Der besondere Fall mit CME

Gaumenschwellung durch pleomorphes Adenom

212512-flexible-1900
Heftarchiv Zahnmedizin
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Ein 58-jähriger Patient wurde von einer ortsansässigen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgischen Praxis mit einer anamnestisch seit längerer Zeit progredient wachsenden Schwellung der Gaumenmitte überwiesen. Alio loco war bereits eine Inzisionsbiopsie entnommen worden, die die Diagnose eines pleomorphen Adenoms der kleinen Speicheldrüsen des Gaumens erbracht hatte.

Bei der Erstuntersuchung befand sich der Patient in einem guten Allgemeinzustand. Er gab nur mäßige Schmerzen bei Berührung im Gaumenbereich an. Weiterhin bestand allerdings eine zunehmende Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme und der Sprache. Durch die merkliche Zunahme an Größe war er stark beunruhigt. Die extraorale Inspektion zeigte keine Auffälligkeiten, während bei der intraoralen Inspektion eine tumorös-kugelige, gestielt wachsende Schwellung der Gaumenmitte mit einem Durchmesser von ungefähr drei Zentimetern imponierte, die einen erheblichen Raum im Mund beanspruchte (Abbildungen 1a und 1b). Die Neubildung zeigte sich von einer unauffälligen Mukosa bedeckt, an der Spitze livide, relativ fest und wenig druckdolent. Die Palpation der Halsregion ergab keine Resistenzen im Sinne einer lymphogenen Beteiligung. Eine computertomografische Untersuchung zeigte einen weichgeweblichen Tumor ohne knöcherne Beteiligung (Abbildung 2).

Die sonografische zervikale Untersuchung wies mehrere unauffällige Lymphknoten in Level II beidseits nach. Unter der Arbeitsdiagnose pleomorphes Adenom wurde der Tumor daher in Intubationsnarkose in toto mit geringem Sicherheitsabstand exzidiert (Abbildung 3) und der Defekt mit einer Verbandsplatte zur sekundären Granulation versorgt. Die endgültige histopathologische Untersuchung bestätigte die Diagnose eines pleomorphen Adenoms mit überwiegend spindelzelligen Tumorzellen und teilweise vakuolisiertem Zytoplasma (Abbildung 4). Eine maligne Transformation konnte nicht nachgewiesen werden. Im postoperativen Verlauf kam es zu einer komplikationslosen Heilung (Abbildung 5). Bei einer Nachbeobachtungszeit von nunmehr fünf Monaten konnte kein Rezidiv festgestellt werden.

Diskussion

Das pleomorphe Adenom ist mit 60 bis 70 Prozent der häufigste benigne Speicheldrüsentumor bei vorwiegendem Befall der Parotis ab der dritten bis zur fünften Lebensdekade. Frauen sind etwas häufiger als Männer betroffen. In den kleinen Gaumenspeicheldrüsen und in den Glandulae submandibularis liegen jeweils circa 15 Prozent der pleomorphen Adenome vor. Das relativ langsame, symptomlose und vom Patienten nicht bemerkte Wachstum erschwert die diagnostische Früherkennung.

Meistens ist das pleomorphe Adenom anhand klinischer, sonografischer und CT-morphologischer Merkmale gut diagnostizierbar. Bei Manifestation in den kleinen Speicheldrüsen und bei extoper Lokalisation – wie im vorliegenden Fall – ist diese „Blickdiagnose“ erschwert. Hier ist dann erst die histologische Aufarbeitung des gesamten Präparats richtungsweisend, da eine variantenreiche Differenzierung mit myxoiden, mukoiden, aber auch chondroiden und ossären Anteilen möglich ist. Somit ist eine nicht repräsentative Biopsie irreführend und kann das Vollbild des pleomorphen Adenoms nur ungenügend wiedergeben.

Eine Feinnadel-Aspirationsbiopsie kann dementsprechend bei der großen Heterogenität der Gaumentumoren nicht Mittel der Wahl zur Diagnosesicherung sein.

Im vorliegenden Fall bestanden die Tumorzellen überwiegend aus Spindelzellen mit teilweise vakuolisiertem Zytoplasma. Dazwischen war ein teils hyalines, teils myxoides Stroma zu sehen. Weiterhin lagen zystisch erweiterte, blutgefüllte Hohlräume mit Fibrinpräzipitaten vor. Immunhistochemisch zeigten die Tumorzellen eine positive Reaktion auf S100, GFAP und bc1 bis 2 sowie herdförmige Positivität für CK7. Die relativ dicke Pseudokapsel war bereits durchbrochen. Dies entspricht dem Verhalten des pleomorphen Adenoms bei gesteigerter chondrogener Differenzierung und einer begleitenden Vaskularisationshemmung [Kusafuka et al., 2001; Tian et al., 2010].

Eine Infiltration der Kapsel kommt in ungefähr 40 Prozent der Fälle vor [Kumar et al., 2013].

Die vollständige Entfernung des Tumors stellt die Therapie der Wahl dar; hier wird von einer Rezidivfreiheit in bis zu 95 Prozent der Fälle berichtet [Cwalina et al., 2002]. Eine reine Enukleation der gut abgegrenzten pleomorphen Adenome ist wegen des häufig diskontinuierlichen Wachstumsmusters und einer Verschleppung der Tumorzellen ins ortsständige Gewebe bei Verletzung der bindegewebigen Pseudokapsel nicht zu empfehlen. Weiterhin besteht eine potenzielle maligne Transformationsrate in zwei bis fünf Prozent aller Fälle – wobei diese Wahrscheinlichkeit mit der Dauer des Wachstums ansteigt – und die Gefahr einer möglichen Satellitenbildung an der Basis ist groß [Kämmerer et al., 2009; Ihrler et al., 2009]. Bei einer bereits eingetretenen Transformation eines pleomorphen Adenoms in ein Karzinom mit durchbrochener Pseudokapsel ist die Prognose für eine vollständige Resektion und einen kurativen Therapieansatz weniger günstig [Tarakji et al., 2013].

PD Dr. Dr. Bassam SakaDr. Dr. Peer W. KämmererDr. Ferenc ÖriKlinik für Mund-, Kiefer-und GesichtschirurgieUniversitätsmedizin RostockSchillingallee 3518057 Rostock

Prof. Dr. Andreas ErbersdoblerUniversität RostockMedizinische FakultätInstitut für PathologieStrempelstr. 1418055 Rostock

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