Prävention per Social Media

Twittern für gesunde Zähne

Susanne Theisen
Premiere bei der American Dental Association (ADA): Per Twitter informierte sie über das Thema Zahn- und Mundgesundheit bei Kindern. Obwohl die Teilnehmerzahl überschaubar war, will die Organisation die Aktion fortsetzen.

„Viele Menschen besorgen sich ihre Informationen über Twitter. Weil die Bedeutung der Plattform kontinuierlich wächst, haben wir angefangen, den Dienst zu nutzen und werden unsere Präsenz dort in Zukunft weiter ausbauen“, sagt Dr. Jonathan Shenkin im Interview mit den zm. Der Kinderzahnarzt aus Augusta im US-Bundesstaat Maine war einer der beiden ADA-Ansprechpartner bei der zweistündigen Aktion „Chat-n- Chomp“ („Plaudern und Kauen“) am 28. Februar. Realisiert wurde die Aktion in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsportal Sharecare.com anlässlich des nationalen Monats der Zahn- und Mundgesundheit bei Kindern.

Fachlicher Rat schrumpft auf 140 Zeichen

Vor dem Chat hatten weder Shenkin noch die zweite ADA-Expertin, Dr. Mary Hayes, Twitter je aktiv genutzt. „Wir waren ziemlich nervös bei dem Gedanken, Fragen live beantworten zu müssen“, erzählt Shenkin. Das Lampenfieber der beiden wurde noch dadurch verstärkt, dass die sogenannten Tweets, also die Beiträge auf Twitter, maximal 140 Zeichen lang sein dürfen. Auf so  engem Raum fachliche Empfehlungen in Übereinstimmung mit den wissenschaftlichen Richtlinien der ADA zu formulieren, empfanden die beiden Experten für Kinderzahnheilkunde als große Herausforderung.

Während des Chats stellte sich aber schnell heraus, dass die begrenzte Zeichenzahl kein Problem war, berichtet Shenkin. Größtenteils seien unkomplizierte Fragen gestellt worden. Ein Beispiel: „Dürfen Kinder eine Mundspülung benutzen?“ Seine Antwort: „Die ADA empfiehlt, dass Kinder erst ab sechs Jahren eine Mundspülung mit Fluorid benutzen. Vorher schlucken sie diese zu oft herunter.“ Weitere Tweets widmeten sich Fragen wie: Schadet zuviel Obst den Zähnen? Wie bereitet man Kinder auf den Zahnarztbesuch vor? Oder: Wie oft sollte man die Zahnbürste wechseln? Ein Teilnehmer erkundigte sich nach Tipps für die Zahnpflege bei Autismus. Shenkins Empfehlung: „Meine Erfahrung ist: Seien Sie geduldig und geben Sie Ihrem Kind Zeit, sich an die Zahnpflege zu gewöhnen.“

Testlauf lockt 25 Nutzer

Um trotz der Zeichenbegrenzung ausführlich auf komplexe Themen eingehen zu können, fügten Hayes und Shenkin ihren Tweets bei Bedarf Links hinzu, die die Teilnehmer auf Infoblätter auf der ADA-Website  weiterleiteten. „Trotzdem gab es Fragen, die wir nicht beantworten konnten – oder wollten“, berichtet Shenkin. Eine Mutter habe sich beispielsweise wegen einer Zahnverfärbung ihres Kindes an die ADA-Experten gewandt. „Wenn man sich einen so speziellen Fall nicht persönlich anschauen kann, ist eine Diagnose unmöglich“, erklärt Shenkin. „Wir haben der Mutter deswegen empfohlen, einen Zahnarzt aufzusuchen.“

Insgesamt nutzten bei der Auftakt-Veranstaltung des Twitterchats 25 Internetnutzer die Gelegenheit, Fragen zu stellen – eine überschaubare Anzahl. Das dachte auch Shenkin, der vor dem Chat befürchtet hatte, nicht schnell genug antworten zu können. Die geringe Beteiligung empfindet er im Nachhinein betrachtet darum als Vorteil: „Die ADA und ich hatten bisher noch keine Erfahrung mit Twitter. Die konnten wir so in Ruhe machen.“ Außerdem hofft der Kinderzahnarzt auf den Multiplikatoreffekt von Twitter. Denn Nutzer, die einen Beitrag retweeten (wiederholen und weiterverbreiten), machen ihn dadurch auch für Menschen sichtbar, die nicht persönlich an „Chat-n-Chomp“ teilgenommen haben, aber generell die Tweets des jeweiligen Nutzers lesen.

