Allergieforschung erfolgreich

Neues zur Nickelallergie

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Die Nickelallergie ist die häufigste Kontaktallergie überhaupt. Forscher haben
jetzt den Schlüsselfaktor für allergische Reaktionen auf Nickel entdeckt.

Nickel ist ein Metall, das in Uhren, Schmuck, Brillen, Jeansknöpfen, Reißverschlüssen, Essbesteck, Konservendosen, Münzen, teilweise in Kosmetika vorkommt. In sehr alten Prothesenwerkstoffen sind immer noch Reste von Nickel auffindbar. Auf Grund des bereits vor mehreren Jahrzehnten erkannten Allergiepotentials wurden später nur noch nickelfreie Metalle wie Titan oder auch Gold verwendet. Dabei ist Nickel sehr gut wasserlöslich, was zur Folge hat, dass besonders im Sommer, wenn jeder schwitzt, viele Nickelallergien auftreten. „Die Nickelallergie oder genauer das allergische Kontaktekzem auf Nickel ist eine der häufigsten Kontaktallergien“, berichtet Professor Dr. Thilo Jakob, Leiter der Allergieabteilung und der klinischen Forschergruppe Allergologie an der Hautklinik des Klinikums Freiburg.

„Manche allergische Reaktionen, wie beispielsweise Heuschnupfen oder allergisches Asthma, entstehen unmittelbar nach dem Kontakt mit dem Allergen, andere wie das allergische Kontaktekzem erst mit zeitlicher Verzögerung – es können bis zu 72 Stunden vergehen. Dann ist es für Allergiker und ihre Ärzte besonders schwer, den Auslöser herauszufinden.“ Ob eine Nickelallergie vorliegt kann der Hautarzt mit Hilfe eines Pflastertests, dem so genannten Epikutantest, herausfinden.

Neueste Ergebnisse aus der Forschung

Einen wesentlichen Beitrag zur Entschlüsselung der allergiefördernden Eigenschaften von Nickel haben jetzt Wissenschaftler der Universität Gießen mit Kollegen der Universitäts-Hautklinik Freiburg und den Universitäten Mannheim, Münster und München geleistet. Die Wissenschaftler konnten klären, auf welche Weise Nickel eine Entzündung der Haut hervorruft, die einem sichtbaren Ekzem vorausgeht. Diese Ergebnisse, die für innovative Prophylaxeund Therapieansätze von Bedeutung sein können, wurden in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Immunology“ veröffentlicht.

Natürliche Immunität

Die Forscher konnten zeigen, dass Nickel einen Rezeptor der so genannten „natürlichen Immunität“ aktiviert und so in der Zelle Signalübertragungswege in Gang setzt, die zur Bildung von entzündungsfördernden Botenstoffen führen. Zwar ist bereits seit längerem bekannt, dass die Nickelallergie zu der Art von Allergien gehört, die nicht durch Antikörper ausgelöst wird, sondern durch T-Zellen, eine Form der weißen Blutkörperchen. Eine Sensibilisierung findet nur statt , wenn neben der T-Zell-Mobilmachung noch ein weiteres entzündungsförderndes Signal vorhanden ist. Dessen Identität war bisher jedoch unbekannt.

Der jetzt identifizierte Rezeptor, Toll-like receptor 4 (TLR4), wurde bereits 1998 entdeckt, ist aber bislang vor allem als Erkennungsstruktur für bestimmte von Bakterien freigesetzte entzündungsfördernde Substanzen bekannt. „Natürlicherweise spielt TLR4 eine Schlüsselrolle bei der Abwehr von Bakterien und verhindert durch Aktivierung des angeborenen Immunsystems bei bakteriellen Infektionen deren übermäßige Vermehrung“, erklärt Professor Dr. Stefan Martin von der Forschergruppe Allergologie der Universitäts-Hautklinik Freiburg. Die Forscher beobachteten erstmals, dass Nickel seine entzündungsfördernden Eigenschaften im Menschen entscheidend über TLR4 vermittelt, dass aber die Zielstruktur für Nickel eine andere ist als jene, die von bakteriellen Lipopolysacchariden (LPS) benutzt wird.

Beobachtung gilt als Durchbruch

Diese Beobachtung könnte einen Durchbruch bei der Therapie der bislang nur schwer behandelbaren Nicklallergie bedeuten, da es prinzipiell möglich erscheint, spezifische TLR4-Hemmstoffe zu entwickeln, welche die Aktivierung des Rezeptors durch Nickel blockieren, ohne damit die wichtige natürliche Abwehrfunktion von TLR4 bei bakteriellen Infektionen zu beeinträchtigen. Überraschenderweise ergaben weiterführende Untersuchungen, dass nur humane TLR4-Rezeptoren, nicht aber solche aus der Maus, durch Nickel aktiviert werden, da dem entsprechenden Maus-Rezeptor die bindungsrelevanten Aminosäuren fehlen.

Die Wissenschaftler vermuteten, dass dies die Erklärung für die bislang mysteriöse Beobachtung ist, dass Mäuse keine Nickelallergien entwickeln und es bisher nicht gelungen ist, ein experimentelles Mausmodell für diese häufigste aller Kontaktallergien zu etablieren. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Prof. Marina Freudenberg vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg konnte die Arbeitsgruppe um Professor Martin jetzt erstmals ein Mausmodell etablieren, in dem Tiere, die anstelle des Maus-TLR4 den menschlichen TLR4-Rezeptor besitzen, eine allergische Reaktion auf Nickel entwickeln.

„Diese Daten belegen nicht nur, dass Beobachtungen aus Tiermodellen nur begrenzt auf die menschliche Situation übertragbar sind, sondern identifizieren mit Nickel das erste anorganische Kontaktallergen, das den immunologisch wichtigen TLR4-Rezeptor des angeborenen Immunsystems direkt aktivieren kann. Diese Arbeiten erweitern auch unsere Befunde, dass organische Chemikalien, die Kontaktallergien verursachen, ebenfalls den TLR4 und den TLR2 aktivieren. Die Kontaktallergene tun dies aber auf ganz andere Weise: Sie lösen die Bildung oder Freisetzung von körpereigenen Faktoren aus, die an diese TLR binden“, so Professor Martin. Die Ergebnisse haben die Freiburger Forscher bereits 2008 in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Experimental Medicine“ publiziert.

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