Literaturrecherche zum Image der Zahnmedizin

Der ideale Zahnarzt

200405-flexible-1900
Dieser Artikel folgt dem Beitrag „Der eigene ist der beste“ aus der vergangenen Ausgabe (zm 18/2014). Die Autoren liefern mit ihrem Blick in die Literatur Studienergebnisse zur Erwartungshaltung des Patienten, zur Verantwortung, zur Praxisführung oder auch zum Vertrauensverhältnis. Aus diesen Bausteinen lässt sich das Idealbild des modernen Zahnarztes zusammensetzen.

Bereits anfangs der 1960er-Jahre haben Kriesberg und Treiman nach den wichtigsten Kriterien geforscht, die einen guten Zahnarzt ausmachen, nämlich

• die Qualität der Behandlung,

• die Persönlichkeit des Zahnarztes,

• die Fähigkeit mit Patienten umzugehen,

• die professionellen Fertigkeiten,

• möglichst schmerzfreie Therapien und

• das Honorar [Cohen, 1978].

Weitere Studien wollten in Erfahrung bringen, was die Patienten an ihrem Zahnarzt am meisten schätzen. Insbesondere die zwischenmenschlichen Fähigkeiten und die Professionalität wurden erwähnt, bei denen der Zahnarzt Respekt für die Gefühle seiner Patienten haben muss und freundlich, offen und ehrlich sein soll [Gerbert et al., 1994; Yamalik, 2005b]. Patienten bevorzugen weiter Zahnärzte, die ihnen die Behandlung

vollumfänglich erklären und die Kooperation

fördern [Rankin Harris, 1985]. Laut diesen Studien beurteilen die Patienten die Zahnmedizin eher aufgrund ihrer eigenen persönlichen Erfahrung. Weniger wichtig scheinen demgegenüber die Zahnarztarbeit zu sein, der Mangel an zahnärztlichem Fachpersonal oder die Geschicklichkeit des Zahnarztes [Cohen, 1978].

Schumann zeigte in diesem Sinn, dass 85 Prozent des Erfolgs auf Menschenkenntnisse zurückzuführen sind und lediglich 15 Prozent auf technischen Fertigkeiten basieren [Schumann, 2006]. Empathie zeigen und sich um das Patientenwohl kümmern führen somit zu einem wesentlichen Erfolg [Korsch et al., 1971; Corah et al., 1988].

Eine amerikanische Umfrage bei 483 Zahnärzten forschte nach den idealen Eigenschaften eines Zahnarztes und nach deren Wichtigkeit. Die wichtigsten Eigenschaften waren

• professionelle Kompetenzen,

• universelle Vorsichtsmaßnahmen,

• lebenslange Fortbildung,

• möglichst schmerzlose Behandlungen,

• Patienten beruhigen können und

• freundlich zu Patienten sein.

In einem zweiten Schritt mussten die Zahnmediziner sich selber bewerten, was zu einem ähnlichen Ergebnis führte, außer dass Zahnärzte sich selbst etwas weniger gut einstuften, als das Idealbild des Zahnarzt es sehen würde [Gerbert et al., 1994].

Gründe für die Berufswahl

Wenn man sich mit dem Image der Zahnmedizin in der Literatur auseinandersetzt, kann man auch Angaben darüber finden, wer diesen Beruf auswählt und weshalb. Die einzelnen Gründe, Zahnmedizin zu studieren, sind,

• dass es sich dabei um einen interessanten Beruf handelt,

• dass man Menschen hilft,

• dass man mit seinen eigenen Händen arbeitet,

• dass man im Gesundheitswesen tätig ist,

• dass man eine sichere Arbeitsstelle hat,

• dass man selbstständig arbeitet,

• wegen des hohen Status,

• wegen der guten Bezahlung und

• weil ein Freund oder Verwandter es einem empfohlen hat [Stewart et al., 2004].

Der Beruf der Verwandten spielt bei der Berufswahl eine nicht vernachlässigbare Rolle, da 45 Prozent der befragten Zahnmedizinstudenten angaben, einen Zahnarzt oder Arzt in ihrer Verwandtschaft zu haben, was ihre Berufswahl beeinflusste. Auch das hohe Ansehen, das die Zahnmedizin in der Bevölkerung genießt, motiviert signifikant mehr Zahnmedizinstudenten (64 Prozent der Befragten) als Zahnmedizinstudentinnen (57 Prozent), diesen Beruf zu wählen [Stewart et al., 2004].

