Rechtsschutzversicherung

Oft geht’s auch ohne

sg
Ob man wirklich eine Rechtsschutzversicherung braucht, muss jeder für sich entscheiden. Fest steht: Viele können auf diese zusätzliche Ausgabe verzichten. Wenn schon, dann ist der günstigste Anbieter nicht unbedingt der beste. Es gibt viele Details zu beachten, um im Schadenfall wirklich einen Vorteil zu haben.

Die Deutschen verfügen über ein gesundes Unrechtsbewusstsein und streiten sich gern mal vor Gericht. Eine Umfrage des Gesamt verbands der Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt, dass etwa 60 Prozent der Bundesbürger schon mal eine rechtliche Auseinandersetzung hatten. Für sie stellt das Risiko, einen Streitfall zu verlieren und die daraus folgende Übernahme aller Kosten ein finanzielles Risiko dar. Dagegen kann man sich – wenn auch in Grenzen – absichern.

Für viele Verbraucherschützer gehört die Rechtsschutzversicherung eher zu den verzichtbaren Policen. So schreiben die Experten der Hamburger Verbraucherzentrale auf ihrer Homepage: „Eine Rechtsschutz-versicherung brauchen Sie nicht wirklich. Ein Rechtsstreit kommt nicht unvorbereitet auf einen zu ...“ Besser sei es, das eingesparte Geld für wichtigere Policen auszugeben. Ähnlich argumentiert auch der Bund der Versicherten: „Erst wenn Haftpflicht-, Berufsunfähigkeits-, Unfall-, Risikolebens-, Hausrat- und Wohngebäudeversicherung nach Bedarf ’unter Dach und Fach’ sind, sollte über eine Rechtsschutzversicherung nachgedacht werden.“ Schließlich ist eine rechtliche Auseinandersetzung nur selten existenzbedrohend.

Versicherung als mentale Bekräftigung

Dem will der unabhängige Versicherungsberater Andreas Kutschera, der auch für die Verbraucherzentrale NRW arbeitet, zwar nicht widersprechen. Doch er differenziert: „Ich halte Rechtsschutzversicherungen nicht für überflüssig. Es kommt darauf an, wie teuer ein Rechtsstreit werden kann.“ Seiner Meinung nach scheuen viele Betroffene eine juristische Auseinandersetzung, weil sie eine Explosion der Kosten fürchten. Für ihn hat der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung so etwas wie einen „Trau-Dich-Effekt“: „Er bereitet den Weg zum Anwalt. Diese Versicherung ist sehr typenbezogen.“ Das heißt, ob eine Rechtsschutzversicherung Sinn macht, hängt davon ab, mit welchen Problemen man befasst ist. So kommt auf Mieter anderer Ärger zu als auf einen Vermieter.

Häufige rechtliche Auseinandersetzungen gibt es auch bei Verkehrsdelikten oder im Streit mit den Nachbarn. Für wichtig hält Kutschera eine Police aber vor allem, wenn es darum geht, seine Rechte gegenüber einer Versicherung durchzusetzen. In diesen Fällen geht es schnell um große Summen. Das kann zum Beispiel einen Zahnarzt betreffen, der aufgrund einer Erkrankung oder eines Unfalls seinen Beruf nicht mehr ausüben kann und nun auf die Zahlungen der Berufsunfähigkeitsversicherung angewiesen ist. Gerade diese Versicherer sind bekannt dafür, dass sie Ansprüche genau prüfen und nach Verfehlungen des Versicherten suchen. Hat er zum Beispiel beim Ausfüllen des Fragebogens vor Abschluss der Versicherung geschummelt und Erkrankungen verschwiegen? Daraus kann ihm die Versicherung ganz schnell einen Strick drehen. Dann geht es darum, seine Ansprüche gegen den mächtigen Versicherer durchzusetzen. Ohne fachanwaltliche Begleitung dürfte dies beinahe unmöglich sein.

