Organtransplantation

Leben spenden

Nach jüngsten Erkenntnissen wurde in der Vergangenheit auch am Deutschen Herzzentrum Berlin „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ systematisch manipuliert, um Patienten bei der Vergabe von Organen einen Vorteil zu verschaffen. Ein Skandal mehr, der das Vertrauen in die Organspende erschüttert. Ist das 2012 aktualisierte Transplantationsgesetz wirklich ausreichend oder muss nachgebessert werden?

Rund zwei Drittel – genauer: 68 Prozent – der Deutschen geben an, dass sie im Todesfall mit einer Organspende einverstanden sind. Allerdings haben nur 28 Prozent tatsächlich ihre Entscheidung in einem Organspendeausweis festgehalten, wie eine neue Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) festhält.

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) führt das dazu, dass in neun von zehn Fällen die Familie sehr schnell darüber befinden muss, ob die Leber, das Herz oder die Nieren ihrer Liebsten nach deren Tod anderen zugutekommen. Hat der Verstorbene seinen Entschluss nicht dokumentiert, wird es nämlich schwierig.

Eine harte Aufgabe

In Deutschland ist das Spenden von Organen oder Geweben nur möglich, wenn eine ausdrückliche Zustimmung vorliegt. Diese Entscheidung zu treffen ist für viele Angehörige sehr belastend – insbesondere angesichts des drohenden Todes eines geliebten Menschen. Dementsprechend häufig können sie sich in dieser emotionalen Ausnahmesituation zu nichts durchringen und lehnen eine Organspende per se ab.

„Viele Menschen sind der Organspende gegenüber positiv eingestellt, sprechen aber nur selten mit ihren Angehörigen über ihre Entscheidung beziehungsweise füllen keinen Organspendeausweis aus. Dies ist aber wichtig, damit die Angehörigen im Fall der Fälle die Entscheidung des Verstorbenen den Ärzten mitteilen können“, erklärt Elisabeth Pott, Direktorin der BZgA. Aus der eingangs erwähnten Befragung geht Pott zufolge hervor, dass diejenigen, die gut über das Thema Organspende Bescheid wissen, eher einen Organspendeausweis ausfüllen und mit den Angehörigen sprechen als diejenigen, die schlecht informiert sind. Pott: „Daher setzt die BZgA in ihrer Aufklärungskampagne auf die Informationsvermittlung, um mehr Menschen zum Ausfüllen eines Organspendeausweises zu bewegen.“

Zweite Voraussetzung – neben der Zustimmung – für eine postmortale Organ- und Gewebespende ist in Deutschland der Hirntod des Organspenders, also der irreversible Ausfall aller Gehirnfunktionen. Grund für den Hirntod kann ein schweres Trauma, etwa durch einen Unfall, sein. Aber auch neurologische oder internistische Erkrankungen – beispielsweise durch Hirnblutungen – können dazu führen. Ein erster wichtiger Hinweis dafür liegt vor, wenn die Pupillen weit werden und nicht mehr auf Licht reagieren. Bestätigen lässt sich der Anfangsverdacht nur durch weitergehende Untersuchungen.

Diagnose Hirntod

Nach einer Richtlinie der Bundesärztekammer muss der Hirntod von zwei unabhängigen Fachärzten in einem differenzierten Verfahren diagnostiziert werden. Diese Ärzte benötigen eine mehrjährige Erfahrung in der Intensivbehandlung von Patienten mit schweren Hirnschädigungen und dürfen weder an der Entnahme oder an der Übertragung der Organe beteiligt sein noch der Weisung eines beteiligten Arztes unterstehen.

Sobald der Hirntod einwandfrei festgestellt wurde, informieren die behandelnden Ärzte die Familie. Transplantationsbeauftragte der Klinik unterstützen das Ärzteteam bei den Gesprächen mit den Hinterbliebenen. Hier ist viel Feingefühl gefragt. Auf Wunsch können zusätzlich auch Koordinatoren der DSO hinzugezogen werden. Liegt kein Organspendeausweis oder eine entsprechende Patientenverfügung vor, müssen die Angehörigen nach dem vermuteten oder mündlich geäußerten Willen des Verstorbenen eine Entscheidung treffen.