Soziale Verantwortung

Der Zahnarzt hat sowohl eine ethische als auch eine soziale Verantwortung, einem Patienten die Schmerzen in der Mundhöhle zu nehmen und präventive Maßnahmen zum Erhalt der Mundgesundheit zu empfehlen. Alle weiteren Eingriffe liegen prinzipiell im Gutdünken des Zahnarztes [Dharamsi et al., 2007]. Vergleichsweise müssen andere Berufspersonen, wie beispielsweise der Priester, alle Gemeindemitglieder annehmen, oder der Lehrer, alle Schüler akzeptieren, unabhängig davon, aus welchem sozialen Hintergrund diese stammen. Der Arzt behandelt Betrunkene, Arbeitslose oder auch arme Menschen. Der Zahnarzt hingegen kann letztendlich selbst entscheiden, wen er in seinen Patientenkreis aufnehmen will [Dharamsi et al., 2007].

Der Staat hat der Zahnmedizin bestimmte Privilegien erteilt, da die Zahnärzte selber festlegen können, was eine gute und verantwortungsvolle Zahnmedizin ist [Maio, 2009]. Dies geschieht, indem die Zahnmedizin die Verantwortung der Selbstregulierung und Selbstbestimmung der Qualitätssicherung übernimmt [O’Toole, 2006]. Letzteres beruht wiederum darauf, dass der Staat davon ausgeht, dass der Zahnmediziner sein Wissen und seine Fertigkeiten dazu einsetzt, das Patientenwohl zu fördern [Dharamsi et al., 2007]. Im Gegenzug für seine Privilegien hat der Zahnarzt auch die moralische Verpflichtung, die Bereitstellung und Förderung der Mundgesundheit für alle Menschen zu gewährleisten, unabhängig davon, ob sie die Behandlungen bezahlen können oder nicht. Wie dies konkret in der Praxis aussehen soll, ist jedoch unklar. Ebenso ist man sich im Allgemeinen nicht darüber einig, ob diese Verpflichtung überhaupt existiert [O’Toole, 2006].

Herausforderung Praxisführung

Neben der zahnärztlichen Arbeit am Patienten ist die Aufgabe der Praxisführung eine große Herausforderung für jeden Zahnarzt. Einerseits soll er genaue und universell zugängliche Behandlungen anbieten, andererseits wird er durch die finanziellen Ressourcen seiner Praxis eingeschränkt. Er ist sowohl ein Gesundheitsanbieter als auch eine Geschäftsperson und kann daher großen Spannungen ausgesetzt sein [Dharamsi et al., 2007]. Laut Christensen ist die Zahnmedizin in unserer Gesellschaft zu sehr zu einem Geschäft geworden und das zum Teil auf Kosten der Berufsethik [Christensen, 2002]. Dharamsi schreibt sogar, dass die Zahnmedizin ein Geschäft sei, in dem reiche Patienten bevorzugt werden. In den Qualitätsleitlinien der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft (SSO) wurde 1999 festgehalten, dass man in der Zahnmedizin von einem Markt sprechen kann und dass dies einerseits störend ist, aber andererseits auch der Wirklichkeit entspricht. Immer mehr Patienten äußern sich zu Wunschbehandlungen. Das Konsumentendenken habe längst Einzug in die Zahnmedizin gefunden [siehe SSO-Qualitätsleitlinien in der Zahnmedizin, 2005]. Ein gewisser Sinn für ethische Entscheide zur Behandlung sei zwar vorhanden, aber die Zahnmedizin werde trotzdem durch Marktregeln beherrscht und die Behandlung werde durch das diktiert, was profitabel sei [Dharamsi et al., 2007].

