Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

Vorsicht mit voreiligen Schlüssen zum Bundestagswahlkampf: Der Eindruck, mancher Spitzenkandidat habe sich schon beim Frühjahrs-Warmlaufen weit vor dem Finale im Herbst so heftig ramponiert, dass er fürs Schaulaufen im Spätsommer keine Kraft mehr hat, wäre zu kurz gedacht. Erfahrungsgemäß befassen sich die Wähler mit den Parteien ihrer Wahl erst in der heißen Wahlkampfphase intensiver. Bis dahin bleibt die Wahlstatistik in Bewegung.

Was zurzeit stattfindet, fällt – trotz zum Teil kirmeshafter Lautstärke – in die Kategorie „subkutane“ Einstimmung. Wer also glaubt, „noch mehr Peer“ ginge nicht, unterschätzt die demokratische Tradition und vor allem das Lagerdenken der Wähler.

Letztlich werden die Sonntagsumfragen jenseits aller noch so heftig gefühlten Patzer der Kandidaten im Laufe der kommenden Wochen und Monate zeigen, ob und wie spannend der Bundestagswahlkampf noch werden kann. Die hiesige Demokratie funktioniert – trotz Kanzlerbonus – nicht via Personenkult – auch wenn die Spitzenkandidaten der Parteien es gerne so hätten.

Gefährlich ist aber auch der Umkehrschluss, das aktuelle politische Geschehen sei nur oberflächliches und bedeutungsloses Geplänkel. Denn im Gesundheitswesen passiert aktuell das Gegenteil: Dass Deutschlands gesetzliche Krankenversicherer mithilfe von wissenschaftlich gerechneten Szenarien laut über die Abschaffung des dualen Systems nachdenken, darf die Fachöffentlichkeit nicht kalt lassen. Hier geht es um die Qualität der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland.

Angesichts der 2012 angesparten GKV-Speckringe mag vereinzelt die Meinung herrschen, auf ein paar Milliarden mehr oder weniger komme es nicht an. Das macht aber gesundheitspolitisches Terrain nicht zum willfährigen Abenteuerspielplatz. Wer an Rutschbahnen arbeitet, die die Finanzierung weg von den privaten hin zu den gesetzlichen Versicherern führen, fordert einen radikalen Umbau. Das ist erklärtes Ziel einzelner GKV-Versicherer. Diejenigen, die dem etwas entgegensetzen, beispielsweise die Heilberufe, werden korrumpiert und kriminalisiert. Das scheint opportune Taktik zu sein.

Dabei hilft auch nicht der erklärte Zusatz, nicht alle Ärzte und Zahnärzte seien so. Bis diese öffentlich etablierten Vorwürfe merklich entkräftet sind, ist die Wahlkampfkarawane längst weitergezogen.

Aber das Wahlkampf-Gepolter Richtung Bürgerversicherung hat grundsätzliche Bedeutung für die medizinische und zahnmedizinische Versorgung. Wer meint, die Vereinheitlichung der Finanzierungssysteme gleicht systemisch festgestellte Mängel aus, der träumt. Rutschbahneffekte von den Privaten zu den Gesetzlichen lassen kurzfristig die Kassen klingeln, der Versorgung wird – Modellszenarien hin oder her – auf diese Weise das Wasser abgegraben.

Mit freundlichen Grüßen

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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