Gold bleibt teuer

Fluchtwährung

sg
Wenn es brenzlig wird, suchen Sparer Schutz für ihr Kapital und kaufen Gold. Das wissen die Spekulanten und kaufen auch. Der Preis steigt, bis die Blase platzt. Doch dieses Mal war es nur ein Bläschen. Der Preis für das gelbe Metall dürfte langfristig weiter steigen – Gründe dafür sind genug vorhanden. Doch Grenzen gibt es auch.

Im August 2011 erreichte der Preis je Feinunze Gold (31,1 Gramm) seinen bisherigen Höchststand von 1 920 Dollar. Im Juli lag er noch bei 1 478 Dollar, das ist ein Anstieg von knapp 30 Prozent innerhalb weniger Wochen. Die Gegenreaktion kam prompt. Am nächsten Tag brach der Kurs um 100 Dollar ein. Thorsten Pröttel, Rohstoffanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart wundert sich nicht darüber: „Das war jetzt zu viel des Guten. Es ist aber nur ein Bläschen geplatzt. Das passt ins Bild.“ Große Spekulanten haben eine Gewinnmitnahme gemacht.

Tendenz weiter steigend

Für Pröttel bleibt der Trend auf „weiter steigend“. Gründe dafür gibt es genug:

• Sehnsucht nach Sicherheit

Seit drei Jahren löst eine Krise die andere ab. Die Menschen haben ihr Vertrauen in die Banken und in die Politik verloren. Sie suchen nach Alternativen. Die einen investieren in den inzwischen völlig überteuerten Schweizer Franken. Andere bevorzugen Gold. Viele Sparer lösen ihre Festgeldkonten auf, verkaufen ihre Lebensversicherungen, weil sie diesen Anlagen entweder nicht mehr trauen oder weil die Zinserträge einfach zu mager ausfallen. Den Fluchtweg in den Schweizer Franken verbauen die Eidgenossen, indem sie die Sparer mit Negativzinsen bestrafen. Das Land leidet unter der extrem teuren Währung. Jetzt hat die Nationalbank den Franken an den Euro gekoppelt. Weniger als 1,20 Franken soll der Euro nicht mehr kosten.

• Verschuldung der Euro-LänderDie hohe Verschuldung einiger Euroländer und die Furcht davor, dass die deutschen Steuerzahler zur Kasse gebeten werden könnten, treibt die Menschen ins Gold. Hinzu kommt, dass es immer noch keine langfristige Lösung für den Umgang mit der horrenden Verschuldung gibt. In der EU fehlt der politische Wille zur Zusammenarbeit. Erst wenn sich daran etwas Grundlegendes ändert, werden die Marktteilnehmer wieder Vertrauen in die Politik fassen und die Lage wird sich beruhigen. Und erst dann wäre die Grundlage für die Emission der sehnsüchtig erwarteten Eurobonds gegeben.

■ Negative Zeichen aus den USAIn den USA fürchtet man eine neue Rezession. Deshalb will Notenbankchef Ben Bernanke die Zinsen bis 2013 bei fast null Prozent belassen. Für die Sparer bedeutet das, sie bekommen für ihr Geld noch nicht einmal den Inflationsausgleich und das bei anziehender Geldentwertung. Fachleute sprechen von einer negativen Realrendite. Die Einigung beim Schuldendeckel verschiebt das Problem der gigantischen Verschuldung nur in die Zukunft.

• Notenbanken kaufenAls Goldkäufer treten verstärkt auch die Notenbanken in Erscheinen. Die Chinesen kaufen seit geraumer Zeit verdeckt. Russlands Bestand lag 2007 bei 400 Tonnen. Jetzt verfügt das Land über die doppelte Menge. Mexiko betätigt sich ebenfalls als Käufer. Zuletzt orderte Südkorea 25 Tonnen.

