Leitartikel

So weit, so gut

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

mit Macht drängt die große Koalition in ihrer Gesundheitspolitik auf Lösungen in der Pflegeproblematik. Nicht nur die Ankündigungen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe selbst, auch die symbolträchtige Berufung Karl-Josef Laumanns als beamteter Staatssekretär und Bevollmächtigter dieser Bundesregierung für Patienten und Pflege lassen erahnen, wie stark der Druck der demografischen Entwicklung inzwischen auf unserer Gesellschaft lastet. Gröhe und sein mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteter Staatssekretär drängen und forcieren die öffentliche Auseinandersetzung. Mit Kraft will man dieses Thema angehen – hoffentlich auch mit Vernunft.

So weit, so gut. Denn die inzwischen als prekär erkannte Sachlage in der stationären wie in der ambulanten Pflege ist keine Erkenntnis, die mit der vergangenen Bundestagswahl entstanden ist. Die Missstände sind alles andere als neu, zum Handeln ist es höchste Zeit. Wir Zahnärzte haben schon in der vergangenen Legislaturperiode im Rahmen unserer präventionsbedingten Zuständigkeit auf die Missstände in der Versorgung von alten und Menschen mit Behinderungen aufmerksam gemacht. Unser in der Politik weitreichend bekanntes und inzwischen anerkanntes „Konzept zur vertragszahnärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen“ ist – zumindest für die zahnärztliche Behandlung dieser Menschen – ein Meilenstein auf dem Weg zu einer alten- und behindertengerechten (zahn-)medizinischen Versorgung.

Der Gesetzgeber hat mit der Verankerung eines Teils unserer Vorschläge – beispielsweise durch Aufnahme der Paragrafen 87 2i und j im Sozialgesetzbuch V – richtige Schritte getan, aber der ganze Bereich der notwendigen Präventionsleistungen fehlt. Genauso wie Kinder und Jugendliche, für die der Staat einen Anspruch auf zuzahlungsfreie Präventionsleistungen im SGB V verankert hat, sind alte, kranke und pflegebedürftige ebenso wie viele Menschen mit Behinderungen auf bedarfsgerechte Präventionsleistungen angewiesen, da sie nicht (mehr) selbstverantwortlich für ihre Mundgesundheit sorgen können. Dieser Anspruch sollte gesetzlich verankert werden. Hierzu haben wir konkrete Vorschläge zu einem § 22a eingebracht, der immer noch auf seine Realisierung wartet. Deutschlands Zahnärzteschaft hat deutlich gemacht, wie ernst es uns ist, die Probleme rechtzeitig anzugehen. Eine Frage von Ethos und Ehre? Ja, aber sicher keine, die „ehrenamtlich“ allein geleistet werden kann. Hier sind akute Versorgungslücken zu füllen, das ist keine perspektivische Angelegenheit, die jeder einzelne über Hilfsinstrumente wie den „Pflege-Bahr“ oder anderes erschöpfend in Eigenverantwortung lösen kann. Es ist an der Zeit, die vorhandenen Maßgaben für eine zweckgerechte Betreuung Pflegebedürftiger in Zusammenarbeit von (zahn-)medizinischer Betreuung und Pflege jetzt umzusetzen. Hier brauchen wir mehr als nur klare Bekenntnisse. Hier müssen Konzepte vernünftig, leistungsgerecht und belastbar umgesetzt werden.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Deutschlands Zahnärzteschaft neue Wege aufzeigt. Das haben andere gut erprobte Maßnahmen, beispielsweise die Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch neue Wege im Bereich Zahnersatz, bereits erwiesen.

Jetzt gibt es eine neue Chance wegweisender Lösungen für die anstehenden Herausforderungen unserer Gesellschaft. Es ist sicherlich kein Zufall, dass wir dem freiberuflichen Prinzip Treue wahren, überall dort, wo wir können, nicht auf Lösungen zu warten, sondern die Dinge beherzt, aber mit Hirn selbst in die Hand zu nehmen. Jetzt müssen Krankenversicherungen, aber auch Pflegekräfte mit einsteigen und zeigen, dass Eigeninitiative auch lohnenswert ist.

Dabei Ergebnisse zu schaffen, die sich in einer spürbaren, mittelfristig auch validierbaren Verbesserung der Mundgesundheit von älteren und pflegebedürftigen Menschen niederschlagen, ist ganz im Sinne unseres Berufsstands und – vor allem – unserer Patienten.

So weit, so gut? Wir Zahnärzte haben an dieser Stelle unsere Aufgaben bereits zu großen Teilen angenommen. Lösen können wir sie, wenn alle Beteiligten das Modell gemeinsam mit uns endlich zum Leben bringen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Wolfgang EßerVorstandsvorsitzender der KZBV

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