Rechtsanspruch Kitaplatz

Chance auf Mundgesundheit von Anfang an – jein

Vom 1. August 2013 an haben Eltern einen Rechtsanspruch auf eine Betreuung ihrer ein- und zweijährigen Kinder. Dies kann in einer Kita oder bei einer öffentlich geförderten Tagesmutter geschehen. Bettina Berg, DAJ-Geschäftsführerin, beleuchtet die gesetzliche Neuregelung aus Sicht der Gruppenprophylaxe.

Bund, Länder und Kommunen haben daher in den vergangenen Jahren enorme Anstrengungen zum Ausbau der Plätze unternommen. Stolz vermeldete Bundesfamilienministerin Kristina Schröder am 11. Juli Vollzug – mehr als 800 000 neu geschaffene Betreuungsplätze für die Kleinsten würden den errechneten Bedarf von bundesweit 39 Prozent rechtzeitig decken.

Gruppenprophylaxe (GP) in der Kita, wie sie bundesweit und nahezu flächendeckend durch die regionalen Arbeitsgemeinschaften für Jugendzahnpflege angeboten wird, ist ein wesentlicher Beitrag zur mundgesundheitlichen Chancengleichheit für alle Kinder. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. (DAJ) hat mit ihrer im Sommer 2012 veröffentlichten Empfehlung „Frühkindliche Karies: Zentrale Inhalte der Gruppenprophylaxe für unter Dreijährige“ eine Grundlage für den Ausbau der GP-Maßnahmen für diese Altersgruppe geschaffen, die sich bei allen handelnden Akteuren breiter Akzeptanz erfreut. Wesentliche Inhalte sind Kernbotschaften für die Elternarbeit und die Gestaltung eines mundgesundheitsförderlichen Kita-Alltags. Alles prima also – gut und zahngesund betreute Kleinkinder allerorten?

So gemischt die öffentliche Resonanz auf die Erfolgsmeldung der Familienministerin ausfiel, so gemischt stellen sich auch die Erfahrungen der DAJ-Mitgliedsorganisationen mit der Umsetzung der Empfehlung nach einem Jahr dar. Im Rahmen der DAJ-Mit-gliederversammlung am 26. Juni 2013 in Köln zogen die Vertreter eine erste Zwischenbilanz: Zwar war aus allen Landesarbeitsgemeinschaften Positives und Innovatives zu vermelden – pädagogische Konzepte für die Arbeit mit den Kleinsten, Erzieherinnen-Schulungen, neue Ansätze der Elternarbeit in Bring- und Abholsituationen, verpflichtende Verankerung des täglichen Zähneputzens durch örtliche Kitaträger sind hier nur einige erfreuliche Stichworte aus dem Alltag der Gruppenprophylaxe vor Ort. Die gesetzlichen Krankenkassen, die die Gruppenprophylaxe vor Ort finanzieren, sind in der Regel bereit, auf die geänderten Bedarfe zu reagieren und finanzieren das verstärkte Engagement für die Kleinsten, so die Rückmeldungen.

Doch auch von Hemmnissen wurde berichtet, die die kritischen Stimmen an dem rasanten Ausbau des Betreuungsangebots aus dem Blickwinkel der Gruppenprophylaxe gut illustrieren. Zahlreiche Organisationen haben in den vergangenen Tagen öffentlich auf gravierende Probleme hingewiesen: Kirchliche Trägerverbände berichteten von Engpässen durch eine Überbelegung der Gruppen, Platzsharing und flexible Betreuungszeiten, die zulasten der Qualität gingen. Der Deutsche Städtetag beklagte – gerade in westdeutschen Großstädten, wo weit höhere Betreuungskapazitäten als im Durchschnitt nachgefragt und bereitgestellt werden müssen – den Mangel an ausgebildeten Erzieherinnen. Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes konstatierte einen massiven Qualitätsverlust durch den „atemberaubenden“ Ausbau und forderte gar ein Bundesgesetz, das Vorgaben zu Personalschlüssel und Qualität macht.

Überlastetes Personal und mangelnde Ausstattung

Für die Gruppenprophylaxe bedeuten die angesprochenen strukturellen Probleme mancherorts beispielsweise, dass es schwieriger geworden ist, überlastetes Personal „auch noch“ für die Mundgesundheit zu gewinnen. Räumliche Enge durch Platz für neue Gruppen und eine mangelnde Sanitärausstattung erschweren das tägliche Putzen.

In offenen Gruppen entfällt das gemeinsame „zahngesunde“ Frühstück. Fachfremde Kräfte müssen stetig von Neuem für die Mundgesundheit sensibilisiert werden. Die DAJ-interne Diskussion machte deutlich, dass die Schwierigkeiten nicht gleichmäßig verteilt und nicht „hausgemacht“ sind, sondern eng an die strukturellen Probleme des Ausbaus geknüpft sind und insbesondere da entstehen, wo Quantität einseitig zulasten der Betreuungsqualität geht.

Die Gruppenprophylaxe wird auf diese Situation – die in den kommenden Jahren angespannt bleiben wird – reagieren müssen. Etwa mit noch besseren pädagogischen Angeboten, die die Kitas in ihren Bemühungen um Betreuungsqualität unterstützen und die Kita-Leiterinnen für die Mundgesundheit einnehmen. Und auch mit pragmatischen Konzepten für das tägliche Putzen, die schon mit den Kleinen im Alltag umzusetzen sind. Auf Bundesebene kämpft die DAJ dafür, die Inhalte der Empfehlung zur Prävention frühkindlicher Karies in interdisziplinären Curricula und Handlungsempfehlungen zu verankern, beispielsweise in dem derzeit durch das Bundesfamilienministerium geförderten „Curriculum Gesundheitsförderung für Kinder unter drei Jahren in Tagesbetreuung“. Gleichermaßen sollte aber auch immer wieder öffentlich darauf hingewiesen werden, dass Gesundheitsbildung und -förderung kein Luxus, sondern ein wesentlicher Auftrag (früh-) kindlicher Bildung überhaupt ist.

Bettina BergGeschäftsführerinDeutsche Arbeitsgemeinschaft fürJugendzahnpflege e.V. (DAJ)Bornheimer Str. 35a53111 Bonn

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