Dharamsi schlägt öffentlichen Gesundheitsgemeinschaften oft vor, dass Zahnärzte aus einer sozialen Verantwortung heraus bei armen Menschen kostenlose Behandlungen durchzuführen hätten. Ein Studienteilnehmer empfand es jedoch als unfair, wenn Zahnmediziner aufgefordert werden, ihre Dienstleistungen zu verschenken, wenn gleichzeitig kein anderer Beruf kollektiv dazu aufgerufen wird. Er sei auch bereit, mittellose Menschen zu behandeln, aber nur gegen eine Gegenleistung, etwa eine Autoreparatur, denn zahlungsschwache Patienten sollten auch immer eine gewisse Verantwortung übernehmen müssen [Dharamsi et al., 2007].

Schlussendlich muss der Zahnarzt wirtschaftlich denken und Profit machen, um überleben zu können. Aus diesem Grund muss der Zahnmediziner auch Zeit in den geschäftlichen Teil seiner Praxis investieren [Schumann, 2006]. Ein Zahnarzt, der insolvent wird, ist prinzipiell keine Hilfe für das Gesundheitswesen und die Gesellschaft.

Der finanzielle Aspekt

Der finanzielle Aspekt spielt für das Image der Zahnmedizin eine tragende Rolle. Bereits im Jahr 1972 ergab eine in Deutschland durchgeführte Meinungsumfrage, dass rund ein Drittel (36 Prozent) der Befragten, die Zahnarztrechnung als zu hoch empfinden. 54 Prozent empfanden sie als angemessen und 2 Prozent als zu niedrig. Laut der Publikumsumfrage der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO im Jahre 1980 nannten 62 Prozent der Befragten einen hohen Verdienst des Zahnarztes als eine seiner Eigenschaften. Auch wenn heute nur rund 44 Prozent dieser Ansicht sind, bleibt es nach seiner Intelligenz die zweithäufigste Eigenschaft, die mit dem Zahnarzt in Verbindung gebracht wird [Barras et al., 2010].

Der Zahnarztberuf wird auch als einer der Berufe angesehen, der aufgrund seines hohen Einkommens gewählt wird [Dharamsi et al., 2007]. Auch haben Berichte, die ein höheres Einkommen des Zahnarztes im Vergleich zum Arzt ausweisen, ihren Weg in die Medien, beispielsweise in das Wall Street Journal oder in die NY Times, gefunden [Waldman Perlman, 2008]. Ein zentraler Punkt ist es daher, den Patienten über die Behandlungskosten zu informieren und sich abzusichern, dass für die Wahl der therapeutischen Maßnahmen die eigenen kommerziellen Interessen in den Hintergrund gestellt werden [Yamalik, 2005b]. Zudem sollte bei der Diskussion von Behandlungsvarianten der Unterschied zwischen notwendigen und elektiven Eingriffen klargemacht werden, damit der Patient die Entscheidungsfreiheit beibehalten kann [Christensen, 2001; Christensen, 2002].

Es kann nun immer wieder vorkommen, dass ein Patient den Preis im Vergleich zur Behandlung als zu hoch empfindet. In der Folge sollte nach Wright nicht in erster Linie der Preis vermindert, sondern umgekehrt der Wert der Behandlung in den Augen des Patienten erhöht werden. Erreicht wird dies, indem die zahnmedizinischen Probleme etwa anhand von Dentalbefunden, Parodontalstaten, Röntgenbildern, Modellen oder klinischen Fotos erklärt werden. Auch sollte man dem Patienten die Vorteile näherbringen, die er durch die anstehende Therapie erwarten kann. Anderseits kann man dem Patient auch schildern, welche Therapie mit seinem Budget möglich ist. Letztendlich, so Wright, könne dem Patienten weiter erklärt werden, wie er durch präventive Maßnahmen in Zukunft auch Geld sparen kann [Wright, 2000].

