Qualitätsförderung

Eine Agenda für den Patienten

Die Sicherung der Qualität medizinischer Leistungen erlangt bei Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit immer größere Aufmerksamkeit. Bundeszahnärztekammer und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung haben daher in dem gemeinsamen Grundsatzpapier „Agenda Qualitätsförderung“ beschrieben, wie sich die Zahnärzteschaft den gesundheitspolitischen Herausforderungen stellt.

Die aktuelle Bundesregierung hat sich das Thema Qualitätsförderung explizit auf die Fahnen geschrieben: Im Koalitionsvertrag wird eine „Qualitätsoffensive für die stationäre Versorgung“ angekündigt. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe betont denn auch immer wieder, wie etwa auf dem „Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit“ im Juli dieses Jahres, dass Qualitätssicherung ein „Schlüsselbegriff“ seiner Gesundheitspolitik ist. Trotz unbestreitbarer Fortschritte sei man noch ein ganzes Stück von einer durchgehenden Qualitätsorientierung im Gesundheitswesen entfernt.

So will Gröhe etwa Qualitätsaspekten bei der Honorierung medizinischer Leistungen erstmals im  Gesundheitswesen eine Steuerungsfunktion zukommen lassen: Leistungen im stationären Bereich mit nachgewiesen hoher Qualität sollen Zuschläge erhalten. Zudem wurde, wie es die Koalitionsvereinbarungen vorsahen, inzwischen der Grundstock für ein (weiteres) Institut im Gesundheitswesen gebildet: Neben dem bereits bestehenden Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat am 21. August der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) als wichtigstes Gremium von Kassen, Ärzten und weiteren Akteuren im Gesundheitswesen, das über Medikationen und Behandlungen entscheidet, die Gründung eines „Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen“ (IQTiG) beschlossen. Das Institut soll sektorenübergreifend Kriterien entwickeln und sich damit befassen, wie die Qualität in den Behandlungsabläufen optimiert werden kann. Die bisherigen Maßnahmen hätten gezeigt, so Gröhe, „dass die Qualität der Ergebnisse von Behandlungen angesichts häufiger und fließender Übergänge sektorbezogen vielfach nicht mehr verlässlich bewertet werden kann“. Dafür müssten die Instrumente der Qualitätssicherung in den Sektoren stärker vereinheitlicht und eine sektorenübergreifende Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung organisiert werden.

Demgegenüber unterstreicht der KZBV-Vorstandsvorsitzende, Dr. Wolfgang Eßer, die Eigenständigkeit des zahnärztlichen Sektors: „Die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland hat ein nachweislich hohes Qualitätsniveau, das auch international anerkannt ist. Für die Zahnärzteschaft ist es selbstverständlich, zum Wohl der Bevölkerung dieses bereits hohe Niveau fortlaufend zu verbessern. Insofern begrüßen wir auch die Errichtung des neuen Qualitätsinstituts, solange den besonderen Belangen der Zahnheilkunde dabei angemessen Rechnung getragen wird.“

Vor diesem gesundheitspolitischen Hintergrund beziehen BZÄK und KZBV in einer gemeinsamen Agenda Position. Das ist nicht das erste Mal: Bereits 1998 und 2004 hatten beide Grundsatzpapiere zur Qualitätsförderung vorgelegt, was zeigt, dass dies schon lange ein Thema für die Körperschaften ist.

Angesichts der dargestellten aktuellen gesundheitspolitischen Tendenzen wurde die Agenda gemeinsam mit dem Institut Deutscher Zahnärzte (IDZ), dem Zentrum Zahnärztliche Qualität (ZZQ), den Fachabteilungen von BZÄK und KZBV sowie Prof. Winfried Walther, dem Leiter der Akademie für Zahnärztliche Fortbildung in Karlsruhe, überarbeitet und aktualisiert.

Pro-aktives Vorgehen

Mit der Agenda wollen die Akteure den Berufsstand beim Thema Qualitätssicherung und -förderung aktiv positionieren und die freiwilligen Aktivitäten der deutschen Zahnärzteschaft herausstellen sowie die Bezüge zu neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen herstellen. Sie soll in den Berufsstand und in die Gesellschaft – Wissenschaft, Politik und interessierte Öffentlichkeit – hineinwirken. Zu diesem Zweck werden BZÄK und KZBV sie mittels einer ausgedehnten Aussendung in die politische Fachebene hineintragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass in dem Papier das grundsätzliche Selbstverständnis der Zahnärzteschaft, ihre Patienten qualitativ hochwertig zu versorgen, postuliert wird. Daneben werden die Vorstellungen der Zahnärzteschaft hinsichtlich angemessener personeller und organisatorischer Strukturen sowie angemessener finanzieller Ressourcen formuliert. Die Mitwirkung des Patienten und die Stärkung seiner Eigenverantwortlichkeit werden als Teil des Leitbilds einer an (zahn-)medizinischen Erkenntnissen und am Patientenwohl orientierten zahnärztlichen Versorgung benannt.