• SchmuckindustrieEin Drittel der Goldproduktion wandert in die Schmuckindustrie. Hauptabnehmer ist traditionell Indien. Aber auch die Chinesen verarbeiten immer mehr Gold zu Geschmeide. Dabei reagieren die Asiaten sehr viel sensibler auf die Preisentwicklung bei Gold. Sie kaufen, wenn der Preis nachgibt. Denn anders als in Europa, wo der Goldgehalt bei Ringen und Ketten eher niedrig ist, liegt er in Fernost bei 22 oder sogar 24 Karat. Außerdem unterliegt Schmuck dort nicht der Mehrwertsteuer und die Kosten für die Verarbeitung fallen dank der niedrigen Löhne nicht so stark ins Gewicht wie hier. Insgesamt beziehen China und Indien zusammen 52 Prozent der Münzen und Barren. Vom weltweit verarbeiteten Schmuckgold wandern 55 Prozent in die Werkstätten der beiden Länder.

Kontinuierliches Wachstum

Seit rund 30 Jahren steigt der Goldpreis kontinuierlich an. Die hier beschriebenen Gründe stärken diesen Trend für die nächsten Jahre. Denn die Probleme werden nicht schnell zu lösen sein. Allerdings sollten Anleger allzu gewagten Prognosen gegenüber skeptisch bleiben. Im März 2008 überschritt das gelbe Metall zum ersten Mal die 1 000-Dollar-Grenze, um dann wieder abzufallen. Ein knappes Jahr später stieg der Preis wieder bis auf 1 006 Dollar je Unze. Analyst Pröttel glaubt nicht, dass er noch in diesem Jahr die 2 000-Dollar-Marke überschreiten wird: „Ich rechne 2012/2013 mit diesem Schritt. Für das IV. Quartal 2011 prognostiziere ich 1 750 Dollar je Unze.“

Es könnte sein, dass der Preis noch weiter nachgeben kann. Auch die Nachfrage bei Händlern wie pro aurum in München ist gesunken. Sie konnten in den vergangenen Tagen ihre Vorräte wieder aufstocken. Dort beobachtet man, dass sich das Verhältnis von Käufern und Verkäufern umdreht. Dazu Robert Hartmann, Geschäftsführer bei pro aurum: „Es verkaufen überwiegend solche Kunden, die relativ früh in den Goldmarkt eingestiegen sind und jetzt Gewinne realisieren.“

Investitionsvolumen gestiegen

Er registriert, dass Kunden höhere Beträge als früher investieren. Trotz des großen Interesses zeigt eine von den Münchner Goldhändlern in Auftrag gegebene Forsa-Umfrage, dass erst acht Prozent der Deutschen in Gold investiert haben. Auf dem Höhepunkt der letzten Goldblase 1980 – damals stieg der Preis auf 875 Dollar – waren es zwischen 25 und 30 Prozent. Eine Blase erkennt der Händler nicht. Trotz möglicher Preisrückgänge bleibt seiner Meinung nach der Aufwärtstrend intakt. Bei Prognosen zeigt sich Hartmann mutig: „Die derzeit genannten mittel- bis langfristigen Kursziele von 2 200 bis 2 500 Dollar je Feinunze halten wir für sehr konservativ. Banken und Analystenhäuser werden die Kursziele bald nach oben anpassen müssen.“

Yan Chen, Chef des Metallgeschäfts von Standard Chartered in Hongkong wurde bereits Ende Juli gegenüber der amerikanischen Nachrichtenagentur Bloomberg konkreter: „Wir rechnen damit, dass der Goldpreis bis 2014 rund 2 000 Dollar erreichen wird. Bis 2020 könnte der Preis sogar auf 5 000 Dollar steigen.“ Die Gründe dafür sieht er eher in der steigenden Kaufkraft Chinas und Indiens als in den Krisen in den USA und Europa.

Solchen Prognosen steht Analyst Pröttel von der LBBW skeptisch gegenüber: „Meiner Meinung nach wird der Goldpreis nicht so hoch steigen. Dafür wird der Gegenwind zu stark sein.“ Damit meint er, dass die Anleger verkaufen werden, sobald eine neue Bestmarke erreicht ist. Normalerweise halten Sparer circa fünf bis zehn Prozent ihres Vermögens in Gold. Steigen die Preise, reduzieren sie den Bestand. Damit der Preis für die Krisenwährung überhaupt so hoch steigen wird, müsste nach Meinung Pröttels „schon sehr viel Schlimmes auf der Welt passieren“. Die Nachfrage aus Asien dürfte für Rekorde nicht reichen.

