Ärztetag 2013

Auch nach der Wahl dual

Das Parlament der Ärzteschaft hat sich in diesem Jahr in Hannover versammelt. Im Zentrum der Debatten standen Fragen zur Honorierung, zu den beruflichen Rahmenbedingungen, zur Aus- und Weiterbildung und zum ärztlichen Werteverständnis. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) und Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery plädierten mit Blick auf die Reform des Gesundheitssystems für einen „reformierten Dualismus“. Das Modell „Bürgerversicherung“ lehnten beide ab.

Die Delegierten hatten einen dicke Agenda: Los ging es mit Fragen zur Honorierung. Die Politik wurde aufgefordert, die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auf Grundlage der von der Ärzteschaft geleisteten Vorarbeiten ohne weitere zeitliche Verzögerung umzusetzen. „Als Übergangslösung muss ein Inflationsausgleich geschaffen werden“, forderte das Ärzteparlament.

Ambulante Weiterbildung soll gestärkt werden

Ein weiterer Punkt: die Stärkung der ambulanten Weiterbildung. Diese sollte sich, in ihrer Struktur flexibel, an den Erfordernissen des jeweiligen Fachgebiets beziehungsweise Schwerpunkts orientieren. Inhaltliche Anforderungen, wie etwa das Kennenlernen von Krankheitsverläufen, sollen in den Vordergrund gerückt werden. Mit Blick auf die anstehende Überarbeitung der (Muster-) Weiterbildungsordnung (MWBO) betonte das Ärzteparlament in seinem Beschluss, dass sich die für die ambulante Versorgung relevanten Weiterbildungsinhalte ausdrücklich in der MWBO wiederfinden müssten. Sie sollten – wo sinnvoll und notwendig – in den definierten Kompetenzblöcken der MWBO aufgegriffen werden.

Die Arbeitgeber im Gesundheitswesen wurden aufgefordert, arbeitszeitkompatible und arbeitsplatznahe Betreuungseinrichtungen für die Kinder ihrer Mitarbeiter zu schaffen. Die Mitarbeiter im Gesundheitswesen seien in besonderem Maße auf solche Einrichtungen angewiesen, begründete das Ärzteparlament seinen Beschluss. Das deutsche Gesundheitssystem könne es sich nicht leisten, dass hoch qualifizierte ärztliche und andere Mitarbeiter mangels adäquater Kinderbetreuung nicht ihrer Tätigkeit nachgehen könnten.

Ärzte werben für den Organspendeausweis

„Organspende verdient Vertrauen, weil wir klar und eindeutig sehen, dass die von Selbstverwaltung und Gesetzgeber nach dem Transplantationsskandal ergriffenen Maßnahmen für mehr Kontrolle und Transparenz bei der Organvergabe greifen. Wir haben das Mehraugenprinzip bei der Anmeldung von Wartelisten-Patienten eingeführt und die Befugnisse unserer Prüfungs- und Überwachungskommission erheblich ausgeweitet. Wir haben in den Kommissionen sehr erfahrene Prüfer, die die Abläufe in allen Transplantationszentren in Deutschland systematisch kontrollieren und Manipulationen aufdecken können. Tausende Patienten verdanken ihr Überleben der Transplantationsmedizin und der Bereitschaft von Menschen, Organe zu spenden. Diesen Menschen kann ich mit gutem Gewissen sagen: Nie war die Transplan- tationsmedizin sicherer als heute“, so Montgomery.

In der Debatte über die Vergabe von Spenderorganen haben die Grünen der Regierung und der Bundesärztekammer dagegen Schönfärberei vorgeworfen. „Die Ärzteschaft und der Gesundheitsminister wollen mit ihrem Schulterschluss über die strukturellen Anfälligkeiten des Systems hinwegtäuschen“, sagte die Grünen-Gesundheitsexpertin Elisabeth Scharfenberg der dpa.

Kriterien zur Vergabe von Studienplätzen prüfen

Das Ärzteparlament hat darüber hinausgehend die Kultusministerkonferenz aufgefordert, die Kriterien für die Vergabe von Studienplätzen zu überprüfen. Bei der Vergabe sei den Merkmalen soziale Kompetenz und Engagement im medizinischen Bereich ein noch höherer Stellenwert zu geben, als dies bisher der Fall sei. In Zeiten des drohenden und im ländlichen Bereich schon existierenden Ärztemangels führe die Vergabe von Studienplätzen nur über die Abiturnote dazu, dass viele für den Arztberuf interessierte junge Menschen keinen Studienplatz erhielten, so das Ärzteparlament. Geeignete Instrumente zur Auswahl der Medizinstudenten sollten in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern entwickelt werden.

Die Delegierten haben die Politik zudem aufgefordert, eine adäquate medizinische Versorgung für Migranten ohne ausreichenden Versicherungsschutz sicherzustellen. Derzeit gebe es bei der Behandlung dieser Bevölkerungsgruppe noch große Probleme. Für die behandelnden Ärzte entstünden sowohl ethische als auch rechtliche Konflikte, etwa wenn bestimmte Therapien aus Versicherungsgründen nicht durchgeführt werden können oder wenn die ärztliche Schweigepflicht bei Hilfegesuchen gegenüber Dritten verletzt wird. Oft gingen Migranten aber auch aus Angst vor einer Meldung bei der Ausländerbehörde selbst bei dringendem Behandlungsbedarf nicht zum Arzt.

Ärzte fordern ein Tabakwerbeverbot

Passend zum Weltnichtrauchertag sprachen sich die Delegierten am 31. Mai für ein umfassendes Tabakwerbeverbot in Deutschland aus. „Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg zu bringen und damit die im Jahr 2004 mit der Ratifizierung des „Rahmenübereinkommens der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung des Tabakrauchs“ (FCTC) eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen“, heißt es in dem Beschluss, der vom Ärzteparlament einstimmig verabschiedet wurde. Inzwischen sei zwar europaweit eine grenzüberschreitende Tabakwerbung untersagt, Deutschland sei aber das einzige Land in der EU, dass Außenwerbung für Tabakprodukte weiter erlaube.

Weiterbildungsordnung für Ärzte wird überarbeitet

Ein weiteres Ergebnis aus Hannover: Die (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO) soll überarbeitet werden. Der 116. Deutsche Ärztetag in Hannover hat die Bundesärztekammer und die Landesärztekammern beauftragt, die vorgelegten Vorschläge für die Überarbeitung der MWBO der Berufsverbände und Fachgesellschaften noch im laufenden Jahr in einem Konvergenzverfahren zu beraten. Eine beschlussreife Novelle der (Muster-)Weiterbildungsordnung soll dann dem Ärztetag 2014 vorgelegt werden.

Schließlich plädierte das Parlament dafür, die gesundheitliche Förderung von sozialbenachteiligten Menschen zu stärken. „Es ist eine Schande, dass die Lebenserwartung in unserem reichen Land schichtenabhängig immer noch um zehn Jahre differiert“, sagte Montgomery. „Allein lösen können wir das Problem aber nicht. Wir brauchen frühzeitige Hilfe durch Sozialarbeiter, Kindererzieher und Lehrer. Dies bedingt einen Wandel zum Beispiel in der Jugend- und Bildungspolitik und in der kommunalen Jugendbetreuung“, so Montgomery.

Info

Menschen statt Margen

Prof. Giovanni Maio, Direktor des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Uni Freiburg warnte das Parlament der Deutschen Ärzte in seinem Referat „Wieviel Markt verträgt die Medizin?“ abermals vor Ökonomisierungstendenzen in der Medizin (siehe dazu auch die Titelgeschichte in zm 1/2012).

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