Beziehung zum Patienten

Die Zahnarzt-Patienten-Beziehung setzt sich aus zwei Hauptkomponenten zusammen, nämlich dem Heilungs- und dem Fürsorgesystem [Mataki, 2000]. Beim Heilungssystem geht es darum, dass der Patient das Verlangen hat, informiert zu werden und zu verstehen, welche Behandlung geplant ist. Der Zahnarzt seinerseits stellt die Diagnose, behandelt den Patienten und überzeugt ihn von der Wirksamkeit des Eingriffs. Beim Fürsorgesystem will der Patient das Gefühl haben, dass er vom Zahnarzt verstanden wird und dass er ihn genügend kennt. Dabei ist es wichtig, wie der Behandler mit dem Patienten umgeht. Er muss ihm das Gefühl geben, dass er für ihn Zeit hat, sich für ihn interessiert und ihm sein Wohl wichtig ist. Dabei kommt sowohl die verbale als auch die non-verbale Kommunikation zum Tragen. Dadurch spürt der Patient, ob der Zahnarzt ihm gegenüber besorgt oder distanziert ist, sich freundlich oder abgeneigt verhält und ob er das Gefühl hat, ihm gleichgestellt oder überlegen zu sein [Mataki, 2000].

Da der Patient die technischen Aspekte der Behandlung nicht gut abschätzen kann, spielt die gefühlsmäßige Wahrnehmung eine sehr maßgebende Rolle. Er reagiert emotional auf den medizinischen Eingriff, weil er ein beschränktes Fachwissen besitzt. Da er zudem in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seinem Zahnarzt steht, ist er auf dessen Fachwissen, technische Fähigkeiten und medizinische Beurteilung angewiesen. Seine emotionale Antwort darauf äußert sich in Ungewissheit und Angst vor der Therapie [Mataki, 2000].

Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Zufriedenheit des Patienten stark mit der Perzeption der Qualität der Zahnarzt-Patienten-Beziehung korreliert [Speedling Rose, 1985; Mataki, 2000].

Die Art und Weise, wie der Patient den Zahnarzt wahrnimmt, beeinflusst letztendlich auch das Einverständnis zur Behandlung [Corah et al., 1985; Corah et al., 1988; Gale et al., 1984]. Auch wenn der Zahnmediziner in der Regel auf keinen weiteren Spezialisten angewiesen ist, sollte der Patient nicht vergessen werden. Er bevorzugt es, aktiv an der Behandlung teilzunehmen, Informationen zu sammeln, seine Bedenken mitzuteilen und sich zu Behandlungspräferenzen zu äußern [Mataki, 2000].

Nebst diesen positiven Eigenschaften, die das Zahnarzt-Patienten-Verhältnis stärken können, erfordert diese Beziehung auch mit Patientenbeschwerden umgehen zu können und Fehler nicht zu verstecken, sondern sie dem Patienten mitzuteilen [Yamalik, 2005b]. Auch das Wohlbefinden des Zahnarztes sollte nicht außer Acht gelassen werden. Das Gefühl, als Zahnarzt respektiert zu werden und einen Prestigejob zu haben, ist eine signifikante Bedingung für das emotionale Wohlbefinden in diesem Beruf [Gerbert et al., 1994; Shugars et al., 1991]. Falls der Zahnarzt seine Praxis effizient führt und dabei eine hohe Dienstleistungsqualität anbietet, ist ihm auch ein adäquates Einkommen gewährleistet [Christensen, 2001].

Vertrauen als Basis

Vertrauen ist gekennzeichnet durch Erwartungen, Hoffnungen, Erfahrungen, gemeinsame Werte und eine gute Kommunikationsfähigkeit. Das Vertrauen hängt daher von unseren Emotionen wie auch von unserer Wahrnehmung ab [Rogers, 2002; Yamalik, 2005b]. Im medizinischen Umfeld ist das Vertrauen ein Zeichen von Respekt vor der Patientenautonomie [Yamalik, 2005b].

Das Vertrauen zwischen dem Zahnarzt und dem Patienten ist sozusagen das A und O einer guten Zahnarzt-Patient-Beziehung. Diese steigert die Qualität der Behandlung, die Compliance sowie die Zufriedenheit des Patienten, erlaubt eine effizientere Patientenmotivierung und führt weniger zu Konflikten. Auch für den Zahnarzt ist ein gutes Vertrauensverhältnis vorteilhaft, denn dadurch erhält er einen guten Ruf, die Patienten bleiben ihm treu und er erreicht eine höhere Selbstzufriedenheit in seiner Berufsausübung [Yamalik, 2005a; Yamalik, 2005b]. Patienten vertrauen ihrem Zahnarzt, weil sie der Meinung sind, dass ihn seine Ausbildung kompetent macht und er sich für ihr Wohlergehen für ihre Mundgesundheit wie auch für ihre Rechte und Würde einsetzt [Yamalik, 2005b]. Interessanterweise spielt dabei der Ausbildungsgrad der Patienten eine wichtige Rolle.