Für BZÄK und KZBV geht Qualitätsförderung als umfassender Ansatz über Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement hinaus. Hierbei wird festgehalten, dass eine umfassende Qualitätsförderung vor allem auf freiwilliger Initiative basiert und nicht allein auf gesetzlichen Vorgaben. Explizit wird dargestellt, dass die zahnmedizinische Versorgung durch sektorenspezifische Besonderheiten gekennzeichnet ist:

• Für eine Befundsituation liegen oft mehrere wissenschaftlich abgesicherte Therapiealternativen vor.

• In jedem Einzelfall verständigen sich Patient und Zahnarzt über die individuell geeignete und bevorzugte klinische Lösung in einem kontinuierlichen interaktiven Prozess.

• Die zahnärztliche Versorgung hat weder mit der ambulant-ärztlichen noch mit der stationären Versorgung nennenswerte Schnittmengen. Patienten werden in der Regel innerhalb des zahnärztlichen Sektors behandelt.

• Arzneimittelverordnungen und veranlasste Leistungen werden nur in eingeschränktem Maß vorgenommen.

Entsprechend existierten vielfach spezifische Regelungen zur Sicherung der Qualität der zahnmedizinischen Versorgung. Diese würden von der Zahnärzteschaft ständig weiterentwickelt, wie etwa die allgemeinen Behandlungsrichtlinien, das Qualitätsmanagement oder das zahnärztliche Gutachterwesen (siehe Kasten).

Frühe Prävention

Kernbeitrag zahnmedizinischen Handelns zur Qualitätsförderung sei die Prävention, die bereits im Kindesalter beginnt, heißt es in der Agenda. Gerade durch die Entwicklung bedarfsgerechter zahnmedizinischer Versorgungskonzepte sei sie strategisch angelegt und in den Deutschen Mundgesundheitsstudien des IDZ regelmäßig mit epidemiologischen Daten belegt. Hier bestätige sich auch, dass im internationalen Vergleich Deutschland bei der Mundgesundheit in den vergangenen Jahren nachweislich einen Spitzenplatz und einen hohen Versorgungsgrad erreicht habe.

Moniert wird, dass die vom Gesetzgeber vorgegebenen und vom G-BA verfolgten Ansätze der vereinheitlichenden, einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung über die Sektorengrenzen hinweg zu erheblichen Problemen führen würden, die die Umsetzung qualitätsfördernder Regelungen verzögerten oder unmöglich machten. Für die Umsetzung in der Praxis sei es erforderlich, dass alle Beteiligten den Sinn und Zweck der Regelungen verstehen und mit entsprechendem Engagement daran mitwirkten.

Die Agenda unterstreicht, dass die zahnärztlichen Berufsorganisationen bereits von sich aus zahlreiche Initiativen zur Weiterentwicklung der Qualitätsförderung ergriffen haben, wie etwa Qualitätszirkel oder Fortbildungen. Des Weiteren zählte hier ebenfalls die flächendeckende Patientenberatung (siehe Kasten) durch die zahnärztlichen Körperschaften hinzu. BZÄK und KZBV stellen klar: „Qualitätsförderung in der zahnmedizinischen Versorgung besteht seit Jahrzehnten in gewachsenen Strukturen und Regelwerken. Diese werden von der Zahnärzteschaft ständig weiterentwickelt und in die Arbeit des Gemeinsamen Bundesausschusses eingebracht.“

Berufsstand kümmert sich

Zudem existierten neben den bereits seit 1993 bestehenden Regelungen für die Gewährleistung bei Füllungen und beim Zahnersatz eine Vielzahl einzelner qualitätssichernder Vorgaben wie etwa die Zahnersatzrichtlinien, die KFO-Richtlinien, die Röntgenverordnung, die Hygienevorschriften sowie eine Richtlinie zum Qualitätsmanagement.

BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel resümiert: „Grundsätzlich begrüßen die zahnärztlichen Körperschaften, dass die Bundesregierung dem Stellenwert der Qualität im Gesundheitswesen verstärkt Aufmerksamkeit schenkt. Allerdings werden die Maßnahmen des Gesetzgebers in diesem Bereich, die er über den G-BA als ausführendes Organ delegiert, immer mehr die Kernkompetenzen der berufsständischen Selbstverwaltung berühren. Wenn wir zukünftig nicht völlig fremdbestimmt agieren wollen, müssen sich die Standesorganisationen darauf besinnen, dass die Qualitätssicherung und -förderung eine originäre Aufgabe des Berufsstands ist und verstärkt von sich heraus tätig werden.“

Die Agenda legt Wert darauf, dass die Qualitätsförderung der Zahnärzte vor allem die Mundgesundheit der Patienten verbessern soll, wobei dessen Erwartungen und Mitarbeit (Compliance) eine zentrale Rolle spielen. Um die Mundgesundheit der gesamten Bevölkerung kontinuierlich zu verbessern, biete der Berufsstand neben einer durchgehend präventionsorientierten Versorgung und einer seit Jahrzehnten erfolgreich praktizierten Gruppen- und Individualprophylaxe auch eine umfassende Diagnostik, Dokumentation und Patienteninformation als Selbstverständlichkeit an.

