Die klinisch-ethische Falldiskussion

HIV-positiver Gatte und nichts ahnende Ehefrau

Heftarchiv Zahnmedizin
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Dominik Groß
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Ralf Vollmuth
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Daniëlle van Rijt
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Robert Sader
In diesem Fall geht es um die Entscheidung einer Zahnärztin zwischen Einhalten der Schweigepflicht versus Garantenstellung bei einem HIV-positiven Patienten und seiner nichts ahnenden Ehefrau.

Der Fallbericht:

EG, ein 35-jähriger Patient, konsultiert zum ersten Mal die Sprechstunde von Zahnärztin Dr. KM. Er kommt auf Empfehlung seiner 31-jährigen Ehefrau DG, die seit vielen Jahren Patientin bei KM ist. KM nimmt die Erstuntersuchung vor und stellt rasch fest, dass EG unter einer massiven Parodontitis leidet. Zudem diagnostiziert sie eine leichte Candidiasis im Bereich des hinteren Gaumens und multiple (den Angaben des Patienten zufolge rezidivierend auftretende) Aphthen. Die Zahnärztin erstellt einen Behandlungsplan, der unter anderem eine systematische PAR-Behandlung mit einzelnen parodontalchirurgischen Maßnahmen vorsieht. Da EG den Anamnesebogen nur unvollständig ausgefüllt hat, geht KM den Bogen Punkt für Punkt durch, um die Angaben zu komplettieren. Bei der Frage nach einer möglichen HIV- oder Hepatitis-Infektion weicht EG aus. KM bohrt nach und verweist auf die Tatsache, dass derartige Angaben besonders wichtig seien, wenn – wie im vorliegenden Fall – eine „blutige“ Behandlung geplant sei. Daraufhin gibt EG an, HIV-positiv zu sein. Aus dem weiteren Gesprächsverlauf ergibt sich, dass seine Ehefrau von der Infektion keine Kenntnis hat und dass er seine Partnerin der Gefahr aussetzt, sich anzustecken. Auch glaubt sich die Zahnärztin zu erinnern, dass ihr die Ehefrau anlässlich eines früheren Behandlungstermins berichtete, die „Familienplanung“ noch nicht abgeschlossen zu haben.

KM ist besorgt und verunsichert: Wie weit reicht die (zahn)ärztliche Schweigepflicht? Darf oder soll sie die Ehefrau, für deren gesundheitliches Wohlergehen sie sich ebenfalls zuständig fühlt, über den HIV-Status ihres Mannes aufklären oder soll sie stattdessen auf den Mann einwirken? Kann sie das bestehende Dilemma vielleicht überwinden, wenn sie der Ehefrau einen anonymen Brief schreibt? Oder handelt es sich letztlich um eine private Angelegenheit zwischen zwei Menschen, in die sich eine Zahnärztin nicht einmischen sollte?

Dominik Groß

Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik GroßInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin Universitätsklinikum der RWTH AachenWendlingweg 2D-52074 Aachen

gte-med-sekr@ukaachen.deProf. Dr. med. Dr. med. dent. Robert SaderUniversität FrankfurtDirektor der MKG-ChirurgieTheodor-Stern-Kai 760596 Frankfurt

R.Sader@em.uni-frankfurt.de

Prof. Dr. med. dent. Ralf Vollmuth

Oberfeldarzt – Leiter Zahnarztgruppe Fachsanitätszentrum Hammelburg

Rommelstr. 31

97762 Hammelburg

dr.ralf.vollmuth@t-online.de

Dr. med. dent. Peter WeißhauptLaventiestr. 258640 Iserlohn-SümmernRA Peter KnüpperHauptgeschäftsführerBayerische LandeszahnärztekammerFallstr. 3481369 Münchenknuepper@blzk.de

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