Nach Ben-Sira empfinden Menschen mit einer niedrigeren Ausbildung den Zahnarzt als informativer und vertrauenswürdiger im Umgang mit Schmerzen als solche mit einer höheren Schulbildung [Ben-Sira, 1980].

Die Zunahme eines Misstrauens gegenüber dem Zahnarzt ist in der Bevölkerung jedoch ebenfalls festzustellen. Im Zahnarzt wird mehr der Serviceanbieter gesehen als im Arzt, der eine gesundheitsfördernde Dienstleistung erbringt. Durch entsprechende Zahnärztewerbung kann ein solches Phänomen zusätzlich verstärkt werden [Johnston, 2009].

In unserer heutigen Gesellschaft finden Menschen tendenziell mehr Informationen im Internet. Es ist daher zu erwarten, dass sie dieses auch für zahnärztliche Angelegenheiten zur Informationsbeschaffung verwenden. Als Gegenmaßnahme empfiehlt Johnston, dem Patienten offen zu erklären, welche Behandlungen nötig sind. Er soll zudem ermuntert werden, sowohl gute wie fragliche Informationen, die er beispielsweise im Internet gefunden hat, mit dem Zahnarzt zu besprechen, damit diese entweder bestätigt oder gegebenenfalls korrigiert werden können [Johnston, 2009].

Berührung der Mundhöhle

Die Mundhöhle des Menschen gehört zu den intimen Bereichen des Körpers, da sie in der Regel nicht mit Fingern berührt wird und meistens nur bei intimen Handlungen, wie beispielsweise beim Küssen, mit anderen Menschen in Körperkontakt tritt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Arbeit des Zahnarztes innerhalb der Mundhöhle als Eingriff in die Intimsphäre erlebt werden kann und der Patient sich deshalb emotional unter Druck gesetzt fühlt. Weiter kommt es vor, dass Patienten Scham- und Schuldgefühle für ihre unzureichende Mundgesundheit empfinden [Ohrn et al., 2008]. Die Emotionen, die beispielsweise mit dem Zahnarztbesuch assoziiert werden, können schon in der Kindheit entstehen. Wichtig hierbei ist zu wissen, dass ein ängstliches Kind nicht zwischen den von der Krankheit ausgelösten Schmerzen und den vom Zahnarzt ausgelösten unterscheiden kann. Ein Teil davon kann real sein, und ein anderer Teil ist psychischer Natur.

Mit den Ängsten umgehen

Ängste können vor jeder ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlung entstehen [Hoad-Reddick, 2004]. Die Angst vor der Zahnbehandlung widerspiegelt sich im Verhalten des Patienten gegenüber dem Zahnarzt und beeinflusst in gewissem Ausmaß auch dessen Behandlungserfolg [Corah et al., 1985; Gale et al., 1984]. Schon 1972 ergab eine Meinungsumfrage in Deutschland, dass lediglich 34 Prozent der Patienten beim Zahnarztbesuch angstfrei waren. 44 Prozent hatten wenig und 22 Prozent hatten ziemlich große Angst. Zudem gingen sogar 20 Prozent aus Angst nicht mehr zu ihrem eigenen Zahnarzt, obwohl sie dort noch einen Termin hatten. In einer aktuelleren Umfrage aus dem Jahr 2007 gaben 12 Prozent der Bevölkerung an, dass sie seit fünf oder mehr Jahren nicht mehr beim Zahnarzt waren. 1,3 Prozent der Befragten gestanden sogar, noch nie beim Zahnarzt gewesen zu sein. Diese Zahlen wurden Thibodeau und Mentasti durch eine vorhandene und ausgeprägte Zahnbehandlungsangst erklärt [Thibodeau Mentasti, 2007]. Die Angst muss nicht zwingend aus früheren traumatischen Zahnarztbesuchen entstanden sein, sondern kann auch aus einer negativen Erwartungshaltung entstehen. Diese kann durch Freunde, Bekannte und Massenmedien geprägt und verstärkt werden [Thibodeau Mentasti, 2007].

