Faule Deals
Sara Friedrich
Das Prinzip von Groupon ist schnell durchschaut, weil einfach konstruiert. Via Newsletter werden täglich etwa ein Dutzend stark rabattierte Angebote – sogenannte Deals – für eine entsprechende Region versendet. Meist sind es Dienstleistungen aus den Bereichen Erlebnisgastronomie, Tourismus, Wellness, Freizeit und schließlich – darauf soll in diesem Beitrag näher eingegangen werden – auch Gesundheit.
Hier handelt es sich meist um ästhetisch-chirurgische Maßnahmen, die eine Verjüngung des individuellen Erscheinungsbildes zum Ziel haben – etwa „Ambulantes Fadenlifting mit speziellen Polypropylen-Fäden in örtlicher Betäubung“. Aber auch mit zahnärztlichen Leistungen, wie Invisalign-Behandlungen, Implantatbehandlungen oder PZRs wird gedealt. Und zwar vom Teenie bis zum Silver-Ager, ohne Einschränkungen, ohne Risiken, ohne Nebenwirkungen. So scheint es beim ersten Blick auf den Bildschirm des PC.
Jedes Angebot wird in „bester PR-Manier“ mit blumiger Wortwahl, dazu einseitig positiv beschrieben und mit entsprechenden Konditionen versehen. Je nach Art des Deals kann zwischen einem oder gleich mehreren Rabattgutscheinen ausgewählt werden. Oft sind diese ein halbes Jahr gültig, manche kürzer, andere länger. Wer sich für den Deal entscheidet, klickt auf „Jetzt kaufen“, gibt seine Daten an und erhält einen Rabattgutschein als PDF-Dokument via E-Mail. Dann wird ein Termin mit dem „Dealer“ vereinbart und der Deal läuft.
Das Dealen kommt bei den „Digital Natives“ der „Digitalen Gesellschaft“ (beschrieben in den zm 16/2011) zunächst einmal relativ gut an. Laut Groupon machen mehrere Millionen Deutsche und über 142 Millionen Menschen weltweit mit.
Doch was sind die Hintergründe für den rasanten Anstieg dieses Phänomens, das neudeutsch „Couponing“ und bei Groupon wiederum „Grouponing“ genannt wird? Und was bedeutet ein gegebenenfalls zustande gekommenes Vertragsverhältnis letztlich für den Zahnarzt, für den Praxisalltag und für das Arzt-Patienten-Verhältnis?
Schöne neue Welt – Couponing für alle
Der Österreicher Dr. Daniel Glasner leitet das internationale Geschäft des Gutschein-Portals Groupon aus der Firmenzentrale am Berliner Alexanderplatz. Gegenüber dem online-Magazine „futurezone.at“ erklärte er, warum der Online-Schnäppchen-Markt gewinnbringend ist: „Wir sprechen einen riesigen, bisher ungedeckten Markt an. Auf der einen Seite sind 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung im Internet, und 90 Prozent der Konsumausgaben werden im Umkreis von drei Kilometern des Wohnsitzes ausgegeben. Auf der anderen Seite gibt es unglaublich viele Klein- und Mittelbetriebe, die sehr gut sind, in dem, was sie machen, aber keine Ahnung von Marketing im Internet haben. Wir sind der Brückenkopf zwischen diesen beiden Gruppen.“
Groupon-Erfinder Andrew Mason (siehe Kasten S. 32) erklärte gegenüber dem Wirtschaftsjournalisten Holger Schmidt auf dessen Blog „Netzökonom“ die möglichen Motive für eine Zusammenarbeit mit Groupon. Demnach könnte man über die Plattform in erster Linie Neukunden generieren und über Nacht große Bekanntheit erlangen. Hier aber steckt der Teufel in den spezifischen Konditionen.
Ungeahnte Folgen für kleinere Betriebe
Denn: Was für extreme Folgen eine Kooperation mit Groupon haben kann, zeigt das Beispiel der Konditorin Rachel Brown aus dem englischen Berkshire. Einem Bericht der britischen Tageszeitung „The Telegraph“ ist zu entnehmen, dass Brown seit 25 Jahren in ihrem Geschäft „Need a Cake“ in Handarbeit Cupcake-Törtchen herstellt. Brown legt viel Wert auf hohe Qualität. Und die hat ihren Preis: Zwölf Törtchen kosten umgerechnet rund 30 Euro. So teuer, so gut.
