Trink-Empfehlungen für Kleinkinder

Die richtige Dosis

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Kinder und Erwachsene sollen viel trinken, bei und zwischen den Mahlzeiten und auch unterwegs. Das ist heute selbstverständlicher als früher. Schon bei leichtem Wassermangel sinken Konzentration und Leistungsfähigkeit. Außerdem können Schwindel, Müdigkeit und Kopfschmerzen auftreten.

Kinder zwischen vier und zwölf Jahren sollen täglich mindestens 800 ml bis 1 000 ml Wasser/Mineralwasser oder ungesüßte Tees trinken, Erwachsene zwei bis 2,5 Liter. An heißen Tagen oder bei viel Bewegung kann sich der Flüssigkeitsbedarf verdoppeln. Diese allgemein bekannten Empfehlungen führen dazu, dass Eltern die Trinkmenge für Säuglinge und Kleinkinder oftmals überschätzen. Viele Eltern sind besorgt und meinen, ihr Kind trinke zu wenig. Empfehlungen, ab wann, wie viel, was und woraus Säuglinge und Kleinkinder trinken sollten, wurden 2010 im Auftrag des bundesweiten „Netzwerk Junge Familie“ von den führenden Fachorganisationen und Institutionen im Konsensuspapier [Koletzko et al., 2010] zur Säuglingsernährung und zur Ernährung der stillenden Mutter veröffentlicht. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hat 2011 im Rahmen von „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ mit den „DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder“ ernährungsphysiologische, organisatorische und pädagogische Aspekte in einer grundlegenden Broschüre zusammengefasst [DGE, 2011].

Von der Muttermilch zum kindgerechten Getränk

Am Anfang des Lebens ist Essen und Trinken eins. Die Milch stillt den Hunger und löscht den Durst. Das gestillte Kind braucht daher, ebenso wie das mit industriell hergestellter Säuglingsmilchnahrung gefütterte Kind, kein zusätzliches Getränk. Nur wenn das Baby krank ist (etwa bei Fieber, Erbrechen, Durchfall), braucht es nach Rücksprache mit dem Kinderarzt zusätzliche Flüssigkeit. Diese kann aus einem kleinen Becher oder vom Löffel gegeben werden. Säuglinge sollten die ersten vier bis sechs Monate ausschließlich gestillt oder mit der Flasche gefüttert werden.

Mit Beginn des fünften beziehungsweise des siebten Lebensmonats sollte zugefüttert, das heißt die erste Beikost eingeführt werden. Jetzt darf das Kind das Trinken aus einem offenen Becher üben (siehe hierzu auch zm 19/2011). Erst ab dem dritten Brei (dritte Beikost in der Reihenfolge Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, Milch-Getreide-Brei, Getreide-Obst-Brei) braucht das Kind 200 ml Extra-Flüssigkeit am Tag [Cremer, 2010].

Der Beginn des Trinkens fällt damit in eine Entwicklungsphase, in der die meisten Kinder bereits sitzen können, wodurch die Umsetzung der Empfehlung, Kinder von Anfang an aus einem offenen Becher trinken zu lassen, erleichtert wird. Dies war bisher schwieriger, denn nach den alten Trink-Empfehlungen musste das Kind mit dem ersten Brei bereits etwa 100 ml je ersetzte Mahlzeit trinken. Das war im Alter von vier bis sechs Monaten meist nur mithilfe einer Säuglingsteeflasche möglich. Der spätere Trinkbeginn führt damit weg von dem Problem „Dauernuckeln“ und hin zum zahngesundheitsförderlichen Trinken aus einem offenen Gefäß. Wird die Flasche zum Trinken nicht benötigt und muss weniger getrunken werden, wird das Risiko für eine frühe Milchzahnkaries minimiert.

„Dauernuckeln und die Flasche zum Einschlafen sind unbedingt zu vermeiden, da hierdurch ein stark erhöhtes Risiko für eine gestörte Zahngesundheit ausgelöst wird. Getränke können aus Becher oder Tasse angeboten werden“, so die Empfehlung des oben genannten Konsensuspapiers, die aus zahnärztlicher Sicht zu begrüßen ist.

Elterliches Fehlverhalten im Einzelfall ansprechen

Damit sind alle beteiligten Berufsgruppen (Hebammen, Kinderärzte, Hausärzte, Ernährungsfachkräfte, pädagogische Fachkräfte und Zahnärzte) aufgefordert, Eltern über ihr Fehlverhalten aufzuklären und entsprechend zu beraten.

Eltern lassen ihr Kind am besten aus einer Tasse, einem Glas oder einem offenen Becher trinken. Der kleine Plastikbecher oder die Verschlusskappe der Säuglingsflasche eignen sich genauso gut wie ein Schnapsglas, eine Espressotasse oder eine Puppentasse. Unter der Domain www.jugendzahnpflege.hzn.de (Zusatzangebote für Kindergärten) finden interessierte Fachleute eine Übersicht über geeignete Trinkgefäße sowohl für den privaten Haushalt als auch für das Trinken in Krippen- und in Kindergartengruppen. Empfehlungen zum Trinken Lernen enthält die Eltern-Broschüre „Vom Löffel essen – Aus dem Becher trinken“.

