Zwischen Aktie und Anleihe

Riskante Genüsse

sg
Genussscheine und Genussrechte stehen derzeit wegen der Prokon-Pleite im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Viele dieser Anlage-Wertpapiere versprechen höhere Renditen als Staatsanleihen und Festgeldkonten. Übersehen wird dabei häufig das damit verbundene Risiko und die mangelnde Transparenz dieser Papiere, die zum sogenannten Grauen Kapitalmarkt gehören. Auf ihm tummeln sich seriöse, aber auch weniger vertrauensvolle Anbieter.

Es hörte sich alles so gut an: die Umwelt schützen, Erneuerbare Energien fördern und zur Belohnung acht Prozent Zinsen kassieren. Rund 75 000 Sparer investierten im guten Glauben rund 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte des Windkraftbetreibers Prokon. Warnungen von Anlegerschützern bei Finanztest und den Verbraucherzentralen schlugen sie buchstäblich in den Wind. Nun hat Prokon Insolvenz angemeldet und es ist längst nicht klar, ob die enttäuschten Anleger auch nur einen Teil ihres Geldes wiedersehen werden.

Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen bei der Verbraucherzentrale Bundesverband, wundert sich nicht: „Die Menschen haben sich von der Werbung mitreißen lassen. Doch meiner Meinung nach sind diese Produkte nicht für den normalen Sparer geeignet.“ Mohn verlangt ein Verbot des aktiven Vertriebs an Privatanleger von kaum regulierten Produkten des sogenannten Kapital-Graumarkts wie Genussrechten sowie eine materielle Kontrolle dieses Wirtschaftsbereichs durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).

Zur Erklärung: Der Graue Kapitalmarkt ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass er eben nicht der staatlichen Finanzaufsicht oder ähnlichen Regulierungen unterliegt, aber im Gegensatz zum „Schwarzen“ Markt keine illegalen, weil erlaubnispflichtigen Geschäfte ohne Genehmigung der Regulierungsbehörde betreibt. Deshalb begrüßt Mohn die Forderung von Justizminister Heiko Maas nach mehr Transparenz.

Mehr Regulierung tut Not

Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble will den Grauen Kapitalmarkt mehr regulieren. Die BaFin hat er aufgefordert, entsprechende Vorschläge auszuarbeiten. Bislang durfte die Aufsichtsbehörde in solchen Fällen nicht eingreifen. Denn die „Windpapiere“ von Prokon etwa gehören nicht zu den genehmigungspflichtigen Geldanlagen. So lange nichts geschieht, haben die Emittenten weitgehend freie Hand bei der Ausgestaltung dieser Papiere.

Bei Genussrechten handelt es sich streng genommen um einen Vertrag, mit dem sich der Anleger verpflichtet, dem Emittenten je nach Vertragsbedingung befristet oder unbefristet Kapital zur Verfügung zu stellen. Dafür zahlt der Emittent entsprechend der Vereinbarung Zinsen an den Anleger. Deren Höhe kann festgeschrieben oder variabel sein. Werden die Genussrechte verbrieft, heißen sie Genussscheine und können an der Börse gehandelt werden.

Wie bei einer Anleihe legt der Emittent einen Zins fest, der deutlich über dem Niveau von Sparanlagen liegt. Das ist die Belohnung dafür, dass der Anleger mit dem Erwerb des Genussrechts ein besonderes Risiko eingeht. Denn die Auszahlung der Ausschüttung hängt vom wirtschaftlichen Erfolg des Emittenten ab. Macht er Verluste, kann die Ausschüttung von Anleihen, anders als bei der Zinszahlung, ausfallen.

Anleger ohne Recht auf Mitsprache

Darin ähnelt das Papier einer Aktie, bei der die Dividendenzahlung auch nicht sicher ist, sondern von der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens abhängt. Aber anders als bei Aktien hat der Genussscheininhaber kein Mitspracherecht. Sogar das Kapital, das eigentlich am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden soll, kann gesenkt werden, wenn die Geschäfte nicht so gut laufen.