Ein Zahnarzt sollte in der Lage sein, psychologische Leiden wie die Zahnbehandlungsangst oder die Zahnarztphobie zu erkennen, um den Patienten auch beruhigen oder zur Angsttherapie überweisen zu können [Hoad-Reddick, 2004]. Eine Angstreduktion kann ermöglicht werden, indem der Zahnarzt seinem Patienten Kontrolle übergibt und ihn ermuntert, Fragen zu stellen, ihm Beachtung schenkt sowie ruhig und freundlich ist [Corah et al., 1985; Gale et al., 1984]. Je stärker die Angst des Patienten im Allgemeinen, desto wichtiger ist das beruhigende Verhalten des Zahnarztes. Der Patient muss die angemessene Information zur Therapie erhalten und davon überzeugt sein, dass der Zahnarzt alles tut, sein Wohlbefinden zu fördern [Mataki, 2000]. Diese psychologischen und emotionalen Probleme können auch physische Auswirkungen zeigen, denn solche Patienten leiden vermehrt unter einem erhöhten Bruxismus oder sogar unter Kiefergelenksbeschwerden [Hoad-Reddick, 2004].

Assozierte Schmerzen

Wie im vorangegangenen Artikel („Der eigene ist der beste“, zm 18/2014) bereits erwähnt, werden in Unterhaltungsfilmen vor Schmerz schreiende Patienten in der Zahnarztpraxis gezeigt [Wolf Ramseier, 2012]. Die Handlung wird dort in erster Linie mit Behandlungsschmerzen in Ver- bindung gebracht. Frühere Generationen in unserer Gesellschaft haben möglicherweise schmerzhafte Erinnerungen an den Zahnarztbesuch. Wie eine Meinungsumfrage aus Deutschland bereits vor rund 40 Jahren zeigte, konnten sich damals 31 Prozent der Patienten daran erinnern, während einer zahnärztlichen Behandlung besonders große Schmerzen gehabt zu haben. Bei 10 Prozent war dies sogar beim letzten Zahnarztbesuch der Fall gewesen. Vor 20 Jahren schrieb Pride über das Paradoxon, dass schon damals nahezu schmerzfreie zahnärztliche Eingriffe möglich gewesen seien und dass Patienten trotzdem noch Angst vor Behandlungsschmerzen hatten [Pride, 1991]. Schmerzen haben nicht nur „mechanische“ Ursachen, sondern können auch somatische Reaktionen auf ein psychisches Leiden sein [Hoad-Reddick, 2004]. Drei emotionale Mechanismen können allgemein Schmerzen verursachen, nämlich emotionale Spannungen, Angst und Hysterie [Moulton, 1955]. Die Kompetenz zur Schmerzbehandlung in der Mundhöhle wird von den Zahnärzten als sakrosankt angesehen. Dies können sie nicht nur durch therapeutische Eingriffe erreichen, sondern ebenso, indem sie auf Patienten eingehen und sie beruhigen [Dharamsi et al., 2007].

Schlussfolgerungen

Zahnärzten ist es immer möglich, die berufliche Qualität sicherzustellen oder allenfalls zu verbessern. Jeder Zahnarzt kann dazu beitragen, indem er regelmäßig Fortbildungen besucht, seine Patienten individuell optimal behandelt und die Zahnarzt-Patienten-Beziehung pflegt. Der Zahnarzt sollte außerdem ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Praxisumsatz, Personal und Patientenwohl aufrechterhalten, um sich sowohl seiner sozialen Verantwortung als auch seinen Aufgaben im Gesundheitswesen gegenüber richtig stellen zu können. Diese zentralen Bemühungen können eine Imageverbesserung der Zahnmedizin bewirken. Wenn wir das reale Berufsbild verbessern könnten, dann würde der Zahnarzt künftig in den Unterhaltungsmedien idealerweise nicht mehr als Bösewicht dargestellt werden, da die Mediennutzer dies nicht mehr nachvollziehen könnten.

Dr. med. dent. Christoph A. Ramseier, MASUniversität BernKlinik für ParodontologieFreiburgstrasse 7CH-3010 Bernchristoph.ramseier@zmk.unibe.ch

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