Finanzielle Schieflage und Recht

Sozialbeiträge unbedingt entrichten

Geraten Zahnärzte mit ihrer Praxis in eine finanzielle Schieflage, lassen sie sich bisweilen die Sozialabgaben stunden, um Luft für die Begleichung anderer Forderungen zu bekommen. Doch die kurzfristige Liquiditätsspritze hat langfristige Nebenwirkungen.

Denn bis zu 30 Jahre lang können die Sozialversicherungsträger von den Gesellschaftern die als Sicherheit für die Stundung hinzugezogenen Bankbürgschaften zurückfordern. Die hingegen kurze vierjährige Verjährung können nur in Anspruch genommene Arbeitgeber geltend machen, wenn sie die Sozialabgaben nicht vorsätzlich vorenthalten haben. In diesem Zusammenhang genügt es aber nicht, wenn der Arbeitgeber lediglich pauschal vorträgt, er habe sich seinerzeit in finanziellen Schwierigkeiten befunden. Denn hat der Arbeitgeber – trotz finanzieller Krise – parallel auch noch andere Forderungen wie etwa offene Mieten, Löhne und Gehälter zu begleichen, dann reicht dies bereits für die Annahme eines Vorenthaltens- Vorsatzes (das heißt vorsätzliche Nichtabführung von Sozialabgaben) aus (BGH, Az. III ZR 305/01). Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Bundesgerichtshof anschloss, werden nämlich Beiträge immer dann vorsätzlich durch den Arbeitgeber vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Zahlungspflicht keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt. Dabei genügt es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens, dass der Beitragspflichtige die Verletzung seiner Beitragspflicht, das heißt den rechtswidrigen Erfolg, für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat. Es muss lediglich für das Gericht feststehen, dass der Beitragsschuldner seine Beitragsschuld auch kannte. Das ergibt sich allerdings bereits aus den bei der Einzugsstelle vom Arbeitgeber eingereichten deckungsgleichen Beitragsnachweisen. In diesem Fall zählt auch nicht ein eventueller Einwand des Arbeitgebers, er hätte zwar seiner Beitragspflicht nachkommen wollen, sei hierzu aber wegen mangelnder Liquidität außer Stande gewesen. Denn in einem solchen Falle befindet sich ein Arbeitgeber nicht. Er hat vielmehr – aus welchen Gründen auch immer – in einem bewussten und in seinem Willen aufgenommenen Vorgang anderen zivilrechtlichen Verbindlichkeiten Vorrang gegenüber den Sozialversicherungsbeiträgen eingeräumt. Die Konsequenz für Arbeitgeber in einer solchen Situation: Im Zweifel muss der Arbeitgeber sogar zuerst die Löhne seiner Mitarbeiter kürzen, bevor er die Sozialbeiträge schuldig bleiben darf.   

Kontopfändung durch das Finanzamt 

Ein Steuerbescheid über eine Kontopfändung ist – ohne gerichtliche Verfügung – sofort vollstreckbar. Ein Einspruch gegen die vom Finanzamt getroffene Verfügung reicht in einer solchen Situation nicht aus, um die Pfändung zu verhindern. Zahlen müssen Steuerzahler dann dennoch. Es besteht die Möglichkeit, bei der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Dieser muss begründet werden. Bisweilen kommt es auch zur Kontopfändung durch das Finanzamt, weil die Vollstreckungsstellen der Finanzämter die Akten nicht kennen, die den Einkommensteuerabteilungen vorliegen. Das heißt, die Vollstreckungsstelle pfändet, ohne sich vorher genau zu erkundigen, ob nicht bereits Rechtsmittel gegen die Steuerschuld eingelegt wurden, die eine Pfändung nicht zulassen und ob der Steuerzahler nicht längst mitgeteilt hat, dass das Geld unterwegs ist. Nur wenige wehren sich gegen solche Härten der Vollstreckung, die von der untersten Instanz, den Finanzgerichten, bis hin zum Bundesfinanzhof (Az. VII R 101/08) als unverhältnismäßig kritisiert wurden. Pfändungen wegen nur ein paar hundert Euro und so genannte Kahlpfändungen stehen hier im Zentrum der Kritik. Das Problem: Anders als bei einer Lohnpfändung müssen dabei zunächst nicht einmal die Pfändungsfreigrenzen beachtet werden – es sei denn, es wird ein entsprechender Antrag bei der Vollstreckungsstelle des Finanzamtes gestellt. Falls Steuerzahler eine solche Kontopfändung trifft, sollten sie sofort bei der Vollstreckungsstelle ihres Finanzamtes beantragen, dass ihnen ihre Bank das Lebensnotwendige auszahlen darf. Dabei helfen gern und kostenlos die Schuldner-Beratungsstellen vor Ort. Halten Steuerzahler das Vorgehen des Finanzamtes für insgesamt nicht korrekt, sollten sie sich Hilfe bei ihrem Steuerberater oder einem Anwalt für Steuerrecht suchen.

Dietmar KernWirtschaftsjournalistGebhard-Müller-Allee 571638 Ludwigsburg

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.