Neuer EU-Gesundheitskommissar

Der konservative Karrierist

Tonio Borg ist der neue EU-Kommissar für Gesundheit. Er tritt die Nachfolge seines maltesischen Landsmanns John Dalli an, der im Oktober nach Korruptionsvorwürfen zurückgetreten war. Doch auch der neue Mann ist alles andere als unumstritten.

Der 1957 geborene Borg widmete sich früh der Politik. Bereits mit 17 Jahren trat er in die konservative, christdemokratische „Nationalist Party“ ein. Deren Jugendorganisation vertrat er Mitte der 1980er-Jahre in der Jugendsektion der „Europäischen Volkspartei“ (EVP), der auch die „Junge Union“ angehört. Seinen Weg auf die europäische Ebene fand Borg also schon relativ jung.

Sein Rechtswissenschaftsstudium an der „University of Malta“ schloss er 1979 mit der Promotion ab und spezialisierte sich als Rechtsanwalt anschließend auf Menschenrechte. 1990 wurde er in das „Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe“ berufen.

Seitdem kannte seine politische Karriere nur noch eine Richtung: nach oben. Zum ersten Mal ins maltesische Parlament zog Borg 1992 ein, 1995 folgte die erste Berufung in die Regierung – als Innenminister. Ab 2003 bekleidete er zusätzlich das Amt des Justizministers. Fünf Jahre später wurde er Stellvertretender Premierminister und Außenamtschef.

Vorgänger unter Verdacht

Im November wurde Borg für die Nachfolge seines Landsmanns John Dalli im Amt des EU-Gesundheitskommissars nominiert. Dalli hatte das Amt im Oktober wegen Korruptionsvorwürfen aufgegeben. Laut der europäischen Anti-Betrugsbehörde „Olaf“ hat der Malteser vom Angebot eines Geschäftsmanns an das schwedische Tabakunternehmen Swedish Match gewusst, gegen Geld die EU-Tabakgesetzgebung zu beeinflussen. Konkret ging es um die europaweite Zulassung des schwedischen Lutschtabaks Snus. Nach Erkenntnis von Olaf tat Dalli aber nichts gegen das Angebot. Der wiederum sprach von einem Komplott der Tabakindustrie gegen ihn.

Das Amt ist also vorbelastet. Dazu bringt Borg eigene Probleme mit. Sein größtes war die heftige Kritik aus dem Europäischen Parlament an seiner Nominierung. Sie entzündete sich an den konservativen Ansichten des 55-Jährigen. Grüne, Linke und Liberale warfen Borg schwulen- und frauenfeindliche Äußerungen in der Vergangenheit vor und Stimmung gegen Schwangerschaftsabbrüche und Scheidungen gemacht zu haben.

In einer Anhörung vor Abgeordneten der Ausschüsse für Landwirtschaft, Umwelt und Binnenmarkt erklärte Borg laut „Handelsblatt“, seine „persönlichen Ansichten nicht aufgeben“ zu wollen. Allerdings versicherte er, „nie abschätzige Bemerkungen über Homosexuelle gemacht“ zu haben und das europäische Recht uneingeschränkt zu respektieren. Zudem gab er schriftliche Erklärungen ab, die Grundrechtecharta und die Rechte sexueller Minderheiten zu achten.

Wahl mit Vorbehalt

Im Endeffekt wurde Borg dann auch von den EU-Instanzen, dem Rat und dem Parlament, bestätigt. Im Parlament stimmten 386 für den Malteser, 281 gegen ihn und 28 enthielten sich der Stimme. Nach der Kritik kam dieses deutliche Votum überraschend. Konservative Europapolitiker beeilten sich dann auch, Borg zu stärken. Als „schallende Ohrfeige für Linke und Liberale“ bezeichnete der EVP-Abgeordnete Peter Liese das Abstimmungsergebnis. „Wir freuen uns, dass sich die Vernunft in diesem Hause gegenüber der Intoleranz scheinheiliger Ideologen durchgesetzt hat“, ergänzte Lieses Parteifreund Herbert Reul. Bei den europäischen Grünen gibt es nach den Worten der Fraktionsvorsitzenden Rebecca Harms und Daniel Cohn-Bendit „weiterhin ernsthafte Vorbehalte gegenüber seiner Ernennung“. Der 55-Jährige habe es nicht geschafft, Bedenken bezüglich weltanschaulicher Über- zeugungen auszuräumen. Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Liberalen im Europaparlament, Hannes Krahmer, bleibt „Borg der falsche Mann am falschen Ort“.

Allerdings scheint er aus den Fehlern seines Vorgängers zu lernen: Seine „allererste Priorität“ als Gesundheitskommissar werde darin bestehen, „schleunigst einen ehrgeizigen Gesetzesvorschlag zu Tabakprodukten zu verabschieden“, wird Borg vom „Handelsblatt“ zitiert. eb

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