Sind die Voraussetzungen für eine Organspende gegeben, wird eine Organtransplantation in die Wege geleitet. Niere, Leber, Herz, Lunge, Pankreas und Dünndarm sind die am stärksten nachgefragten Organe und können vom Spender auf einen Empfänger übertragen werden. Doch nicht nur Organe, auch Gewebe wie beispielsweise die Netzhaut, Blutgefäße oder Herzklappen lassen sich verpflanzen.

„Ein größeres Geschenk als eine Organspende kann ein Mensch einem anderen kaum machen. Das Ende der eigenen Existenz wird zu einem Neuanfang für andere. Entscheidungen für Organspenden machen unsere Gesellschaft damit ein Stück menschlicher und wärmer“, bringt es Volker Kauder auf den Punkt. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag hat sich in der Vergangenheit immer wieder für das Thema engagiert und 2012 für die Einführung der Entscheidungslösung im Bundestag eingesetzt.

Vorbild Steinmeier

Neben der Organspende nach dem Tod gibt es noch die sogenannte Lebendspende: Man kann einen Teil der Leber oder – was deutlich häufiger vorkommt – eine der beiden Nieren auch zu Lebzeiten spenden. Dies ist möglich, weil der menschliche Körper auch mit einer Niere voll funktioniert. Ein prominentes Beispiel: SPD-Fraktionschef Frank Walter Steinmeier, der 2010 seiner Frau eine Niere abgab. Insgesamt spendeten im vergangenen Jahr bundesweit 725 Menschen eine ihrer Nieren, 83 Menschen einen Teil ihrer Leber.

Um den kommerziellen Handel mit Organen von lebenden Spendern zu unterbinden, hat der Gesetzgeber mit dem Transplantationsgesetz 1997 klare Regeln für die Lebendspende aufgestellt. Voraussetzungen für eine Transplantation sind, dass kein geeignetes Organ aus einer postmortalen Spende zur Verfügung steht und dass das Leben des Empfängers erhalten beziehungsweise eine schwerwiegende Krankheit nur durch die Organspende geheilt oder gelindert wird. Prinzipiell kommen nur volljährige Frauen und Männer, die bei klarem Verstand – also einwilligungsfähig – sind, dafür infrage. Sie müssen von einem Arzt über die möglichen Konsequenzen der Spende aufgeklärt werden. Dabei darf das Organ nur direkten Verwandten, Ehegatten oder anderen Personen, die dem Spender in besonderer persönlicher Verbundenheit offenkundig nahestehen, gespendet werden. Ärztliche Untersuchungen müssen vorab sicherstellen, dass der Spender durch das fehlende Organ nicht mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen rechnen muss. Außerdem müssen sich Spender und Empfänger zu einer ärztlichen Nachbetreuung verpflichten. Für die Betroffenen ist eine Organtransplantation in der Regel die einzige Therapie, die ihr Leben noch retten kann.

Drei sterben pro Tag

Bundesweit stehen etwa 11 000 Patienten auf der Warteliste für eine Transplantation. Der Bedarf indes ist weit größer als das Angebot – es herrscht akuter Organmangel. 2013 wurden gerade einmal 3 248 Organe postmortal transplantiert. Dementsprechend lang sind die Wartezeiten auf ein Spenderorgan. Jeden Tag sterben drei Menschen, weil für sie nicht rechtzeitig ein passendes Organ verfügbar ist. Das Verfahren zur Organspende ist in Deutschland komplex und bindet verschiedene Akteure ein, um mit größtmöglicher Sicherheit einen Missbrauch auszuschließen. Ist bei einem potenziellen Spender der Hirntod eingetreten, nimmt das Krankenhaus mit einem Koordinator der DSO Kontakt auf. Die DSO organisiert als beauftragte Koordinierungsstelle für die Organspende alle weiteren Schritte bis hin zur Übergabe der Organe an die Transplantationszentren. Dabei veranlasst der Koordinator auch alle notwendigen Untersuchungen zur Eignung der Organe.

