so verändert, dass diese sich ähnlich wie ein Edelstahlinstrument vorbiegen lässt. Dadurch soll das Risiko von Verlagerungen des Kanalverlaufs oder Perforationen vermindert sein. Auch stark gekrümmte Kanäle sind nach Firmenangaben leichter aufzubereiten. Die spektakulärste Eigenschaft aber ist die Umkehrbarkeit des Vorbiegens durch Wärmezufuhr. Mithilfe eines Glasperlendesinfektors oder im Autoklaven wird das Instrument auf 134 °C gebracht und gewinnt so seine Ausgangsform wieder. Im Gegensatz zur oben beschriebenen Reziprokfeile wird die reversibel verformbare Feile für die mehrmalige Anwendung empfohlen.

Ebenfalls im Instrumentenbereich gibt es noch eine Neuheit: ein System zum punktgenauen orthograden und retrograden Einbringen von Materialien wie MTA in das Kanalsystem oder für Pulpenüberkappungen. Es handelt sich um eine autoklavierbare Stahlspritze mit ebenfalls autoklavierbaren, sehr feinen Nadelaufsätzen in vorgebogener oder gerader Form. Einer der Nadelaufsätze hat ebenfalls ein Formgedächtnis, kann also vorgebogen werden und nimmt im Autoklaven wieder seine ursprüngliche Form an.

Spannend sind auch Intraoralkameras mit speziellen Aufsätzen zum Fotografieren der Wurzelkanaleingänge, angeblich in ähnlicher Qualität wie bei der Verwendung eines Mikroskops (Carestream/Kodak). Ebenfalls als Unterstützung beim Auffinden von Wurzelkanälen wird ein koaxiales „Mini-OP-Licht“ angeboten, das auf der Lupenbrille montiert werden kann (DCI). Unabhängig davon, ob die endodontische Detektivarbeit mit dem Mikroskop oder der Lupenbrille erfolgt: In Verbindung mit den oben beschriebenen Mikro-Applikationsnadeln oder anderen hochfeinen Instrumenten kann die Qualität der endodontischen Therapie sicher nur gewinnen.

Zahnwurzeln formgerecht ersetzen durch Implantate

Bei den enossalen Implantaten gab es diesmal relativ wenige Neuheiten und Weiterentwicklungen. Ein möglicherweise revolutionäres Produkt, bei dem es sich eher um ein Herstellungssystem für Sonderanfertigungen handelt, wird von einer kleinen Berliner Firma angeboten (Natural Dental Implants, in Zusammenarbeit mit biodentis und DCM hotbond). Noch vor der Extraktion eines nicht erhaltungswürdigen Zahnes wird mithilfe eines DVT-Datensatzes, der mit einem Modellscan-Datensatz überlagert wird (Matching), ein einteiliges Implantat entworfen und produziert. Dieses entspricht der Form der Alveole. Um eventuelle Ungenauigkeiten auszugleichen, wird das Implantat zirkulär um 0,5 Millimeter reduziert. Im Seitenzahnbereich werden bei Bedarf divergierende Wurzeln so reduziert, dass sich das innerhalb von fünf Tagen angefertigte individuelle Implantat problemlos einsetzen lässt.

Die Herstellung verfolgt im CAM-Fräsverfahren bei einem Partnerunternehmen (biodentis) als einteiliges Titan- oder Zirkoniumoxidimplantat, komplett mit aufgelötetem Kronenkäppchen und verklebter temporärer Krone in Infraokklusion. Nach der Extraktion wird das Implantat dann sofort eingesetzt und mithilfe eines schienenartigen Splints adhäsiv an den Nachbarzähnen befestigt. Auf diese Weise kann das Implantat, dessen Oberfläche nach Anbieterinformationen sandgestrahlt und geätzt ist, ungestört einheilen. Die Kosten sind mit 1 200 Euro für die komplette Versorgung, aber ohne DVT, im Rahmen „konventioneller“ Implantat- Einzelzahnversorgungen. Klinische Studienergebnisse liegen offenbar noch nicht vor.

Weiterhin wird eine Reihe von Zirkoniumdioxid- Implantaten angeboten, jedoch noch immer von keiner der großen Implantatfirmen. Die Keramikimplantate sind einoder zweiteilig, mit sekundärer Strukturierung der Oberfläche oder im Spritzgussverfahren hergestellt (creamed, maxon motor). Ein bisher von keinem großen Wettbewerber erhältliches neues Implantat soll im bukkalen Bereich ästhetische Versorgungen erleichtern (Astra Tech). Die Implantatschulter ist nach bukkal in der Höhe reduziert, mit kontinuierlichem Übergang von oral. Dadurch ist es nach Herstellerangaben in ausgewählten Fällen möglich, ohne oder mit nur minimaler Augmentation (Auffüllung des Spalts zwischen Implantat und Knochen) ästhetische Resultate zu erzielen. Studien waren zur IDS noch nicht erhältlich, sollen aber bereits durchgeführt worden sein.