„Keine Standardqualität“

Auch das einrichtungsinterne Qualitätsmanagement (QM) in den Praxen diene der kontinuierlichen Sicherung und Verbesserung der Patientenversorgung und der Praxisorganisation. In den Ländern hätten Kammern und KZVen daher eigene Qualitätsmanagement-Systeme entwickelt, zu denen kontinuierlich Fortbildungsmaßnahmen angeboten würden. Damit ein QM aber greift, müsse es individuell auf die Gegebenheiten und die Bedürfnisse der Patienten, der Praxisleitung und der Praxismitarbeiter bezogen und für sie nützlich, hilfreich und unbürokratisch sein. Daher seien diese von der Zahnärzteschaft selbst entwickelten QM-Systeme zu fördern.

Die Agenda problematisiert auch die Frage nach einer „Standardqualität“, die es in der zahnmedizinischen Versorgung nicht geben könne: „Die Qualität der zahnmedizinischen Versorgung ist nicht absolut im Sinne einer isolierten Betrachtung der Ergebnisqualität, sondern immer bezogen auf das erreichbare Optimum in der jeweiligen individuellen Patientensituation.“ Die Zahnärzteschaft sehe daher in der Entwicklung von Qualitätsindikatoren einen Beitrag, Versorgungsqualität transparent zu machen und dem einzelnen Zahnarzt Impulse und Richtmaße zu bieten.

Weniger Bürokratismus

In einem weiteren Aspekt mahnt das Papier eine angemessene Vergütungsstruktur für zahnärztliche Leistungen als Voraussetzung einer auf Qualität ausgerichteten präventionsorientierten Versorgung an. „Praxen müssen in der Lage sein, Investitionen, die der Verbesserung der Versorgung und der Stärkung der Patientensicherheit dienen, betriebswirtschaftlich leisten zu können“, heißt es. Verpflichtende Investitionen dürften nicht allein den Praxen aufgebürdet, sondern müssten vollständig gegenfinanziert und dürften nicht allein den Inhabern der Zahnarztpraxen überantwortet werden.

Einer Verknüpfung von Vergütungsanreizen und Qualität (Stichwort: „pay for performance“) wird zudem eine klare Absage erteilt. Dies fördere die Risikovermeidung und erschwere die zahnmedizinische Versorgung von schwerkranken Patienten. Auch dürfe das Streben nach mehr Qualität keinen unnötigen bürokratischen Aufwand mit sich bringen, der den Behandlern bei ihrer täglichen Arbeit am Patienten fehlt.

In dem Grundsatzpapier sprechen sich die Akteure eindeutig für eine präventionsorientierte Ausbildung der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde aus. Hierzu bedürfe es dringend einer Überarbeitung der seit dem Jahr 1955 bestehenden Approbationsordnung für Zahnärzte. Die zahnärztliche Aus- und Fortbildung sei konsequent am Qualitätsgedanken auszurichten, solle dem Leitbild einer „lernenden Versorgung“ entsprechen und gleichermaßen „der Qualität, den Patienten und der Förderung der Arbeitsbedingungen des zahnärztlichen Teams verpflichtet sein“.

Des Weiteren wird angemahnt, zur Erhöhung der Patientensicherheit die bestehende Fehlervermeidungskultur weiterzuentwickeln. Der personenbezogene Umgang mit unerwünschten Ereignissen, an die sich der Vorwurf individuellen Fehlverhaltens knüpft, sei durch eine systembezogene Herangehensweise zu ersetzen.

Auch zum Thema Leitlinien äußert sich das Kommuniqué: Sie seien national und international anerkannte Instrumente der Qualitätsförderung, indem sie externes Wissen aus klinischen Studien bündeln würden. Wichtig sei dabei, dass sie ständig auf ihren wissenschaftlichen Gehalt und Nutzen für den Praxisalltag zu überprüfen sind und praxistauglich sein müssen. Aufgrund ihres Empfehlungscharakters hätten sie aber weder haftungsbegründende noch haftungsbefreiende Wirkung.

Eine eigenständige Bedeutung komme der Wissenschaft zu, wenn es darum geht, die Folgen zahnmedizinischer Eingriffe zu analysieren, damit deren Nutzen abschätzbar und das mit ihnen verbundene Risiko bekannt ist, so die Agenda. Dabei sei eine Evidenz in Bezug auf das zahnmedizinische Handeln „unabdingbar“. Hier bevorzuge man Konzepte, die über das Prinzip der „besten verfügbaren Evidenz“ hinausgehen.

Ausdrücklich wird das Konzept der „Confidence-based Medicine“ angeführt, da dies neben den Dimensionen „Wirkung“ und „Kosten“ auch die Aspekte „Wirksamkeit“, „Wert“ und „Nutzen“ beinhalte. Dieser Nutzen müsse unter Alltagsbedingungen in den Praxen und nicht unter idealen Bedingungen von Studienszenarien geprüft werden. Daher sei die Versorgungsforschung in der Zahnmedizin zu unterstützen, die Fragestellungen formulieren und forschungsmethodische Ansätze entwickeln soll.

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