GambiaDentCare

Behandeln unter Extrembedingungen

Heftarchiv Gesellschaft
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Ziel des unlängst ausgezeichneten GambiaDentCare-Programms der Universität Witten/Herdecke ist es seit der Gründung im Jahr 1995, die zahnmedizinischen Versorgungsmöglichkeiten langfristig und flächendeckend zu verbessern und einer immer größeren Patientenzahl zukommen zu lassen.

Die Republik Gambia ist das kleinste Land des afrikanischen Kontinents und eines der ärmsten Länder der Welt. Jahrzehntelang war die zahnmedizinische Versorgung ausschließlich auf die Hauptstadt Banjul beschränkt. Besonders in den ländlichen Gebieten haben die oft sehr ärmlich und bescheiden lebenden Patienten noch nie eine zahnmedizinische Prophylaxe, Dia-gnostik oder Therapie erhalten. Somit steht die Entwicklung und Ausweitung von einfachen Therapiemöglichkeiten im Mittelpunkt des Projekts.

Hierzu zählt die Füllungstherapie nach dem Atraumatic Restorative Treatment (ART). Dahinter steht eine spezielle Behandlung der Karies mit Handinstrumenten und Glasionomerzement als Füllungsmaterial. Diese wird von der WHO für Regionen mit infrastrukturellen Einschränkungen empfohlen. Sie ist auch entwickelt worden, um die zahnmedizinische Behandlung an Hilfspersonal zu delegieren.

Wurzelkanalbehandlung ohne Wasser, ohne Strom

Seit einiger Zeit existiert nun auch eine endodontische Therapiemethode. Langfristiges Ziel ist der Aufbau einer zahnärztlichen Basisversorgung für die infrastrukturell schwach entwickelten ländlichen Regionen.

Um die therapeutische Lücke zwischen der minimalinvasiven Glasionomerzementfüllung auf der einen und der Extraktion auf der anderen Seite zu schließen, hat das Wittener Team um PD Dr. Rainer A. Jordan das Konzept des Basic Root Canal Treatment (BRT) entwickelt. Ziel des BRT ist es, unter den schwierigen Bedingungen vor Ort ohne Strom, Wasser oder eine radiologische Kontrolle – eine einfache, aber klinisch effiziente Form der Wurzelkanalbehandlung zu etablieren.

Klinische Methodik

Grundlage der endodontischen Versorgung ist die Grossmann-Methode. Nach der Kariesexkavation und der Eröffnung der Pulpa wird mit einem klar definierten Instrumentensatz eine einseitige Wurzelkanalbehandlung durchgeführt. Nach der Aufbereitung mit Handinstrumenten erfolgt die Wurzelkanalfüllung mittels eines zentralen Guttaperchastiftes in Kombination mit dem von Grossmann entwickelten Zinkoxid-Eugenol-Zement. Diese Kombination sorgt für einen hermetischen Verschluss der Kanäle. Der koronale Verschluss sowie die Rekonstruktion der klinischen Zahnkrone erfolgen mittels Glasionomerzement im Sinne des ART.

Untersuchungen und Ergebnisse

Bei schwierigen Straßen- und Wetterverhältnissen wurden die Patienten im Rahmen der Nachuntersuchungen nach einem Tag, nach fünf Tagen und nach sechs Monaten zu Hause aufgesucht. Der Aufwand für die Nachuntersuchungen war sehr hoch, doch die Drop-out-Rate der endodontisch versorgten Patienten überraschend gering (sechs Prozent).

Postoperativ entwickelten sich zunächst bei einigen Patienten Symptome der Perkussionsempfindlichkeit, diese nahmen jedoch im weiteren Untersuchungsablauf ab. Eine signifikante Verbesserung nach der BRT-Behandlung konnte hinsichtlich Schmerzsymptomatik und Kaukomfort festgestellt werden. Die Patienten fühlten sich nicht nur zahnmedizinisch, sondern auch allgemeinmedizinisch besser und konnten schon nach wenigen Tagen ihre Arbeit wieder schmerzfrei aufnehmen.

Die entwickelte endodontische Behandlungsmethode zeigte sich im Rahmen einer ersten Pilotstudie in Kombination mit dem ART als vielversprechende Therapie-alternative zur Zahnextraktion. Das BRT könnte das zahnmedizinische Behand-lungsspektrum für unterprivilegierte Länder langfristig erweitern. Im Moment läuft eine klinisch-kontrollierte Studie über vier Jahre.

Dr. Anna-Louisa HolznerUniversitätsklinikum ErlangenZahnklinik 1 – Zahnerhaltung und ParodontologieGlückstr. 1191054 Erlangen

aholzner@dent.uni-erlangen.de

Das Projekt wurde durch den Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Endo-dontologie und zahnärztliche Traumatologie (DGET) ausgezeichnet.

INFO

Zahnerhalt vor Extraktion

In Regionen mit gering ausgeprägter zahnmedizinischer Infrastruktur ist die Behandlung mit technisch aufwendigen Prozeduren meist nicht umsetzbar. Hieraus resultieren häufig zu frühe Zahnextraktionen.

Mit der Entwicklung des Atraumatic Res-torative Treatment (ART) in den 1990er-Jahren ist es erstmals gelungen, für solche Regionen zahnerhaltende Maßnahmen in größerem Umfang zu realisieren. Das Basic Root Canal Treatment (BRT) versteht sich als ein weiterer Schritt, die Lücke zwischen Kariestherapie mit ART und zu früher Zahnextraktion zu schließen.

PD Dr. Rainer JordanKoordinator GambiaDentCarerainer.jordan@uni-wh.de

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