Für zukünftige Twitterchats will die ADA die Werbetrommel jedoch auf jeden Fall noch stärker rühren, sagt Shenkin: „Wie man das am besten anstellt, müssen wir erst noch lernen. Vielleicht gelingt es uns ja auch, einen Prominenten als Paten für die Aktion zu gewinnen.“

Von der Kommunikation über Social-Media-Kanäle wie Twitter oder Facebook erhofft sich Shenkin allgemein eine Verbesserung des Wissens über Zahn- und Mundgesundheit in der US-Bevölkerung. Damit ist es seiner Aussage nach bisher nicht weit her. In seiner Praxis höre er von Eltern immer wieder, dass ihnen niemand   gesagt habe, wann ihre Kinder anfangen sollen, Zahnpasta zu benutzen oder zum Zahnarzt zu gehen. Ein Artikel in der New York Times vom 6. März 2012 mit dem Thema Karies bei Kindern und grundlegende Aspekte der Mundhygiene habe landesweit großes Aufsehen erregt, berichtet Shenkin. „Deshalb ist es wichtig, die Menschen kontinuierlich für unsere Themen zu sensibilisieren.“

Gegner verzichten auf Kritik im Netz

Für die ADA sind Soziale Netzwerke noch ein relativ unbekanntes Territorium. Die Organisation pflegt zwar einen Twitter- Account für Nachrichten und hat auch eine Facebook-Seite, letztere ist aber nicht aktiv, das heißt, Außenstehende können sie nicht zur Kommunikation mit der ADA nutzen. „Die ganze Idee, Social Media in die Verbandsarbeit einzubinden, ist für die ADA noch fremd. Wir versuchen, den Vorsprung der Industrie und anderer Organisationen aufzuholen, die diese Medien schon länger intensiv nutzen“,  erklärt  Shenkin.

Obendrein seien vor dem Twitterchat die Risiken der Aktion sehr genau abgewogen worden. Innerhalb der Organisation gab es vor allem die Sorge, dass der Chat von Kritikern der ADA sabotiert werden könnte. Shenkin: „In den USA gibt es zum Beispiel sehr viele Gegner der Fluoridisierung. Wir haben uns gefragt: Was ist, wenn sie sich zusammenschließen und uns mit Tweets, die gar nichts mit dem Thema Kinderzahnheilkunde zu tun haben,bombardieren?“ Trotz aller Bedenken wurde die Aktion schließlich umgesetzt – und war aus Shenkins Sicht ein voller Erfolg.

Die Erfahrung, Informationen mit der Öffentlichkeit per Twitter zu teilen, empfand der Kinderzahnarzt als „bereichernd und wiederholenswert“ – ohne die Risiken darüber zu vergessen. „Natürlich kann es auch bei zukünftigen Aktionen passieren, dass Leute die evidenzbasierte Wissenschaft, die wir vertreten und verbreiten, angreifen“, sagt er. „Dass sie sich auf diese Art einmischen, wäre sicherlich ärgerlich. Aber so ist Twitter eben – es ist eine Unterhaltung.“

Susanne Theisen

Freie Journalistin in Berlin

info@susanne-theisen.de

INFO

Die ADA

Die American Dental Association, kurz ADA, wurde im Jahr 1859 gegründet. Mit 156 000 Mitgliedern ist sie heute die führende zahnärztliche Organisation in den USA. An ihrer Spitze stehen das 473 Mitglieder umfassende House of Delegates und das 17 Mitglieder starke Board of Trustees, dem unter anderem der Präsident und die beiden Vizepräsidenten der ADA angehören. Die Organisation erstellt fachliche Richtlinien und setzt sich dafür ein, die Zahngesundheit der Bevölkerung zu verbessern. Zu diesem Zweck verleiht sie unter anderem das „ADA Seal of Acceptance“ an geprüfte zahnmedizinische Produkte wie Zahnpasta oder Mundspülung.

• ADA im Internet

www.ada.org

• Twitter Chat der ADA

www.twitter.com/Amerdentalassn(Tweets vom 28. Februar)

• Dr. Jonathan Shenkin auf Twitter

www.twitter.com/jshenkin

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