Um neue Kunden zu gewinnen, bot Brown die Törtchen bei Groupon für nur 7,50 Euro an. Die Aktion musste vorzeitig abgebrochen werden, denn vor Angebotsende lagen etwa 8 500 Bestellungen (102 000 Cupcakes) vor. Um die Flut bewältigen zu können, musste Brown zeitweise zusätzliche Mitarbeiter suchen. „Ich war besorgt, dass die Standards nicht erfüllt werden, wollte aber auch niemanden fallen lassen“, erklärte sie dem Blatt. Fazit: Die kleine Firma ist damit beschäftigt, die erlittenen Verluste wieder reinzuholen. Bei gleichen Personal- und Sachkosten verzeichnete die Manufaktur fast 15 000 Euro Minus durch das Geschäft mit den Rabattgutscheinen.
Zahnärzte dürfen nicht Gewerbe treiben
Dass auch Zahnarztpraxen den Pakt mit Groupon machen, erzeugt – so ist zu hoffen – nicht nur in der zahnärztlichen Selbstverwaltung, sondern möglicherweise auch an der Basis kollektives Kopfschütteln bis hin zu schierem Unverständnis. Schließlich zählt die Zahnärzteschaft zu den freien Berufen und nicht zum Gewerbe. Alle Kollegen haben sich bekanntlich standesunwürdiger Mittel zu enthalten. Justiziare einzelner Kammerbereiche haben sich in den entsprechenden Medien bereits des Öfteren kritisch gegenüber Rabatten auf zahnärztliche Leistungen geäußert. Die Reihe der Argumente ist lang, eingängig und im Grunde genommen hinreichend bekannt.
Pauschalpreise für PZRs sind unzulässig
Gutschein- und Rabattaktionen sind grundsätzlich nicht mit den berufsrechtlichen, insbesondere mit den gebührenrechtlichen Regelungen vereinbar. Gemäß § 1 GOZ müssen Zahnärzte privatzahnärztliche Leistungen nach der GOZ abrechnen. Rabatte dürfen nicht gewährt werden. Pauschalbeiträge sind nach der neuen GOZ und der Änderung des dortigen § 2 Abs. 3 nicht mehr erlaubt.
Im Übrigen sieht die zum 1.1.2012 in Kraft getretene, neue GOZ für prophylaktische Leistungen nunmehr eine eigene Gebührenposition vor. Ergo: Auch eine PZR muss ohne Rabatt, individuell bemessen und nach der GOZ abgerechnet werden (siehe auch „Profis im Einsatz“, zm 19/2011, und die GOZ-Serie Abschnitt C „Prophylaktische Leistungen“, zm 1/2012).
Aus den Landeszahnärztekammern hagelt es bereits scharfe Kritik, die letztlich für den einzelnen Zahnarzt in schriftliche Abmahnungen und gegebenenfalls auch Gerichtsverfahren münden kann. Dr. Dietmar Kuhn, Vorstandsmitglied der Berliner Zahnärztekammer und Leiter des Referats Berufsrecht/Schlichtung/Gutachterwesen etwa kritisierte Gutschein-und Rabattaktionen im „Mitteilungsblatt Berliner Zahnärzte“ (Ausgabe 1/2011) ganz deutlich: „Mit derartigen Angeboten wird der Eindruck eines Gewerbes erweckt, welcher dem Zahnarzt-Patienten-Vertrauensverhältnis schaden kann. [...] Wir empfehlen daher dringend, von derartigen Werbemaßnahmen [...] keinen Gebrauch zu machen [...].“
Preisaffin, klagefreudig und ... nicht mehr gesehen
Der Geschäftsführer der Berliner Zahnärztekammer, Reinhard Biker, ergänzt die rechtlichen Bedenken: „Die einzelnen Praxen wissen ja oft gar nicht, welche Klientel sie sich durch einen Vertrag mit Groupon ins Haus holen. Es handelt sich hier oft um sehr preisaffine Patienten, die mitunter ein regelrechtes „doctor hopping“ betreiben und letztlich auch klagefreudig sein können, wenn sie der Auffassung sind, dass die Leistung nicht in ihrem Sinne erbracht worden ist.“
Zudem bestehe die große Gefahr, dass die Bewältigung einer durch viele Gutscheine plötzlich enorm gesteigerten Patientenzahl zulasten der Qualität geht. Denn die verkauften „PZR-Deals“ müssten ja laut Aufdruck in den meisten Fällen binnen eines halben Jahres eingelöst werden. Dadurch werde, so Biker, die Unabhängigkeit des Zahnarztes gefährdet. Ein enormer Zeitdruck sei mehr als wahrscheinlich. Und es sei zu befürchten, dass nicht mehr alle PZRs durch eine entsprechend ausgebildete Fachkraft durchgeführt werden können, sondern – der Not folgend – durch zusätzlich eingestelltes und womöglich weniger qualifiziertes Personal.
