Umfrage des Marburger Bundes unter Klinikärzten

Am Limit

Massenweise Überstunden, schlechte Arbeitsbedingungen, zu viel Bürokratie – das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Umfrage des Marburger Bundes unter den deutschen Klinikärzten. Die Stimmung in den Krankenhäusern ist schlecht, die Ärztegewerkschaft sieht Handlungsbedarf.

„Die Krankenhausärzte arbeiten nach wie vor am Limit. Die Arbeitsbelastung ist teilweise unerträglich hoch.“ So fasst Rudolf Henke, erster Vorsitzender des Marburger Bundes, die Ergebnisse einer Umfrage unter 12 000 Klinikärzten zusammen. Im Auftrag des Marburger Bundes hatte das Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) im Herbst 2010 bundesweit eine schriftliche Befragung zur beruflichen Situation der Krankenhausärzte durchgeführt. Nach Angaben der Ärztegewerkschaft handelt es sich dabei um die größte repräsentative Ärzteumfrage dieser Art in Deutschland. Befragt wurden bundesweit Assistenz-, Fach-, Ober- und Chefärzte an Kliniken jedweder Trägerschaft.

Die Umfrageergebnisse zeichnen ein schlechtes Bild von der Stimmungslage an deutschen Kliniken. Rund 42 Prozent der befragten Ärzte beurteilen ihre Arbeitsbedingungen als schlecht (32 Prozent) oder sehr schlecht (10 Prozent). Diese Unzufriedenheit resultiert aus Sicht der Gewerkschaft auch aus der Personalnot der Kliniken. Die Probleme bei der Besetzung von freien Arztstellen seien weitaus dramatischer als bisher angenommen. In 71 Prozent der Abteilungen sind nach Angaben der Befragten eine oder mehrere Arztstellen vakant. „Im Durchschnitt sind 1,5 Arztstellen pro Abteilung unbesetzt. Hochgerechnet auf alle rund 8 500 Krankenhausabteilungen in Deutschland können demnach mehr als 12 000 Arztstellen in den Kliniken nicht besetzt werden“, erklärt die Ärztegewerkschaft. „Wir haben den Ärztemangel numerisch unterschätzt“, betont Gewerkschaftschef Henke und verweist auf das Deutsche Krankenhausinstitut, das bislang die unbesetzten Stellen in bundesdeutschen Kliniken offiziell mit 5 500 bis 6 000 Stellen beziffert habe. Die Umfrageergebnisse zeichnen ein schlechtes Bild von der Stimmungslage an deutschen Kliniken. Rund 42 Prozent der befragten Ärzte beurteilen ihre Arbeitsbedingungen als schlecht (32 Prozent) oder sehr schlecht (10 Prozent). Diese Unzufriedenheit resultiert aus Sicht der Gewerkschaft auch aus der Personalnot der Kliniken. Die Probleme bei der Besetzung von freien Arztstellen seien weitaus dramatischer als bisher angenommen. In 71 Prozent der Abteilungen sind nach Angaben der Befragten eine oder mehrere Arztstellen vakant. „Im Durchschnitt sind 1,5 Arztstellen pro Abteilung unbesetzt. Hochgerechnet auf alle rund 8 500 Krankenhausabteilungen in Deutschland können demnach mehr als 12 000 Arztstellen in den Kliniken nicht besetzt werden“, erklärt die Ärztegewerkschaft. „Wir haben den Ärztemangel numerisch unterschätzt“, betont Gewerkschaftschef Henke und verweist auf das Deutsche Krankenhausinstitut, das bislang die unbesetzten Stellen in bundesdeutschen Kliniken offiziell mit 5 500 bis 6 000 Stellen beziffert habe.

Viele Überstunden

Der Umfrage zufolge scheinen die Krankenhausärzte den Personalmangel zum Teil mit immensen Überstunden zu kompensieren. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt bei 40 Prozent der Befragten inklusive aller Bereitschaftsdienste zwischen 50 und 59 Stunden, weitere 30 Prozent geben an, sogar zwischen 60 und 79 Stunden pro Woche zu arbeiten. Ein Viertel der Befragten erreicht eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 bis 49 Stunden. Im Mittel entspricht das einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 55 Stunden. Hochgerechnet aufs Jahr und alle Klinikärzte kommt der Marburger Bund aufgrund der Umfragedaten auf rund 120 Millionen Überstunden.