Geht es dem Unternehmen wieder besser, muss es das Kapital wieder erhöhen und die Zinsen nachzahlen, jedenfalls bis zum Ende der Laufzeit. Dauert die Krise länger, wird nichts nachgezahlt, und der Inhaber des Genussscheins verliert vielleicht sogar seinen kompletten Einsatz. Genussscheine sind nachrangige Papiere. Das bedeutet im Insolvenzfall, dass die Inhaber der Genüsse erst nach den Besitzern von Anleihen ihr Geld bekommen, falls dann noch etwas aus der Verfügungsmasse da ist.

Seit etwa drei Jahren führt die Stiftung Warentest Prokon auf der schwarzen Liste unseriöser Geldanlagen. Die Kunden störte das nicht, sie haben die Genüsse bis zum Schluss gekauft. In diesen Niedrigzinszeiten greifen die Sparer begierig nach verlockenden Hochzinsangeboten. Dr. Achim Tiffe, auf Finanzfragen spezialisierter Verbraucheranwalt in Hamburg, kennt sich aus: „Prokon ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Anleger müssen besser geschützt werden.“

So schlägt er beispielsweise vor, dass die Kunden eine gesonderte Erklärung unterschreiben, die belegt, dass sie eine Grenze überschreiten wollen, um Risiken wie Totalverlust und fehlende Einlagensicherung eingehen zu können. So war das Verfahren, dem sich Spekulanten bei Börsentermingeschäften unterziehen mussten. Diese Vorschrift fiel der Liberalisierung des Finanzmarkts Ende der Neunzigerjahre zum Opfer. Zusätzlich fordert er, dass nur dann Vermittler diese Papiere vertreiben dürfen, wenn sie die Kunden beraten und über eine ausreichende Vermögenshaftpflichtversicherung verfügen und somit bei Falschberatung in die Pflicht genommen werden können.

Viele Wenns und Abers zu bedenken

Verbraucherschützerin Mohn stimmt diesen Vorschlägen im Prinzip zu, möchte aber die Banken nicht mit einer Unterschrift aus der Haftung entlassen. Sie freut sich, dass die Bundesregierung jetzt auf die Forderungen des Bundesverbands eingehen will. Grundsätzlich ist sie der Meinung, dass „diese Papiere nicht an jedermann verkauft werden dürfen. Doch Selbstentscheider, die sich über die Risiken im Klaren sind, sollten weiterhin Zugang haben.“

Dieser Meinung ist auch Christof Lützel, Sprecher der GLS Bank: „Es wäre fatal, wenn Genussrechte verboten würden. Die Förderung der Erneuerbaren Energien funktioniert nicht ohne Risikokapital.“

Seiner Meinung nach sollten auch pri-vate Anleger weiterhin die Gelegenheit haben, sich an Windkraft- oder Solarprojekten zu beteiligen. Für deren Finanzierung setzte die GLS Bank in der Vergangenheit neben stillen Beteiligungen auch auf Genussrechte und will es in Zukunft auch wieder tun. „Bislang hat noch kein Anleger Geld verloren, auch wenn es mal nicht so optimal gelaufen ist. Wir klären die Kunden umfassend über die Risiken auf. Wir verkaufen diese Papiere ausschließlich an Kunden, bei denen wir davon überzeugt sind, dass sie sich über die Risiken im Klaren sind“, versichert Lützel.

Öko-Projekte für die Umwelt

Auch die Umweltbank hat die Genussrechte auf ihrer Angebotsliste und finanziert derzeit nach eigenen Angaben damit rund 15 400 Umweltprojekte von Erneuerbaren Energien bis zu Ökohäusern. Bei der Bank können zwei verschiedene Arten von Genussrechten erworben werden: Sogenannte Projekt-Genussrechte und UmweltBank-Genussrechte. Eine Beteiligung ist in der Regel ab 2 500 Euro möglich.

Mit dem Erwerb eines Genussrechts stellen Anleger einem Emittenten befristet oder unbefristet Kapital zur Verfügung. Im Gegenzug erhält der Anleger die Zusage von jährlichen Zinszahlungen.

