Aids-Jahresbericht der UN

Hoffen und Bangen

Heftarchiv Gesellschaft
Die Vereinten Nationen feiern in ihrem Aids-Jahresbericht die Erfolge im Kampf gegen die Krankheit als den Beginn einer „neuen Ära der Hoffnung“. Während in den Entwicklungs- und Schwellenländern der Fortschritt tatsächlich positiv stimmt, gibt es in den Industrienationen Rückschläge.

2,5 Millionen Menschen haben sich 2011 laut des UN-Programms zur Aids-Bekämpfung (UNAids) neu mit dem Aids-Erreger HIV infiziert. Das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent gegenüber 2001. „Die Geschwindigkeit des Fortschritts beschleunigt sich – wofür man früher ein Jahrzehnt gebraucht hat, das wird jetzt in 24 Monaten erreicht“, sagte UNAids-Direktor Michel Sidibé bei der Vorstellung des Berichts in Genf.

Für Staaten, die besonders stark unter HIV/Aids gelitten haben, gibt es tatsächlich die im Report so stark betonte Hoffnung.

Die Armen haben Erfolg ...

In 25 Entwicklungs- und Schwellenländern sank die Infektionsrate durchschnittlich um 50 Prozent. Mehr als die Hälfte dieser Staaten liegt in Afrika, der am meisten von Aids betroffenen Region der Welt. In Malawi beispielsweise gab es 73 Prozent weniger Neuinfektionen als noch 2001. In Namibia sank die Rate um 58, in Südafrika um 41 Prozent.

Im Subsahara-Afrika gibt es aber nicht nur Fortschritte bei der Prävention. Die Aids- bezogenen Todesfälle sind in den vergan-genen sechs Jahren um ein Drittel zurückgegangen. Die Zahl der Menschen mit Zugang zu antiretroviralen Therapien ist seit 2009 um 59 Prozent gestiegen. „Die Erfolge kommen immer schneller“, erklärte Sidibé. „Das ist der Beweis, dass wir mit politischem Willen und Durchhaltevermögen unsere gemeinsamen Ziele für 2015 erreichen können.“ Nach Vorstellung der UN sollen bis dahin weltweit die Zahl der HIV-Neuinfektionen halbiert und die Ansteckung von Kindern ganz verhindert werden.

Laut den Virologen Prof. Bernhard Fleckenstein und Dr. Angela Nagel von der Universität Erlangen-Nürnberg konnten die Erfolge in Afrika vor allem durch groß angelegte Aufklärungs- und Präventionskampagnen sowie durch eine bessere medikamentöse Versorgung der betroffenen Bevölkerung erreicht werden. Nach Ansicht der Wissenschaftler dürfe aber „ungeachtet aller Erfolge die Gefahr einer weiteren weltweiten Verbreitung von HIV nicht unterschätzt werden“.

Überraschenderweise geben gerade aktuelle Zahlen aus den Industrienationen, die allein wegen ihrer finanziellen Möglichkeiten HIV/Aids effektiv bekämpfen könnten, den Virologen recht.

... die Reichen nicht (mehr)

In Deutschland liegt die Zahl der HIV-Infizierten bei 78 000 und damit auf einem Rekordniveau. Bis zum Ende des Jahres rechnet das Robert Koch-Institut (RKI) mit 3 400 Neuinfektionen für 2012. Insgesamt 50 000 Menschen bekommen eine anti-retrovirale Therapie. Das heißt: 28 000 Infizierte sind unbehandelt. Die Hälfte von ihnen braucht nach RKI-Angaben noch keine Therapie oder verzichtet wegen der teilweise schweren Nebenwirkungen darauf. Die anderen 14 000 wissen nicht, dass sie das Virus in sich tragen und können deshalb im schlimmsten Fall unwissentlich weitere Menschen an- stecken. „Diese Zahlen unterstreichen, dass die Anstrengungen zur Vermeidung von Infektionen weiterhin hohe Priorität und eine ausreichende Finanzierung erfordern“, erklärte RKI-Präsident Reinhard Burger.

In Russland hat sich in den vergangenen fünf Jahren die Zahl der HIV-Infizierten nach offiziellen Angaben von 370 000 auf nun 703 000 fast verdoppelt. Allein in diesem Jahr ist die Zahl im Vergleich zum Vorjahr um fünf Prozent (62 000 Fälle) gestiegen.

Fleckenstein und Nagel verweisen darauf, dass sich die Epidemie in weiteren Regionen der Welt drastisch ausbreitet. In Nordafrika und dem Nahen Osten gab es 2011 im Vergleich zu 2001 insgesamt 35 Prozent mehr Menschen, die sich mit der Immunschwächekrankheit angesteckt haben. In einigen Ländern Osteuropas und Zentralasiens ist die Zahl der Neuinfektionen innerhalb desselben Zeitraums um mehr als ein Viertel gestiegen. „Die HIV-Infektion ist und bleibt eine der größten gesundheitlichen Bedrohungen unserer Zeit“, urteilen die Virologen. eb

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