Im einzelnen kritisieren die befragten Ärzte neben der Kombination aus Bereitschaftsdiensten und einer damit einhergehenden hohen Überstundenzahl (19 Prozent) vor allem die Leistungsverdichtung (18 Prozent) und die Bürokratisierung des Jobs (18 Prozent) durch die Dokumentationspflichten infolge der DRG-Einführung. Im Vergleich zur letzten Umfrage von 2007 habe sich zudem die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Freizeit zum regelrechten „Shootingstar unter den Themen“ entwickelt, so Henke. 55 Prozent der Ärzte (46 Prozent der männlichen und 67 Prozent der weiblichen Ärzte) gaben an, dass eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf ihnen am wichtigsten sei. 57 Prozent beklagen, ihre Klinik tue zu wenig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zu viel Bürokratie

Ebenfalls als besonders störend empfinden die Ärzte die Schreibtischarbeit im Krankenhaus. Der tägliche Zeitaufwand für Verwaltungstätigkeiten sei zwar in den letzten drei Jahren leicht gesunken, ist aber aus Sicht des Marburger Bundes immer noch viel zu hoch. Mehr als die Hälfte der befragten Ärzte benötigen täglich mehr als zwei Stunden für Verwaltungstätigkeiten. „Den Ärzten stinkt das. Die möchten sich um die Patienten kümmern und sehen nicht ein, warum sie im Krankenhaus Papierverarbeitung leisten sollen. Wir fordern Politik, Krankenkassen und Krankenhäuser dringend auf, gemeinsam Schritte zu einer wirksamen Entlastung einzuleiten. Das sind sie den Ärzten schuldig und auch den Patienten, die mit Recht erwarten, dass die Ärzte mehr Zeit für Gespräche haben sollten“, sagte Henke.

Positiv im Vergleich zur letzten Mitgliederbefragung 2007 scheint allenfalls eine geringfügig gesunkene Bereitschaft der Ärzte, dem Krankenhaus den Rücken zu kehren. Henke: „Neun Prozent weniger Ärzte als noch 2007 erwägen, ihre Tätigkeit im Krankenhaus aufzugeben.“ Erklärten 2007 noch 53 Prozent der Befragten, dass sie mit dem Gedanken spielen, ihre Tätigkeit im Krankenhaus aufzugeben, sind es jetzt 44 Prozent. Das sei „kein Ergebnis, das uns ruhig schlafen lässt“, aber immerhin sähen heute mehr Ärzte als noch vor drei Jahren wenigstens „ein bisschen Licht am Ende des Tunnels“, so der Gewerkschaftschef.

Patienten in Gefahr

Henke sieht die Politik in der Pflicht, die Arbeitsbedingungen der Krankenhausärzte zu verbessern, und warnt vor einer Zunahme von Behandlungsfehlern aufgrund der Personalnot. Durch die zu langen Arbeitszeiten und vielen Überstunden seien möglicherweise viele Klinikärzte unkonzentriert, die Gefahr von Behandlungsfehler steige dadurch.

Die Bundesärztekammer in Berlin hatte erst vor Kurzem die aktuelle Statistik der Behandlungsfehler vorgestellt und darauf hingewiesen, dass es immer wieder zu Falschdiagnosen und Behandlungsfehlern komme, weil Ärzte unter Stress und Dauerbelastung stehen. Viele Ärzte seien 24 Stunden und mehr im Dauereinsatz, weil sie den Ärztemangel kompensieren müssten. Auch die Düsseldorfer Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler kam zu dem Ergebnis, dass die Mediziner in Kliniken kaum noch Kapazitäten hätten, Anamnesegespräche in Ruhe durchzuführen. Die Kommission sieht hierin einen Hauptgrund für Falschdiagnosen.

„Wenn sich weniger Menschen um einen kümmern, als eigentlich vorgesehen, dann ist das ein Problem“, warnt deshalb auch Gewerkschaftschef Henke. Um die Patienten zu schützen, müssten mehr Klinikärzte eingestellt werden. Im Hinblick auf die neuesten Sparauflagen von Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) konstatiert Henke, die Kosten für die Krankenhausversorgung könnten in der nächsten Zeit nicht sinken. Wenn die 12 000 freien Stellen von Ärzten besetzt würden, so müsse man einen Betrag im „niedrigen einstelligen Milliardenbereich“ aufbringen.

Gestiegene Ausgaben

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen hält von diesen Forderungen wenig. Er verweist auf die in den letzten Jahren bereits deutlich gestiegenen Ausgaben für Krankenhäuser. Mit über 60 Milliarden Euro gebe es 2011 so viel Geld wie noch nie für die deutschen Krankenhäuser. Erst 2009 seien für die Beitragszahler durch das Krankenhausfinanzierungsgesetz Mehrkosten in Höhe von 4,1 Milliarden Euro entstanden. Der GKV-Spitzenverband sieht deshalb die Krankenhäuser zuallererst in der Pflicht, bestehende Überkapazitäten abzubauen. Rund 20 Prozent der Klinikbetten stünden leer, heißt es vonseiten der Krankenkassen. Diese Überkapazitäten müssten endlich abgebaut werden.

Otmar MüllerFreier gesundheitspolitischer Fachjournalistmail@otmar-mueller.de

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