Patienten-Information in der Medizin

BGH stärkt Ärzten den Rücken

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Leiturteil die Bedeutung der sorgfältigen Patientenaufklärung unterstrichen. Strittig war, ob ein Aufklärungsgespräch umfassend gewesen sein kann, wenn die Dokumentation unvollständig beziehungsweise das Gespräch danach nicht mehr detailliert nachvollziehbar ist. Nur mit einer prinzipiell ordentlichen Aufklärungssituation kann der Sorgfaltsnachweis dann als erbracht gelten. Die zm veröffentlichen die Einschätzung eines Fachmanns.

Am 28. Januar dieses Jahres hat der Arzthaftungssenat des Bundesgerichtshofes in einem aus medikolegaler Sicht wohltuenden Urteil (AZ: VI ZR 143/13) unter anderem festgestellt, dass in einem Arzthaftungsprozess an den einem Arzt obliegenden Beweis keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Richter habe die besondere Situation, in der sich ein Arzt während der Behandlung des Patienten befindet, zu berücksichtigen. Ebenso habe er die Gefahr, die sich daraus ergeben kann, dass der Patient die Beweislast des Arztes zu haftungsrechtlichen Zwecken missbrauchen könnte, in Betracht zu ziehen. Das Credo des Urteils: Stehen Inhalt und Umfang des Aufklärungsgesprächs im Streit, so sollte, wenn schon prinzipiell „einiger Beweis“ für ein gewissenhaftes Aufklärungsgespräch erbracht sei, dem Arzt geglaubt werden, dass er den Patienten damit auch in gebotener Weise informiert habe.

Zwar seien schriftliche Aufzeichnungen im Krankenblatt über die Durchführung und die wesentlichen Inhalte des Aufklärungsgesprächs nützlich und dringend zu empfehlen. Das führe aber nicht dazu, dass der Beweis für eine nicht dokumentierte Einzelheit des Aufklärungsgesprächs nicht mehr geführt werden könne.

Rolle der Dokumentation bei der Aufklärung

Anders als bei Behandlungsmaßnahmen (!) sei eine Dokumentation der Aufklärung (wenn auch nützlich und dringend zu empfehlen) aus medizinischer Sicht jedenfalls nicht zwingend. Darum dürfe an das Fehlen einer Einzelheit des Aufklärungsgesprächs in der Dokumentation keine allzu weitgehende Beweisskepsis geknüpft werden. Vielmehr müsse es dem Arzt möglich sein, über die schriftliche Dokumentation hinausgehende Inhalte seines Aufklärungsgesprächs anderweitig nachzuweisen.

Im vorliegenden Fall (siehe untenstehenden Kasten) war es dem Arzt gelungen, glaubhaft zu machen, dass er den Patienten über das im Streit stehende Detail im Gespräch aufgeklärt hatte, obgleich dies nicht schriftlich fixiert war. Zwar konnten sich die Ärzte in dem (dem Streit zugrunde liegenden) Fall an das konkrete Aufklärungsgespräch nicht mehr im Einzelnen erinnern. Die vom Kläger geschilderte und angefochtene Situation sei hingegen routinemäßig Bestandteil der ärztlichen Aufklärungsgespräche, argumentierten die Mediziner.

Der BGH sah damit der Aufklärungspflicht genüge getan. Es sei verständlich, dass sich Ärzte angesichts der Vielzahl ihrer Gespräche nicht an jedes im Detail erinnern können; dies zu verlangen, sei überzogen. Nach dem Urteil ist der Nachweis der Aufklärung auch dann erbracht, wenn die Darstellung eines Mediziners in sich schlüssig ist. Dies gelte auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.

Dieses Urteil wurde bereits mehrfach als sehr arztfreundlich gelobt. Dieses Attribut scheint noch zu kurz gegriffen und wird dem Urteil nicht wirklich gerecht. Es ist wohltuend, weil es der spezifischen Beweislage im Arzthaftungsprozess – und nicht zum Schluss auch dem Interesse der Patienten – angemessen erscheint, da es ein Zeichen gegen den deutlich spürbaren Trend zu einem defensivmedizinischen Absicherungsverhalten setzt, das sich letztlich für die Patienten negativ auswirkt.

Der Bundesgerichtshof schließt damit an eine Reihe von Entscheidungen an, in denen er immer wieder die Beweisproblematik im ärztlichen Alltag thematisiert hat. In diesem Zusammenhang sei nur an seine schon vor über 30 Jahren (BGH, Urteil vom 10.03.1981, AZ: VI ZR 202/79 ) ausgesprochene Erkenntnis erinnert, dass die Anforderungen an den (dem Arzt obliegenden) Beweis nicht überspannt werden und nicht zu Zumutungen führen dürfen, die im klinischen Betrieb unrealistisch wären. Insbesondere sei es im Allgemeinen angezeigt, einer insgesamt angemessenen und vollständigen ärztlichen Dokumentation im Zweifel Vertrauen zu schenken.

Der Vertrauensvorschuss darf allerdings nicht missverstanden werden als Freibrief für nachlässige Aufklärung oder Dokumentation. Er ist vielmehr ausschließlich zu verstehen als konsequente richterliche Reaktion auf eine prinzipiell ordentliche Aufklärungs- und Dokumentationssituation, die bereits das Indiz der Sorgfaltsgemäßheit in sich trägt.

Univ.-Prof. Dr. Dr. Ludger FiggenerDirektor der Poliklinik für Prothetische Zahnmedizin und Biomaterialien des Universitätsklinikums MünsterAlbert-Schweitzer-Campus 1, Gebäude W3048149 Münster

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