Gastkommentar

Danaergeschenk

Das Patientenrechtegesetz läuft trotz der Erfolgsmeldungen der Gesetzgeber Gefahr, sich als wenig nützliches Instrument für alle Beteiligten zu erweisen, meint Hans Glatzl, dgd-Redakteur Vincentz-Network, Berlin.

Kommt Zeit, kommt Rat? Von wegen! Es hat lange gedauert, aber jetzt ist es soweit. Das Patientenrechtegesetz ist am 26. Februar 2013 in Kraft getreten. Umtost von lauten Jubelrufen und vom Eigenlob seiner Macher. „Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz ein deutliches Signal für die Rechte der Patientinnen und Patienten gesetzt“, kommentierte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger überschwänglich das Inkrafttreten, während das Bundesgesundheits- ministerium stolz verkündet, damit „die Position der Patientinnen und Patienten gegenüber Leistungserbringern und Krankenkassen“ gestärkt zu haben. Wirklich?

Richtig ist: Patienten bekommen auf dem Papier mehr Rechte eingeräumt, etwa bei Behandlungsfehlern der Ärzte. Doch was bedeutet das für den Alltag in einer Zahnarztpraxis?

Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung kennt die Mehrzahl der Patienten ihre Rechte gar nicht. Daran wird auch die Zusammenfassung im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, §§ 630a-630h) nichts ändern. Die Diskussion um Therapiepläne zwischen Patient und Zahnarzt „auf Augenhöhe“, so wie sie Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr vorschwebt, wird es allein dadurch nicht geben. Ein Aufklärungsgespräch über den Behandlungsablauf, mögliche Risiken, Alternativen und Kosten gehört lege artis dazu. Jeder Zahnarzt führt es, ohne dass es dazu in der Vergangenheit des gesetzgeberischen Zeigefingers bedurfte.

Die hochgelobte Neuerung zur Beweislastumkehr entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Politiker-Popanz und gebiert ein Bürokratiemonster namens Behandlungsvertrag. Zumindest für die Juristenzunft bringt das ein einträgliches Zusatzgeschäft. Selbst wenn Patienten jetzt ein unbedingtes Einsichtnahmerecht in ihre Patientenakte eingeräumt wird, hat der Normalmensch davon nichts, weil er wohl kaum der Sprache dieser Dossiers mächtig ist und dazu eines Übersetzers bedarf. In der Praxis wird dieser Aufwand nur dann betrieben, wenn das Arzt-Patienten-Verhältnis zerrüttet und der Weg zum Gericht aus welchen Gründen auch immer bereits eingeschlagen ist. Zu Recht merken Kritiker deshalb an, mit dem neuen Patientenrechtegesetz habe sich praktisch nichts geändert. Weder für den Patienten noch für den Zahnarzt. Im Gegenteil! Dieses Danaergeschenk ist dazu geeignet, das für jede Arzt-Patienten-Beziehung notwendige Vertrauen zu zerstören, Misstrauen zu säen und einen Kontrollwahn auszulösen. Es kostet Zeit, Geld und Nerven. Nach wie vor muss – ausgenommen bei gravierenden, also offensichtlichen Behandlungsfehlern – der Patient beweisen, dass seinem Arzt ein Fehler unterlaufen ist. Dies ist jedoch ohne entsprechende fachlich medizinische Unterstützung sehr schwierig und oft ein langer teuer Weg durch die Instanzen.

Gesamtgesellschaftlich betrachtet ist dieses Gesetz ein weiterer Schritt weg von der persönlichen Verantwortung hin zu einem anonymen und damit unmenschlichen Überwachungssystem. Der Staat mischt sich ohne Kompetenz und tatsächliche Hilfsmöglichkeit in ein Vertrauensverhältnis ein, das von Ethik und persönlicher Nähe geprägt ist. Dieses tiefsitzende Misstrauen der organisierten Gesellschaft gegenüber dem Individuum, verbrämt mit dem Mäntelchen der staatlichen Fürsorge, ist der eigentliche Skandal. Aber der Vertrieb von trojanischen Pferden hat Konjunktur – im deutschen Gesundheitswesen mehr als anderswo.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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