Milchmädchenrechnung – den Schaden hat der Arzt
Dazu komme die bittere Erkenntnis, dass sich das Couponing gerade bei einer größeren Verkaufsmarge betriebswirtschaftlich für die Zahnarztpraxis nicht rechnet, ja sogar rote Zahlen erzeugt. Denn: Je mehr Deals verkauft werden, desto größer werde die Verlustspanne für die Praxis. Denn die müsse „je nach Verhandlungsgeschick“ noch bis zu 50 Prozent des ohnehin schon marginalen Betrags als Provision an Groupon abführen, warnt Biker (Siehe Infografik auf der folgenden Seite).
Dieses Prozedere bestätigte die Pressesprecherin von Groupon, Sophie T. Guggenberger, gegenüber den zm: „Die Provision, die Groupon im Erfolgsfall für seine Dienstleistung vom Partner erhält, wie auch die Auszahlungsmodalitäten sind immer Gegenstand einer individuellen Vereinbarung mit dem Kooperationspartner, der den Deal [...] schaltet, in der Regel beträgt diese jedoch maximal 50 Prozent.“ Während also die Höhe der Provision individuell verhandelt wird, ist der Betrag für die medizinische Leistung stets als Pauschalpreis angelegt.
Zweckentfremdet – Die PZR als Massenware
Genau dies wird von den Landeszahnärztekammern mit Blick auf die GOZ moniert. Und auch die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) hat in der jüngsten Vergangenheit eindeutig formuliert: „Die PZR ist eine individualprophylaktische Maßnahme. Art der Durchführung, Dauer und Kosten orientieren sich stets am einzelnen Patienten.“ Groupon scheint das nicht zu interessieren und setzt weiter auf Masse.
In einem aktuellen – vor Dreistigkeit nur so strotzenden – Beispiel hat ein Zahnarzt aus Berlin folgenden Deal angeboten:
• Acht professionelle Zahnreinigungen für 99 Euro (statt 640), gültig für 24 Monate
Sprich, der Patient erhält bei einer Provision von 50 Prozent alle drei Monate eine PZR zu einem Honorar von 6,18 Euro. „Eine PZR ist in ihrer notwendigen Häufigkeit abhängig vom individuellen Erkrankungsrisiko und muss deswegen anhand einer Befunderhebung und Diagnostik abhängig vom individuellen Risiko in ihrem zeitlichen Abstand festgelegt werden. Somit besteht zumindest die Gefahr der Überversorgung“, entgegnet der Vizepräsident der BZÄK, Prof. Dietmar Oesterreich, auf das unseriöse Angebot. Unter Umständen könne dieses Intervall bei hohem Erkrankungsrisiko zwar gerechtfertigt sein, räumt er ein. „Kern der Kritik bleibt jedoch, dass hier eine medizinische Maßnahme festgelegt wird, ohne eine Diagnostik durchgeführt zu haben.“
Die Verfahrenswelle rollt durch das ganze Land
In der Bundeshauptstadt mehren sich die Fälle des Couponing. Die Berliner Zahnärztekammer hat bereits über 50 berufsrechtliche Verfahren gegen Zahnärzte eingeleitet, die sich an derartigen Aktionen beteiligen. Überbieten kann diese Zahl die Zahnärztekammer Nordrhein. Ganze 60 eigene berufsrechtliche Verfahren führt beziehungsweise führte sie gegen Zahnärzte, die auf Rabattplattformen wie Groupon PZRs, Bleaching, Invisalign-Behandlungen und implantologische Leistungen zu überaus niedrigen (Fest-)Preisen angeboten haben. Die Justiziarin der Zahnärztekammer Nordrhein, Dr. Kathrin Janke, gegenüber den zm: „Wir gehen in jedem Einzelfall gegen den in der Werbung genannten Zahnarzt vor. Entsprechende Kollegen mahnen wir schriftlich ab. Die meisten hören dann auf. In den übrigen Fällen wird der Rechtsweg beschritten.“ Dazu träfen auch immer mehr Beschwerden von Patienten ein. Rechtlich zu beanstanden dürften aus Sicht von Janke außerdem auch die vertraglich vereinbarten Erfolgsprämien sein.