Stets die erste Wahl – Natriumarmes Wasser

Leitungswasser und Mineralwasser – für Kleinkinder natriumarm und bevorzugt ohne Kohlensäure – sind die erste Wahl. Aber auch ungesüßte Früchte- oder Kräutertees sind passende Durstlöscher. Detaillierte Informationen enthält die Broschüre „Ernährung von Säuglingen“.

Die DGE-Qualitätsstandards ergänzen: „Limonaden, Nektare, Fruchtsaftgetränke, Eistees, Energy-Drinks und isotonische Sportgetränke werden in Kindertagesstätten nicht angeboten. Dies entspricht der Umsetzung des Zuckerfreien Vormittag durch Verhältnisprävention im Rahmen des praxiserprobten Konzepts „5 Sterne für gesunde Zähne“ [Freund/Thumeyer, 2009] und erweitert im Getränkebereich den zuckerfreien Vormittag zur zuckerfreien Zeit in Kindertageseinrichtungen.

Reine Frucht- beziehungsweise Gemüsesäfte sind keine Getränke, sondern Nahrungsmittel, die satt machen. Ein Glas Saft beziehungsweise ein halbes Gas Saft aus einem Glas Saftschorle entspricht einer Portion Obst und/oder Gemüse von den „5 am Tag“ [DGE]. Dabei entspricht eine Portion der Menge, die in eine Hand passt. Eine Kinderportion ist entsprechend deutlich kleiner als eine Erwachsenenportion. Milch und Milchprodukte zählen zur Gruppe der tierischen Lebensmittel. Sie sind am Anfang Bestandteil eines Milch-Getreide-Breis und später eine Frühstückskomponente. Milch ist also kein Getränk, sondern ein Baustein zur Ernährung von Kindern.

Geschmack ist eine Frage der Erziehung

Geschmack wird anerzogen. Das, was ich kenne, mag ich. Mit dem, was ich kenne, vergleiche und bewerte ich neue Geschmackserfahrungen. Das erklärt, warum Kinder, die von Anfang an ans Wassertrinken gewöhnt wurden, immer gerne Wasser trinken und von sich aus danach verlangen [Ellrott, 2009].

Die Behauptung, dass Kinder durch „süße“ Muttermilch auf süß geprägt werden, trifft nicht zu, denn die Muttermilch als Filtrat aus dem Blut schmeckt nach dem, was die Mutter gegessen hat. Ernährt sich die Mutter abwechslungsreich, lernt der gestillte Säugling viele verschiedene Geschmacksrichtungen kennen und wird bestens auf das Essen am Familientisch vorbereitet (postnatale Prägung). Außerdem ist der durch die Lactose vorgegebene süße Geschmack von Muttermilch so schwach, dass Erwachsene ihn nicht als süß bezeichnen würden. Der industriell vorgegebene, immer gleiche süße Geschmack übertrifft die Muttermilch um ein Vielfaches. Deswegen sollte Kindern von Anfang an Wasser als Durstlöscher angeboten werden.

Dr. med. dent. Andrea Thumeyer

Wiesenstr. 31

65187 Wiesbaden

thumeyer@t-online.de

INFO

Trinkmengen

Ab dem ersten Brei:Das Kind darf das Trinken aus einem offenen Gefäß üben.Ab dem dritten Brei:Das Kind braucht jetzt 200 ml Wasser am Tag verteilt auf die Mahlzeiten und zwischendurch.Ab dem Übergang in die Familienkost(mit drei Haupt- und zwei Zwischenmahlzeiten): circa 400 ml Wasser / TagIm zweiten und im dritten Lebensjahr:600 bis 700 ml Wasser am Tag

Die konkreten Trinkmengen sind immer abhängig vom Körpergewicht und von der Aktivität des einzelnen Kindes. Altbewährter Tipp: Wenn der Urin hell ist, hat das Kind genug getrunken.

INFO

Broschüren

Die folgenden Broschüren werden von der Autorin empfohlen:

• Verein für Zahnhygiene Darmstadt, 2011: Vom Löffel essen – Aus dem Becher trinken. Zu bestellen über Tel. 06151/1373710 oder Fax 06151/ 1373730)

• Ruth Rösch, 2012: Ernährung von Säuglingen. Zu bestellen überwww.aid.de, Bestellnummer 1357

• Monika Cremer, 2010: Das beste Essen fürs Baby. Zu bestellen überwww.aid.de, Bestellnummer 329

• DGE-Qualitätsstandards für die Verpflegung in Tageseinrichtungen für Kinder. Zu bestellen überwww.dge-medienservice.de

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