Schleswig-Holsteinischer ZahnÄrztetag

Alles für den Notfall

Ein neuer Rekord: 2 134 Zahnärzte und Mitarbeiterinnen kamen zum ZahnÄrztetag nach Neumünster, um Vorträge über „Risikopatienten – Allgemeinerkrankungen – Notfälle“ zu hören. Dass ausgerechnet Themen, die in der täglichen Praxis – zum Glück – keine Hauptrolle spielen, so stark nachgefragt wurden, belegt eindrucksvoll das ausgesprochen breit angelegte Fortbildungsinteresse der Kollegen.

Zum nüchternen Blick auf die Wirklichkeit riet der KZV-Vorstandsvorsitzende Dr. Peter Kriett in seiner Eröffnung: „Diese Gesellschaft braucht offensichtlich eine Fortbildung über Risiken und Notfälle, statt sich mit Verdrehungen und Halbwahrheiten von einer Wahl zur anderen schaukeln zu lassen.“ Politiker sollten – wie bei der Zulassung von Arzneimitteln – die Sinnhaftigkeit ihrer Ideen zunächst belegen, bevor sie Gesetzesform bekämen, wie jetzt beim Entwurf der GOZNovelle, „die uns am Politikerverstand zweifeln lässt“. Abschließend forderte Kriett einen klaren Blick auf die Grundzüge der konsentierten Gesundheitspolitik von Bundesregierung und Opposition: Solange die Beitragssatzstabilität Prinzip bleibe, solange bleibe es bei der Budgetierung, auch wenn andere dies anders sehen wollten.

Was müssen Zahnärzte über Diabetes wissen? Die Diabetologin Dr. Maike Femerling, Eckernförde, gab Ratschläge: Bei neuen und lange nicht erschienenen Patienten keinesfalls die Anamnese überspringen, vor jeder längeren Behandlung nach Nüchternzeiten fragen und bei HBA1c-Werten über 8,5 Prozent mit Wundheilungsstörungen rechnen. Für den Notfall – Bewusstlosigkeit durch Unterzuckerung – eine Glucagonspritze parat haben und vor allem die häufig schlecht informierten Diabetiker mit den Informationen vom Diabetikerbund und von der Bundeszahnärztekammer vertraut machen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Viele Zahnarztpatienten stehen unter einer Dauermedikation mit Gerinnungshemmern. Wie soll der Zahnarzt vor größeren Operationen entscheiden? Auf jeden Fall ausnahmslos nur in Abstimmung mit dem Hausarzt oder dem Kardiologen des Patienten, forderte Prof. Dr. Norbert Frey, Kiel. Das gelte auch mit Blick auf eine denkbare Endokarditisprophylaxe, die nach seiner Einschätzung ohnehin nur noch bei Hochrisikopatienten erwogen werde sollte.

„Alle Strahlentherapien schädigen den Knochen“, betonte Prof. Dr. Dr. Bodo Hoffmeister, Berlin, „der Kiefernknochen vergisst die Bestrahlung nie.“ Krebspatienten sollten vor Operationen, auch vor Wurzelbehandlungen, daher mit Antibiotika geschützt werden. Hoffmeister: „Krebspatienten leben heute immer länger mit ihrer Primärerkrankung, darauf muss sich der Zahnarzt einstellen.“

HIV und Hepatitis C

„HIV-und Hepatitispatienten brauchen viel Zeit, um eine geeignete Zahnarztpraxis zu finden“, kritisierte Privatdozent Dr. Christian Hoffmann, Hamburg. Zu häufig stießen sie auf Ausreden wie „Dafür sind wir nicht ausgerüstet!“. Und diese Vorbehalte schützten das Praxispersonal schon deswegen nicht, weil – „meine eigene Schätzung“ – jeder zweite HIV-und Hepatitispatient seine Erkrankung aktiv verschweige. Am besten: „Behandeln sie alle Patienten so, als seien sie infektiös: Handschuhe, Mundschutz, Schutzbrille.“

Der letzte Vortrag im zahnärztlichen Programmteil riss die Teilnehmer mit wie ein Bühnendrama: Dr. Sönke Müller, Internist und Notarzt in Neckargemünd, demonstrierte, was im Notfall zu tun ist, „bevor der Hubschrauber kommt“. Wenn der Patient kollabiert: als erstes Vitalcheck, Atmung prüfen („wer atmet, hat Puls“), Rachen inspizieren, Seitenlage. Keine Atmung: sofort mit der Herzmassage beginnen („Puls und Pupillen können Sie sich sparen“). Gut zu wissen: Die Berufsgenossenschaft finanziert Erste-Hilfe-Auffrischungskurse in der Zahnarztpraxis. Empfehlenswert: Müllers Buch „Notfallmanagement in der Zahnarztpraxis“. Stark nachgefragt nach dem Vortrag war auch Müllers Notfallmedikamentenliste für den Zahnarzt.

Dr. Jörg FeldnerFeldstr. 3824105 Kiel

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