Im Bereich der Regeneration ist die auffälligste Neuheit eine Membran auf der Basis von Polyethylenglykol, die in flüssigem Zustand appliziert wird und im Augmentationsbereich aushärtet (Straumann). Wie bei diesem Unternehmen üblich, war die klinische Dokumentation bereits vor Produkteinführung recht gut [Jung, 2009]. Die Ergebnisse sind nach der zitierten Studie ebenso günstig wie bei Anwendung nativer Kollagenmembranen. Inwieweit sie sich in der Praxis bewähren wird, bleibt abzuwarten.

Geräte, Hygiene und Qualitätsmanagement

Auch beim Thema Röntgendiagnostik setzt sich der digitale Trend fort. Neue Volumentomographen bieten vielfältige diagnostische Möglichkeiten, auch für die Endodontie, Orthodontie/Kieferorthopädie, Parodontologie und Oralchirurgie. Bei einer Standdemonstration wurde gezeigt, wie in einer Panoramaschichtaufnahme (OPG) ein Ausschnitt markiert und für das DVT als „Field of View“, also Volumenausschnitt, angewählt wird (Morita). Dazu muss die Panoramaschichtaufnahme zunächst in die Software des Anbieters importiert werden. Dann werden die Daten drahtlos an das DVT-Gerät geschickt, der Patient im Gerät positioniert und der Auftrag dort durch Knopfdruck bestätigt. Schnitte innerhalb des gescannten Volumens sind frei wählbar und erlauben über „multiple Rekonstruktionen“ zum Beispiel die Visualisierung der Wurzelanatomie oder des interradikulären Knochenverlusts.

Auch im Bereich Hygiene und Qualitätsmanagement nehmen der Computer und die digitale Auswertung von Prozessen immer breiteren Raum ein. Praxen können kaum noch ohne Mitarbeiter mit profunden Computerkenntnissen auskommen, was durch junge „digitale Eingeborene“ (digital natives) erleichtert wird. Hygieneketten- Zubehör wie Autoklaven, Trays, Sterilgutverpackungen, Verpackungsmaschinen oder Einrichtungen für Aufbereitungsräume wird zunehmend als Teil einer integrierten Komplettlösung angeboten (zum Beispiel Miele, HuFriedy). Um die Praxishygiene zukunftsfähig zu machen, sollten bei Neuanschaffungen in jedem Fall ausreichende Dokumentationsmöglichkeiten vorhanden sein. Eine Integration der Geräte in die Praxissoftware ist nach Expertenmeinung empfehlenswert [Christian Wolf/hawo, zitiert nach: Pecanov-Schröder, 2011].

Bei allem Ärger über ausufernde bürokratische Hürden besteht die Hoffnung, dass das zahnmedizinische Bewusstsein für die Gefahren mangelhafter Hygiene gestiegen ist. So werden in den USA von Regierungsinstitutionen, wie zum Beispiel medizinischen Einrichtungen der Armee, nur noch sterile rotierende Einmal-Instrumente bestellt. Das mag in vielen Fällen übertrieben erscheinen, zum Beispiel bei Hartmetallfinierern für Kompositfüllungen. Bei rotierenden Bürstchen, aber auch bei Präparationsinstrumenten, die mit blutendem Gewebe in Kontakt kommen, würde sich aber wohl auch mancher Zahnarzt wünschen, nur mit neuen sterilen Instrumenten behandelt zu werden. In den Räumen zwischen den Diamantpartikeln bleibt leicht Material zurück, das problematische Viren oder Prionen enthalten könnte und auch bei sorgfältiger Aufbereitung nicht vollständig entfernbar ist.

Zusammenfassung und Ausblick

Dieser Bericht von der IDS 2011 kann nur ein Überblick über einige wichtige Neuheiten und grundsätzliche Entwicklungen sein – ohne Anspruch auf eine nur angenäherte Vollständigkeit. Wie immer erschließen sich das riesige Angebotsspektrum und die große Tiefe an Weiterentwicklungen nur bei einem persönlichen Besuch dieser weltweiten Leitmesse. An den Messeständen fanden sich wie gewohnt hoch kompetente Ansprechpartner, zum Teil sogar die Produktentwickler selbst oder andere verantwortliche Fachleute. Im Gespräch konnten spannende zahnmedizinische und technische Details, aber auch Perspektiven und Hintergründe erfragt und diskutiert werden. Die IDS ist nicht nur die weltweit größte, sondern auch die lebendigste Veranstaltung in der Dentalwelt und auf jeden Fall eine Reise wert.

Jan H. Koch, Dr. med. dent. (DDS)Dental Text and Consultancy ServicesParkstr. 1485356 Freisingjanh.koch@dental-journalist.de

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