Zudem führe die Werbung mit Rabatten zu einer unsachlichen und berufswidrigen Beeinflussung des Patienten durch den Zahnarzt. Patienten würden verleitet, allein im Hinblick auf den gewährten Preisnachlass zahnärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, obschon diese Behandlungen – ungeachtet der medizinischen Indikation – erheblich in die körperliche Integrität eingriffen und mit gesundheitlichen Risiken verbunden seien. Janke: „Dieses Vorgehen ist mit dem zahnärztlichen Berufsbild, nach dem Zahnärzte ihren Beruf zum Wohle des Patienten ausüben, nicht zu vereinen.“ Das Werbeverbot in den Berufsordnungen für Zahnärzte diene ja gerade dazu, das Vertrauen der Patienten darauf zu erhalten, dass der Zahnarzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen vornimmt oder Behandlungen vorsieht. Neben einem berufsrechtlichen Vorgehen durch die Zahnärztekammern drohe zugleich ein wettbewerbsrechtliches Verfahren durch Wettbewerbsverbände und Mitbewerber. Im Übrigen hafte nicht nur der Zahnarzt selbst, sondern auch Groupon für die Unlauterkeit der Werbung. Janke: „Daher ist ein Verfahren der Zahnärztekammer Nordrhein unmittelbar gegen Groupon gerichtsanhängig.“
Dr. Ralf Hausweiler, Vizepräsident der Zahnärztekammer Nordrhein skizzierte in einem Editorial (Rheinisches Zahnärzteblatt 10/2011) den Konflikt, in den sich jeder Zahnmediziner begibt, wenn er – quasi mit verbundenen Augen – etwa eine Implantatbehandlung mittels Rabattgutschein über eine Online-Plattform anbietet, ohne den Patient zuvor gesehen, geschweige denn untersucht zu haben, zugleich aber verpflichtet ist, dem Patienten gegenüber die gekaufte Leistung auch zu erbringen: „Was, wenn der Patient kein Implantat benötigt? Was, wenn nicht vier, sondern nur zwei oder drei Implantate indiziert sind? Was, wenn nur mit größerer Augmentation anschließend implantiert werden könnte? Was, wenn aufgrund einer allgemeinmedizinischen Vorerkrankung eine Kontraindikation vorliegt?“ Mit freier Therapiewahl des Arztes habe dies nichts mehr zu tun, hielt Hausweiler fest.
Auch Mediziner anderer Fächer „dealen“ unerlaubt mit Rabattgutscheinen. So hat das Landgericht Hamburg unlängst in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren gegen einen Augenarzt wegen Groupon-Werbung in seinem veröffentlichten Urteil die Rechtsauffassung der Zahnärztekammer Nordrhein bestätigt.
Was Zahnärzte zum Geschäft mit Groupon bewegt, blieb bislang unbeantwortet. Eine Berliner Praxis erklärte gegenüber den zm lediglich, sie wolle mit Groupon nicht mehr in Verbindung gebracht werden.
Fest steht: Auch Ärztekammern, wie etwa die Bayerische (BLÄK) warnen derzeit vor der Teilnahme an Gutschein- und Rabattplattformen. Wer als Arzt dort Leistungen offeriere, verstoße gegen geltendes Berufsrecht sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz und laufe Gefahr, wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung abgemahnt beziehungsweise verklagt zu werden, meldete der Nachrichtendienst „adp“ unter Berufung auf die BLÄK.
Die Merkantilisierung mindert die Qualität
Das Phänomen Groupon ist ein weiterer in unerfreulicher Weise bemerkenswerter Beleg von bestehenden Merkantilisierungstendenzen in der Medizin. Einige Angehörige der Profession scheinen vergessen zu haben, dass die ärztliche wie auch die zahnärztliche Leistung kein Mittel zum Zweck ist, sondern vielmehr einen Zweck an sich darstellt – nämlich die Berufung zum Heilen. Andere Angehörige der Profession – allen voran die Medizinethiker und die Berufsaufsicht – erinnern und appellieren unermüdlich ans ärztliche Selbstverständnis.
