Die klinisch-ethische Falldiskussion

Insuffiziente Füllungstherapie und Fragen der „Good Practice“

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Dominik Groß
Dieser Fall thematisiert die Frage der Grenzen kollegialen Verhaltens angesichts insuffizienter Maßnahmen des Vorbehandlers. Konkret geht es um die Bewertung mehrerer (vermeintlich versiegelter) kariöser Molaren bei einer an Juveniler Idiopathischer Arthritis erkrankten Patientin.

Der Fallbericht:

Die 13-jährige AK leidet an Juveniler Idiopathischer Arthritis (JIA), wobei unter anderem auch das linke Kiefergelenk betroffen ist. Die Mundöffnung zeigt eine Deflektion zur kranken Seite.

Die engagierte Mutter von AK fährt mit ihrer Tochter regelmäßig ins 500 Kilometer entfernte Garmisch-Partenkirchen, wo die Behandlung der JIA erfolgt. Dort wird auch eine funktionskieferorthopädische Behandlung von AK angeregt, die wohnortnah beim Kieferorthopäden durchgeführt werden soll.

Der Kieferorthopäde Dr. GS, der AK untersucht, weist auf die zahlreichen kariösen Stellen an allen Molaren hin, zum Teil auch sichtbar auf dem Panoramaröntgenbild. Die Mutter von AK reagiert irritiert und meint, das könne gar nicht sein, denn die Molaren seien „alle versiegelt“. Sie zieht ein Blatt Papier aus ihrer Handtasche, die Kopie eines Beipackzettels, auf dem ein Flouridtouchierungsmaterial fälschlicherweise als „Versiegelungsmaterial“ beschrieben wird. Diesen Zettel habe ihr der Zahnarzt vor ein paar Monaten mitgegeben – zusammen mit dem Hinweis, es handele sich um einen „unsichtbaren Versiegelungslack“, der von anderen nicht gesehen werden könne. Sie versichert, sie habe volles Vertrauen zu ihrem Zahnarzt.

Der Kieferorthopäde weiß nicht, wie er sich verhalten soll: Soll er der Mutter und der Patientin seine ehrliche fachliche Einschätzung zum Sachverhalt mitteilen oder würde er den Hauszahnarzt damit bloßstellen? Soll er den Hausarzt kontaktieren, ihn auf die kariösen Läsionen ansprechen und einen Konflikt oder den Vorwurf mangelnder Kollegialität riskieren? Kann er bei dieser Ausgangslage überhaupt das Vertrauen der Mutter gewinnen? Und würde es überhaupt – fachlich sowie ethisch – zu verantworten sein, mit Rücksicht auf den Wunsch der Mutter und das fachliche „Ansehen“ des Hauszahnarztes eine kieferorthopädische Behandlung zu beginnen, wenn gleichzeitig an den Molaren unversorgte, zum Teil tiefe kariöse Defekte belassen werden?

Brigitte Utzig

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik GroßInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinUniversitätsklinikum der RWTH AachenWendlingweg 252074 Aachen

gte-med-sekr@ukaachen.de

Dr. med. dent. Brigitte UtzigSaarbrücker Str. 6366901 Schönenberg-Kübelberg

Dr. med. dent. Paul SchmittLiederbacher Str. 1765929 Frankfurt

dr.paul_schmitt@web.de

Dr. med. dent. Hans-Otto BermannJoachimstr. 5440547 DüsseldorfMedizinpresse@t-online.de

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Literaturverzeichnis

Beauchamp TL, Childress JF: Principles of biomedical ethics. Oxford Univ. Press, New York 2009

CMD-Therapie: Nachlese zur 2. Kieler Kinder-CMD-Konferenz, März 2010, www.openpr.de/drucken/417557/Nachlese-zur-2-Kieler-KinderCMD-Konferenz.de [04.07.2011]

Seeck N, Köneke A: Kieferorthopädische Aspekte der juvenilen idiopathischen Arthritis. Kind Radiol 7, 23, 24–28 (2010)

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