Eine sorgfältige Analyse der vorhandenen medizinischen Daten des Verstorbenen sowie ergänzende Untersuchungen sollen sicherstellen, dass mögliche Erkrankungen des Spenders, die den Empfänger gefährden könnten, erkannt werden. In Laboruntersuchungen werden zudem die Blutgruppe und Gewebemerkmale des Spenders bestimmt. Beides sind wichtige Daten für die Vermittlung. Auch bei der intensivmedizinischen Betreuung des Spenders unterstützt der Koordinator das Klinikpersonal – denn nach der Feststellung des Hirntods ist es zwingend notwendig, die Beatmung und das Herz-Kreislauf-System des Verstorbenen weiter aufrechtzuerhalten.

Sind alle Untersuchungen abgeschlossen, senden die Koordinatoren Laborwerte und weitere Angaben zum Spender an die Vermittlungsstelle Eurotransplant in den Niederlanden. Hier wird entschieden, wer das Organ erhalten soll. In diese Entscheidung ist die DSO nicht eingebunden. Die Stiftung Eurotransplant ist als Service-Organisation verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganen in sieben europäischen Ländern. Etwa 135 Millionen Menschen leben in diesem Einzugsgebiet.

Die Stiftung ist demokratisch organisiert. Sie hat eine Vollversammlung, einen Vorstand, den Beirat und neun Beratungskommissionen, in denen Experten aus allen Mitgliedsländern vertreten sind. Grundlage für die Entscheidung zur Vergabe ist eine für jedes Organ existierende zentrale Warteliste, auf der potenzielle Empfänger in allen sieben teilnehmenden Ländern gelistet sind.

Eurotransplant entscheidet

Die Rangfolge auf dieser Liste hängt vom sogenannten MELD-Score ab, der sich aus verschiedenen Faktoren ableitet. Medizinische Parameter, wie beispielsweise die Blutwerte von Nierenkranken, geben Hinweise auf die Dringlichkeit der Operation. Aber auch bisherige Wartezeiten des Patienten, sein Gesundheitszustand und damit die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Transplantation sowie die Entfernung zwischen Spender und Empfänger spielen eine wichtige Rolle.

Wer auf die Warteliste kommt, entscheidet in Deutschland eine ständige, interdisziplinäre und organspezifische Transplantationskonferenz des jeweiligen Transplantationszentrums. Beteiligt ist immer auch mindestens ein Mediziner, der nicht unmittelbar in das Transplantationsgeschehen eingebunden ist. Nicht alle Patienten, die ein neues Organ benötigen, können auf eine Warteliste gesetzt werden. Ist das Risiko der Transplantation und ihrer Nachbehandlung zu hoch und sind die Erfolgsaussichten schlecht, wird der Eingriff nicht in Betracht gezogen.

Wer auf die Liste kommt

Auf Basis der Spender-, der Organ- und der Empfängermerkmale ermittelt Eurotransplant in einem computergestützten Verfahren eine Rangfolge potenzieller Empfänger. Nach dieser Rangfolge wird dann das Organ den Zentren angeboten, wo die gelisteten Empfänger registriert sind. Die Vermittlung von Geweben erfolgt übrigens nicht über Eurotransplant, sondern über diverse spezialisierte Gewebebanken.

Sobald der passende Empfänger gefunden ist, entnehmen spezialisierte OP-Teams die Organe. Fehlt in der betroffenen Klinik ein solches Team, organisiert das die DSO. Die Organspende erfolgt unter den gleichen Bedingungen wie jede andere Operation.

Die Ärzte verschließen die Operationswunde sorgfältig und übergeben den Spender in würdigem Zustand für eine mögliche Aufbahrung. Die Angehörigen können sich in gewünschter Weise von dem Verstorbenen verabschieden. Sind die entnommenen Organe funktionsfähig und für die Transplantation geeignet, werden sie in das Transplantationszentrum des Empfängers transportiert und nach erneuter Eignungsprüfung transplantiert.

Welche Krankenhäuser Leistungen der Transplantation bei welchen Organen (Transplantationsprogramme) erbringen dürfen, legen die Bundesländer in ihren Krankenhausplänen fest. In Deutschland bieten 49 Kliniken Organtransplantationen an. Dabei haben sich einige auf einzelne Organe spezialisiert, andere bieten dagegen eine breite Palette an, so dass es insgesamt 140 organspezifische Transplantationsprogramme gibt, und zwar für Niere, Herz, Leber, Lunge, Pankreas und Dünndarm.