Tradiertes Vertrauen

Das Vertrauen in die Goldwährung hat eine lange Tradition. Sie reicht fünf bis sechs Jahrtausende zurück. Im Römischen Reich herrschte Preisstabilität. Zu dieser Zeit bestanden die Münzen aus reinem Gold. In Deutschland war Gold während des Deutschen Reiches von 1871 bis 1918 gesetzliches Zahlungsmittel. 2,79 Goldmark entsprachen einem Gramm Gold. Die Golddeckung wurde zu Beginn des Ersten Weltkriegs aufgehoben. Weil die Reparationen den Goldbestand des Deutschen Reiches verschlangen, konnte sie auch nicht wieder eingeführt werden. Daraus resultierte die Umstellung auf nicht durch Gold gedecktes Geld, die Voraussetzung für die erste Hyperinflation der Zwanzigerjahre.

Bis 1971 gab es einen festen Wechselkurs des Dollar. Eine Feinunze Gold kostete 35 Dollar. Der damalige US-Präsident Richard Nixon stoppte seinerzeit die Eintauschbarkeit des Dollar gegen Gold. 1976 empfahl der Internationale Währungsfonds (IWF) die Aufhebung der Goldbindung der Währungen. Die Gründe dafür: Der Goldstandard beschränkte die herausgegebene Geldmenge und die Höhe der Staatsverschuldung. Inzwischen haben sich alle Währungen vom Goldstandard gelöst. Die Folgen sind bekannt: Eine extreme Ausweitung der Geldmengen und eine gigantische Verschuldung. Mit der derzeit vorhandenen Menge Gold ließe sich eine bedeutende Währung wie der Dollar nicht mehr decken. Der Goldpreis müsste schon um ein Vielfaches steigen.

Heute halten die USA mit 8 136 Tonnen die größten Goldreserven, gefolgt von Deutschland mit 3 402 und dem IWF mit 2 452 Tonnen.

In London wird täglich der Goldpreis bestimmt

Den Preis des edlen Metalls bestimmen Angebot und Nachfrage. Jeden Werktag treffen sich wichtige Goldhändler zweimal täglich in der Londoner Rothschild-Bank, um den Preis zu fixieren: morgens um 10.30 Uhr englischer Zeit und nachmittags um 15 Uhr zur Öffnungszeit der amerikanischen Börse. Weltweit lauern die Investoren auf die Ergebnisse aus der Rothschild-Bank.

Auch die privaten Anleger schauen auf den steigenden Preis und fragen sich, ob sie jetzt noch kaufen sollen. Darauf kann es keine eindeutige Antwort geben. Jeder muss für sich prüfen, wie groß sein Bedürfnis nach Sicherheit ist. Für den Wirtschaftswissenschaftler Prof. Martin Weber von der Universität Mannheim ist ganz klar: „Ich kaufe kein Gold. Es wirft keine Zinsen oder Dividenden ab und seine Aufbewahrung kostet zusätzliches Geld. Mir ist eine gute deutsche Aktie lieber.“

Wer der Börse misstraut, weil es – vor allem zurzeit – heftige Abstürze gibt, und glaubt mit Gold auf der sicheren Seite zu sein, muss wissen, dass auch der Preis der Krisenwährung starken Schwankungen unterliegt. Doch einen Teil in Gold zu investieren empfehlen zum Beispiel der Kölner Vermögensverwalter Kurt von Storch oder der Stuttgarter Verbraucherschützer Niels Nauhauser. Letzterer rät zum Kauf von Ein-Unzen-Münzen. Sie lassen sich leichter handeln als größere Barren. Das Aufgeld beträgt circa 20 bis 30 Euro. Geduldige Anleger warten mit dem Kauf, bis der Kurs eventuell noch weiter nachgegeben hat. Der Kauf der derzeit gepriesenen Goldminenaktien ist nur etwas für Zocker.

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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