Bundesregierung

Krebsvorsorge per Gesetz

Angesichts steigender Erkrankungszahlen forderte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) schon länger wirksamere Maßnahmen gegen Krebs. Nun hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen. Doch helfen die geplante Ausweitung von Vorsorgeuntersuchungen und die Vereinheitlichung von Krebsregistern wirklich bei der Eindämmung einer der tödlichsten Volkskrankheiten?

„Mit den vorgelegten Regelungen werden richtungsweisende strukturelle Maßnahmen zur Verbesserung der Krebsfrüherkennung und der Qualität in der onkologischen Versorgung auf den Weg gebracht“, glaubt Bahr. Diese Schritte seien notwendig, da Deutschland angesichts des demografischen Wandels vor wachsenden Herausforderungen in der Krebsbekämpfung stehe.

Denn Krebs ist nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache hierzulande. Im Jahr 2010 starben nach Angaben des Statistischen Bundesamts knapp 219 000 Menschen an Krebs. Bei Männern waren bösartige Neubildungen der Verdauungsorgane beziehungsweise der Atmungsorgane die häufigste Todesursache. Frauen starben am häufigsten an Brustkrebs und ebenfalls an bösartigen Neubildungen der Verdauungsorgane.

Bessere Früherkennung

Angesichts einer stetig steigenden Zahl von Krebsneuerkrankungen sah sich Bahr zum Handeln gezwungen. Basierend auf dem Nationalen Krebsplan von 2008 wurde im Bundesgesundheitsministerium (BMG) ein Gesetzentwurf erarbeitet, der effektivere Maßnahmen zur Krebsbekämpfung bieten soll. Nach dem Kabinett müssen noch Bundestag und Bundesrat zustimmen. Das Inkrafttreten des Gesetzes ist für Anfang kommenden Jahres angepeilt.

„Eine Krebsfrüherkennung, die dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht, und eine Qualitätssicherung der onkologischen Versorgung durch klinische Krebsregister sind unverzichtbar, um bei der Bekämpfung von Krebserkrankungen weitere Fortschritte zu erzielen“, fasst der Ressortchef die bei-den zentralen Punkte des Gesetzentwurfs zusammen. Nach BMG-Angaben wird das bestehende Krebsfrüherkennungsangebot nur unzureichend wahrgenommen. Damit mehr Menschen zur Vorsorge gehen, sollen laut Gesetzentwurf die Bürger künftig persönlich zur Früherkennung eingeladen werden. Sie sollen regelmäßig Briefe zu Darm- und Gebärmutterhalskrebs-Untersuchungen erhalten. Bereits heute werden 50- bis 69-jährige Frauen alle zwei Jahre zur Brustkrebsvorsorge eingeladen. Kostenschätzungen für die Briefaktion schwanken zwischen 23 und 66 Millionen Euro. Zudem werden die Vorsorgeprogramme auf ihre Qualität und ihre Wirksamkeit hin überprüft. Im Ministerium hofft man, dass durch die Maßnahmen die Sterblichkeit und die Häufigkeit von Krebserkrankungen gesenkt werden können. Die weiteren Details soll der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen erarbeiten.

Als zweiten Schwerpunkt sollen die unterschiedlichen klinischen Krebsregister vereinheitlicht werden. Dabei geht es vor allem um die Erfassung der Daten. Um Lücken zu schließen, werden die Länder zudem angehalten, flächendeckend solche Register einzurichten. In ihnen sollen die Therapiedaten der Patienten von der Diagnose über die Behandlung bis zur Nachsorge erfasst werden. Da die Krebsregister der Qualitätssicherung dienen, werden sie zukünftig vor allem aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert.

Vergebene Chance

Allerdings ist der Nutzen von Früherkennungsuntersuchungen umstritten. Der Test auf Blut im Stuhl sei nicht sehr valide, sagte Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender. Wird Blut entdeckt, folgt in der Regel eine Darmspiegelung, wobei es dabei in drei von 1000 Fällen schwere Komplikationen gebe. Bender fordert deshalb mehr Studien zur Nutzenbewertung der einzelnen Vorsorgeschritte. Für die Sozialdemokraten ist Bahrs Vorhaben unzureichend. „Die Daten stehen nur Wissenschaftlern und der Politik zur Verfügung, aber nicht der allgemeinen Bevölkerung“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der Deutschen Presse-Agentur. „Die Menschen wollen wissen: Wie hoch ist das Krebsrisiko in einer bestimmten Region – etwa in der Nähe einer Chemiefabrik? Wie sind die Ergebnisse in den Kliniken?“ Nach Aussagen des Gesundheitsministers sollen die Daten aber durchaus der breiten Bevölkerung zur Verfügung stehen.

Auch innerhalb der Regierungskoalition aus Union und FDP rumort es. Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) fordert ein größeres Mitspracherecht der Bundesländer bei den Registern: „Die Länder müssen stärker beteiligt werden.“

Wertvoller Beitrag

Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg bewertete den Gesetzentwurf als „grundsätzlich sehr positiv“. „Endlich wurde eine gesetzliche Grundlage geschaffen“, erklärte Nikolaus Becker, Leiter des am Zentrum angesiedelten epidemiologischen Krebsregisters Baden-Württemberg. Allerdings sollten die Daten der Register auch der Forschung zur Verfügung stehen. Einige Krankenkassen stehen Bahrs Vor- haben ebenfalls positiv gegenüber. „Die Einführung von klinischen Krebsregistern ist medizinisch sinnvoll – Krebsregister leisten einen wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der onkologischen Versorgung“, sagte die Vorsitzende des Verbands der Ersatzkassen, Ulrike Elsner. Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen begrüßt die flächendeckende Einführung der Register, da die bestehenden Strukturen intransparent seien. Abgelehnt wird hingegen die angedachte Finanzierung durch die GKV. Für solche versicherungsfremden Leistungen zu zahlen, sei nicht Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, hieß es beim BKK Bundesverband. eb

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