Mit dem Kauf eines Projekt-Genussscheins beziehungsweise einer Projektanleihe beteiligt sich der Anleger direkt an ausgewählten Umweltprojekten. Der Anlagebetrag dient in der Regel als nachrangiges Fremdkapital zur Finanzierung konkreter Projekte wie Windparks oder Solaranlagen.

Mit dem Erwerb eines UmweltBank-Genussrechts hingegen, beteiligt sich der Anleger an der Entwicklung der Bank selbst. Genussrechte stärken so direkt das Eigenkapital der Bank und unterstützen deren Wachstum. Die UmweltBank bietet laufend Neuemissionen, an denen sich interessierte Anleger beteiligen können. Diese Genussrechte können börsentäglich über die Bank gehandelt werden.

Börsennotierte Anlagen wählen

Werden Genussscheine an der Börse gehandelt, fällt es leichter, sie wieder zu verkaufen. Dort sind Genussscheine gelistet, die unter anderem auch von großen deutschen Unternehmen ausgegeben werden. Dazu gehört zum Beispiel ein Papier der Commerzbank mit einem Nominalzins von 4,70 Prozent und einer Laufzeit bis 2020. Unbegrenzt läuft der Schein, den Bertelsmann ausgibt und für den der Medienkonzern 15 Prozent Zinsen zahlt. Die erste Kündigungsmöglichkeit ist am 30. Juni 2017. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Jahre. Die Basis für die Zinszahlung ist die sogenannte Gesamtkapitalrendite. Sie gibt an, wie effizient das Kapital eingesetzt wurde. Legt man die Kündigung am 30. Juni 2017 zugrunde, liegt die Rendite derzeit bei 4,65 Prozent.

Ebenfalls ohne Ablaufdatum ist der Genussschein von Volkswagen. Die Autohersteller zahlen aber nur 3,875 Prozent. Bezogen auf die erste Kündigungsmöglichkeit am 4. September 2018 liegt hier die Rendite bei 3,66 Prozent.

Wer sich für Genussscheine entscheidet, sollte börsennotierte Papiere bevorzugen. Zwar schützt die Notierung nicht vor Insolvenz, aber der Anleger bekommt mehr Informationen und Transparenz.

An der Stuttgarter Börse werden die meisten Genussscheine gehandelt. Auf deren Homepage gibt es zudem ausführliche Informationen über diese Art des Wertpapiers, jeder Genussschein wird mit allen Informationen vorgestellt.

Sachkunde zahlt sich aus

Wichtig ist, sich vor dem Kauf genügend Angaben über das emittierende Unternehmen sowie die Bedingungen zum Papier zu beschaffen. Das Geschäftsmodell sollte Erfolg versprechend, der Schuldner also möglichst erstklassig sein. In den Bedingungen zum Genussschein steht, unter welchen Voraussetzungen beispielsweise die Zinsen nicht gezahlt werden, Kapital herabgesetzt und später nachgezahlt wird.

Genussscheine versprechen zwar höhere Renditen als Fest- oder Tagesgeld, bergen aber auch immer das Risiko des Total- verlusts. GLS-Sprecher Lützel meint: „Für viele Anleger sind Genussrechte und -scheine nicht geeignet. Wer viel Geld zur Verfügung hat, einen Teil davon als Spielgeld einsetzen kann und genau weiß, worauf er sich einlässt, für den sind diese Papiere vielleicht das Richtige.“

Bei Prokon wussten die meisten wohl nicht, worauf sie sich eingelassen haben. Markus Feck, Rechtsanwalt und bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen für die Geldanlage zuständig, sagt: „Ich bin trotzdem kein Freund von Verboten. Man kann die Leute schützen, indem das Produkt vor der Emission gründlich von Fachleuten geprüft wird. Die Verbraucher sollten diese Informationen vor dem Kauf lesen und sich dann fragen, ob diese Investition für sie sinnvoll ist.“

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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