Trilog zu Patientenrechten in der EU

Transparente Regeln europaweit

Heftarchiv Gesellschaft
pr
Die Bürger der Europäischen Union (EU) können künftig weitgehend selbst entscheiden, in welchem Land sie auf Kosten ihrer Krankenkasse zum Arzt oder Zahnarzt gehen wollen. Kurz vor der Weihnachtspause haben sich Vertreter der 27 EU-Mitgliedstaaten und des Europaparlaments (EP) nach jahrelangem Hin und Her in einem sogenannten Trilog auf ein Gesetz zur Liberalisierung der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung geeinigt.

Mit der Einigung im Trilog (siehe Info- Kasten), die im Frühjahr noch formal von den Europaabgeordneten und den EU-Gesundheitsministern angenommen werden muss, geht ein lange währender Streit zwischen den Institutionen zu Ende. Bereits zu Beginn des Jahres 2008 hatte die Europäische Kommission einen Vorschlag vorgelegt, mit dem die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im EU-Ausland in Gemeinschaftsrecht umgesetzt werden sollte. Die Rechte für die Patienten sollen damit europaweit transparent und leichter zugänglich gemacht werden.

Zwar gilt auch für Patienten in der EU grundsätzlich das Prinzip der Freizügigkeit und der freien Arztwahl. Da aber das Sozialrecht bislang einzelstaatlich geregelt ist, sind die Hürden für die Inanspruchnahme von medizinischen Leistungen im EU-Ausland vielerorts sehr hoch. In der Vergangenheit hatten Patienten daher immer wieder versucht, ihre Rechte vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zu erstreiten – durchaus mit Erfolg. „Der Europäische Gerichtshof hat mehrfach entschieden, dass Patienten auch bei geplanten medizinischen Eingriffen, so zum Beispiel einer Hüftoperationen, das Recht haben, sich im Ausland behandeln zu lassen und die Kosten erstattet zu bekommen“, machte der gesundheitspolitische Sprecher der christdemokratisch-konservativen Fraktion im EP, Dr. med. Peter Liese (CDU) deutlich.

Deutschland gilt als Vorreiter

Deutschland hatte als erstes EU-Land die Rechtssprechung des EuGH bereits 2004 weitgehend ins Sozialrecht übernommen. Demnach können sich deutsche Krankenversicherte auch im EUAusland auf Kosten ihrer Krankenkasse zu den hierzulande geltenden Erstattungssätzen behandeln lassen.

Von so viel Rechtssicherheit können die meisten anderen EU-Bürger bislang nur träumen. Die neue EU-Richtlinie soll ihnen daher dabei helfen, künftig ihr Recht auf grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung wahrnehmen zu können, ohne den mitunter langwierigen und teuren Klageweg bestreiten zu müssen.

Nach dem nun erzielten Kompromiss müssen die Kostenträger ambulante Behandlungen im EU-Ausland grundsätzlich bezahlen. Auch bei geplanten Krankenhausaufenthalten darf es keine willkürliche Ablehnung geben. Stationäre Behandlungen müssen sich die Versicherten allerdings vorab von ihrer Kasse genehmigen lassen.

Um zu verhindern, dass Patienten für teure Leistungen finanziell in Vorleistung treten müssen, dürfen die Mitgliedstaaten ihnen einen Voucher über die erforderlichen Kosten ausstellen. Das heißt, nicht der Patient, sondern der Leistungserbringer, zum Beispiel das Krankenhaus, muss sich dann mit dem Kostenträger im anderen EU-Mitgliedstaat um die Erstattung kümmern. Solche Voucher beruhen allein auf dem Goodwill des jeweiligen Mitgliedsstaates. Dieser kann sie ausstellen, muss es aber nicht.

Erleichterung bei seltenen Erkrankungen

Erleichterungen soll die Liberalisierung der Gesundheitsversorgung vor allem auch für Patienten bringen, die an seltenen Erkrankungen leiden. Da die Zahl der Patienten mit seltenen Krankheiten gering ist, gibt es in den einzelnen EU-Staaten meist nur eingeschränkte Möglichkeiten zu deren Betreuung. Eine engere Zusammenarbeit so genannter europäischer Referenznetzwerke für seltene Erkrankungen soll dazu dienen, die Diagnose und Therapie der Betroffenen zu verbessern, gegebenenfalls auch durch Überweisung der Patienten ins benachbarte Ausland.

„Es ist eindeutig klargestellt, dass ethisch motivierte Grenzen bei der Behandlung auch im Rahmen der Richtlinie bestehen bleiben“, erklärte Liese. Das heißt beispielsweise, dass ein Paar, das im Ausland eine Präimplantationsdiagnostik in Anspruch nehmen will, sich dies nicht von einer deutschen Krankenkasse bezahlen lassen kann. Die Bundesregierung begrüßt die neuen Vorschriften grundsätzlich, betonte jedoch, dass sie keine Anreize für die grenzüberschreitende Versorgung setzen will. Die geplante Richtlinie dürfe „im Ergebnis nicht darauf hinauslaufen, Patienten zur Inanspruchnahme grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung zu ermutigen“, heißt es seitens der Regierung.

„Die Richtlinie ist auch eine große Chance für Anbieter im deutschen Gesundheitswesen, denn trotz aller Diskussionen ist unser Gesundheitssystem leistungsfähiger als das der meisten anderen Länder in Europa“, so Peter Liese. Nach den bisherigen Erfahrungen dürften vor allem Patienten und Leistungserbringer in grenznahen Regionen von den neuen Vorschriften profitieren.

Gesundheitstourismus wird nicht erwartet

Derzeit lässt sich nur ein geringer Anteil von EU-Bürgern im Ausland behandeln. Nur knapp ein Prozent der einzelstaatlichen Gesundheitsetats wird für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung ausgegeben. Dass die Richtlinie einen regelrechten „Gesundheitstourismus“ auslösen wird, erscheint Experten allerdings allein aufgrund sprachlicher Verständigungsprobleme eher unwahrscheinlich.

Petra SpielbergChristian-Gau-Straße 2450933 Köln

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