Aufsicht über die Transplantationszentren haben die Prüfungs- und die Überwachungskommission sowie die für die Krankenhausplanung zuständigen Landesbehörden. Die Überwachungskommission prüft anhand der DSO-Berichte unter anderem, ob bei der Spendergewinnung und bei der Organentnahme und -übertragung die gesetzlichen und vertraglichen Regelungen beachtet werden. Außerdem besucht die Kommission einmal im Jahr die DSO und lässt sich dort zufällig stichprobenartig ausgewählte Akten und Vorgänge zeigen.

Mit der Novellierung des Transplantationsgesetzes (TPG-Novelle) wurde die Prüftätigkeit der   Überwachungskommission 2012 im Gesetz verankert, zugleich wurden auch ihre Kompetenzen gegenüber der Koordinierungsstelle sowie den Transplantationszentren und Entnahmekliniken konkretisiert.

Über die erfolgten Prüfungen sowie über erhaltene Auskünfte und Hinweise berät die Kommission viermal jährlich. Bei Bedarf finden auch persönliche Anhörungen statt. Stellt die Kommission Verstöße gegen das Transplantationsgesetz fest, muss sie die zuständigen Behörden der Länder darüber informieren.

Im Rahmen dieser Routineüberprüfungen durch die Überwachungskommission wurden erst vor wenigen Wochen erneut Unregelmäßigkeiten festgestellt, diesmal im Deutschen Herzzentrum Berlin. Die BZgA wies jedoch in diesem Zusammenhang darauf hin, dass es sich bei den aktuellen Manipulationsvorwürfen um alte Vorfälle handelt, die in den Zeitraum vor der Neuerung des Transplantationsgesetzes im Jahr 2012 fallen. „Der Gesetzgeber hat als Konsequenz aus den damaligen Vorfällen das System der Organvergabe im Jahr 2012 in vielen Bereichen weitreichend verbessert, um diese transparenter und sicherer zu gestalten. Die Aufdeckung der aktuellen Vorfälle bestätigt, dass Manipulationen nicht mehr unentdeckt bleiben“, kommentierte BZgA-Direktorin Pott die Vorfälle.

Doch eine erneute Verunsicherung der Bevölkerung lässt sich durch solche Schlagzeilen nicht vermeiden. Zu frisch sind die Erinnerungen an die Ereignisse von vor zwei Jahren. Damals deckte die Süddeutsche Zeitung den bislang größten Transplantationsskandal auf. Im Universitätsklinikum Göttingen soll ein Arzt in mindestens zwei Dutzend Fällen die Krankenakten von Patienten gefälscht haben, um ihnen eine Spenderleber zu beschaffen. Ermittlungen ergaben, dass Dialyseprotokolle getürkt oder frei erfunden und Laborwerte manipuliert worden waren. Ziel des Arztes war offenbar, die Patienten auf dem Papier kränker erscheinen zu lassen, als sie in Wirklichkeit waren – dies hatte dann einen entsprechend höheren MELD-Score und damit einen höheren Rangplatz auf der Warteliste zur Folge.

Die Betroffenen sollen so unrechtmäßig ein Spenderorgan von der internationalen Vermittlungsstelle Eurotransplant zugeteilt bekommen haben. Bei den anschließenden bundesweiten Überprüfungen aller Transplantationszentren kamen viele weitere Ungereimtheiten ans Licht, vor allem in den Transplantationszentren Münster, Leipzig und München rechts der Isar wurden wie auch in Göttingen schwerwiegende Richtlinienverstöße festgestellt.

Das Vertrauen der Bevölkerung in die korrekten Abläufe bei der Organspende war damit dahin. 2013, ein Jahr nach dem Skandal, war die Bereitschaft zur Organspende auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren gefallen. Nach Angaben der DSO sank die Zahl der Menschen, die nach ihrem Tod Organe gespendet haben, auf 876, knapp 16 Prozent weniger als im Vorjahr. Die DSO geht davon aus, dass der Einbruch der Spenderzahlen „in bisher ungekanntem Ausmaß“ vor allem mit den Transplantationsskandalen aus dem Jahr 2012 zu tun hat.