Die Selbstverwaltung und das Rechtssystem haben klare Regeln für den medizinischen Berufsstand aufgestellt. Wer sich daran nicht hält, verhält sich unwürdig und missbraucht das Vertrauen, das in die Selbstregulierungskraft der Freien Berufe gelegt wird. Schließlich ist weder der Zahnärzteschaft noch den Patienten zuzumuten, geschweige denn zu wünschen, dass in das Gesundheitswesen eine neue „Normalität“ einzieht, die durch kapitalistisches Kalkül gesteuert wird und die mit einem rabiaten Wettbewerb um die eiskalte Akquise von Patienten einhergeht.
Dabei spiegeln die Diskussionen im Gesundheitswesen gesamtgesellschaftliche Entwicklungen: So warnt der Philosoph Richard David Precht nicht erst seit heute vor einem Moralverlust und einer „Unterm Strich zähl ich“-Mentalität in der bürgerlichen Mittelschicht. Im „Spiegel“ (37/2010) erinnerte er an die Denker der „Freiburger Schule“, die als Väter der Sozialen Marktwirtschaft Wirtschaftspolitik immer auch „als moralisches Erziehungsprogramm begriffen, um die Werte der Freiheit mit den Werten von Fürsorge und Anstand zu versöhnen“. Aber dieser Spagat gelinge heutzutage eben zunehmend seltener – zulasten der sozialen Werte. Dennoch sei es die Mittelschicht, die letztlich den größten Hunger nach Moral, Anstand und Fairness habe. Das Internet jedoch beschleunigt, nach Precht, den Ausverkauf der Moral. Es habe „Geschäfte abstrakter und verantwortungsloser gemacht. Wenn Millionenbeträge nur durch einen Tastendruck am Computer ihren Besitzer wechseln, findet der ehrbare Kaufmann keinen Sitzplatz mehr“, verdeutlichte Precht am Beispiel des Bankensystems.
Zurück zu den Zahnärzten: Gerade noch ist die Zahl der „Täter“ übersichtlich, doch sie schaden schon jetzt massiv dem Ansehen der gesamten Ärzteschaft. Für jeden einzelnen Zahnmediziner von Kiel bis Garmisch, von Koblenz bis Greifswald gilt, das Gesundheitswesen im Rahmen seiner ganz persönlichen Möglichkeiten vor schädlichen Angriffen des ökonomischen Systems zu schützen und abzugrenzen. Als Freiberufler hat er dazu das Recht – und gleichzeitig die Pflicht. Dazu zählt dann auch – und das mag mitunter schwerfallen – in den entscheidenden Momenten „Nein, danke!“ zu sagen. Alles andere wäre unverantwortlich.
INFO
Sagenhafter Aufstieg
Groupon ist nach eigener Aussage der wichtigste Social-Shopping-Anbieter im Internet. Weltweit arbeiten über 9 000 Mitarbeiter für den „Dealer“ von Rabattgutscheinen. Von Berlin aus werden die IT und das Online-Marketing für aktuell 45 Länder gesteuert.
Erfunden wurde Groupon im Jahr 2008 von dem jetzt 30-jährigen Amerikaner Anrew Mason. Er kombinierte den Firmennamen aus den Wörtern „Group“ (Gruppe) und „Coupon“ (Gutschein). Im Dezember 2010 scheiterte Google mit einem Übernahmeangebot von sechs Milliarden Dollar. Das Magazin „Forbes“ bezeichnete Groupon als das am schnellsten wachsende Unternehmen, seit es das Internet gibt.
INFO
Urteile
Diese Urteile wurden in der jüngeren Vergangenheit gefällt (Auswahl).
Der Tenor lautete: Das Anbieten von kostenfreien oder rabattierten ärztlichen beziehungsweise zahnärztlichen Leistungen ist unzulässig.
• Landgericht Bonn, Urteil vom 21.04.2011; AZ: 14 O 184/10
• Landgericht Berlin, Urteil vom 07.09.2010; AZ: 103 O 80/10