Riesiger Vertrauensverlust

„Ich möchte aber betonen, dass wir die Gründe für den Rückgang der Organspendezahlen nicht allein im Vertrauensverlust der Bürger sehen“, sagt Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der DSO. „Von Bedeutung kann auch ein Vertrauensverlust bei den Mitarbeitern der Kliniken sein. Aber auch ganz andere Faktoren können eine Rolle spielen, zum Beispiel geänderte Behandlungsstrategien von Patienten mit schwerer Hirnschädigung.“

Zum Tag der Organspende erklärte der Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe im Juni, welche Maßnahmen sein Haus auf den Weg gebracht hat, um für mehr Sicherheit bei der Organvergabe zu sorgen. „Vertrauen kann leicht zerstört werden und ist nur mühsam wieder herzustellen. Das gilt im persönlichen Umfeld genauso wie in der Politik oder in der Medizin. Es gibt keinen Schalter, den man einfach umlegt, und das Vertrauen kehrt zurück.“ Deshalb habe die Bundesregierung nach dem Skandal 2012 eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen: „Wir haben Konsequenzen gezogen. Transplantationszentren werden inzwischen engmaschiger kontrolliert. Entscheidungen über die Aufnahme auf die Warteliste werden nicht mehr von einzelnen Ärzten getroffen, sondern von Transplantationskonferenzen mit mindestens drei beteiligten Medizinerinnen und Medizinern. Darüber hinaus haben wir die Rolle der Transplanta-tionsbeauftragten gestärkt.“ Zudem seien Manipulationen an Patientendaten mittlerweile ein Straftatbestand. Aber auch die Qualität der Versorgung habe man in den Blick genommen: „Wir müssen weiterhin an der hohen Qualität der Transplantationsmedizin arbeiten und natürlich auch darüber informieren. Dazu gehört auch, dass wir ein Transplantationsregister schaffen wollen, um die Patientensicherheit und die Qualität zu sichern.“

Ob die bisherigen Maßnahmen geholfen haben, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen, ist anhand der jüngsten Umfrageergebnisse allerdings fraglich – in der BZgA-Studie gaben immerhin 48 Prozent an, dass sie das Vertrauen in das Organspendesystem verloren haben. Und eine weitere Umfrage der DSO Bayern belegt, dass auch unter den Medizinern und Pflegenden selbst das Vertrauen in den korrekten Ablauf bei der Organvergabe stark gelitten hat. Zwar gaben 81 Prozent der Befragten an, der Organspende gegenüber eine grundsätzlich positive Einstellung zu haben. Andererseits meinten immerhin 28 Prozent, die Ereignisse aus der jüngeren Vergangenheit hätten ihre Einstellung negativ beeinflusst.

Aus Sicht der befragten Mediziner war es der Konkurrenzdruck unter den Transplantationszentren, der in der Vergangenheit Manipulationen begünstigt hat.

Hoffnung macht hingegen, dass die Entscheidung für oder gegen eine Organspende – jenseits der Vertrauensfrage – vor allem davon abhängt, wie gut sich jemand informiert fühlt. Menschen, die sich gut bis sehr gut beim Thema Organ- und Gewebespende auskennen, dokumentieren demzufolge häufiger ihre persönliche Entscheidung im Organspendeausweis und teilen sie ihren Angehörigen mit. Auf die Frage, ob sie sich gut informiert fühlen, antwortete indes die Hälfte, sie kenne sich nur mäßig bis schlecht in Sachen Organ- und Gewebespende aus. In der Umfrage unter den Medizinern und Pflegekräften war das Ergebnis sogar noch ernüchternder: Hier gaben 90 Prozent der Befragten an, nicht gut über das Thema Bescheid zu wissen.

Trägheit der Massen

Die Informationen müssen also besser werden. Gröhe: „Alle acht Stunden stirbt ein Mensch, für den kein passendes Organ zur Verfügung steht. Häufig geschieht dies, weil wir keine Entscheidung für oder auch gegen eine Organspende treffen. Das heißt umgekehrt: Jeden Tag könnten drei Menschenleben gerettet werden. Es könnten jeden Tag drei todkranken Menschen noch viele schöne Lebensjahre geschenkt werden. Deswegen ist es so wichtig, die Aufklärung im Alltag der Menschen zu verankern. Dazu tragen die regelmäßige Aussendung der Organspendeausweise durch die Krankenkassen, aber auch Plakate oder Kinospots bei.“

Otmar MüllerFachjournalistNeuenhöferAllee 12750935 Köln

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