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Kosten eines Rechtsstreits kalkulieren

Ein Streit mit dem Nachbarn wegen überhängender Äste oder Geruchsbelästigung durchs Grillen lässt sich eigentlich auf güt- lichem Weg oder mithilfe eines Schieds-mannes beheben. Doch für andere Aus- einandersetzungen ist guter Rat teuer. Da gehen die Ausgaben für den Anwalt und das Gericht in die Tausende. Der GDV rechnet anhand einer Klage nach Kündigung eines Mietvertrags wegen Eigenbedarf vor: Der Streitwert beträgt 7 200 Euro. Die Kosten belaufen sich für den Anwalt auf 1 757 Euro, für den gegnerischen Anwalt auf 1 380 Euro und für die Gerichtskosten auf 600 Euro. Verliert der Kläger den Prozess, muss er die Gesamtsumme von 3 737 Euro berappen.

Noch teurer wird es, wenn er den Schritt in die zweite Instanz wagt. Eine Rechtsschutzversicherung übernimmt diese Kosten und alle weiteren Ausgaben. Dazu gehören auch außergerichtliche Kosten wie zum Beispiel die für einen Mediator, der als neutrale Person einen Streit schlichten kann.

Ausschlussbereiche der Versicherung mitdenken

Grundsätzlich ausgeschlossen sind Geldstrafen oder andere Ausgaben aufgrund eines Gerichtsurteils. Und noch eine weitere Einschränkung gilt: Der Versicherer zahlt nur, wenn der Fall Aussicht auf Erfolg hat. Laut Experten-Schätzungen werden daher rund zehn Prozent der Anträge auf Kostenübernahme abgewiesen.

Wer gerne für sein Recht kämpfen möchte und die Unterstützung einer Versicherung benötigt, sollte sich vor Vertragsabschluss über den Umfang des Versicherungsschutzes informieren. Denn einige Rechtsfragen sind meistens ausgeschlossen. Das betrifft zum Beispiel Auseinandersetzungen beim Hausbau, bei der Baufinanzierung oder beim Kauf und Verkauf von Immobilien. Auch einen Strafzettel wegen Falschparkens und zu schnellem Fahren muss der Versicherte selbst zahlen. Unterschiedlich handhaben die Versicherer Auseinandersetzungen im Steuer- und Sozialrecht. Das gilt auch für die Klagen von Kapitalanlegern. Hierbei geht es häufiger um größere Summen. Viele Versicherer schließen diesen Bereich komplett aus, andere beschränken den Anlagebetrag auf 25 000 Euro oder schließen Streit um Wertpapiere aus.

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Baukastenprinzip statt Komplettschutz

Einen Rundumschutz für alle Rechtsfragen gibt es nicht. Die Rechtsschutzversicherung funktioniert nach dem Baukastenprinzip. Die Verträge setzen sich aus verschiedenen Rechtsbereichen zusammen, die versichert werden. Man kann die Bausteine einzeln versichern oder als Kombination:

• Privat- und Berufsrechtsschutz

Bei vielen Fällen im täglichen Leben geht es um kleine Streitsummen. Weist zum Beispiel eine im Internet bestellte Ware Mängel auf, lohnt sich der Abschluss einer Rechtsschutzpolice nicht. Wer aber als Opfer eines Verkehrsunfalls auf Schadenersatz klagen will, braucht schon finanziellen Rückhalt, wenn er die Gutachterkosten bezahlen muss. Auch der Streit wegen der Berufs- unfähigkeitsrente gehört in diesen Bereich. Wer im beruflichen Bereich als angestellter Zahnarzt Risiken befürchtet, sollte ebenfalls einen Vertrag abschließen. Beim Streit um Abmahnungen, ausbleibende Gehälter oder Arbeitszeugnisse gibt es Unterstützung. Die meisten Versicherer verlangen eine Selbstbeteiligung von 150 Euro.

Das neue Patientenrecht stärkt die Ansprüche von Patienten, die wegen eines Behandlungsfehlers Schadenersatz verlangen können. In aussichtsreichen Fällen übernehmen Rechtsschutzversicherungen die finanziellen Risiken in bestimmten Grenzen. Zahnärzte, an die sich Forderungen auf Schadenersatz richten, können sich an ihre Berufshaftpflichtversicherung wenden.

•Verkehrsrechtsschutz

Diese Policen gibt es für Singles mit einem Auto und für Familien, die eins oder mehrere Fahrzeuge fahren. Versichert sind zum Beispiel die Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz, Bußgeldverfahren nach fahrlässigen oder vorsätzlichen Ordnungswidrigkeiten oder Auseinandersetzungen um die Fahrerlaubnis. Wer ohne Führerschein fährt, genießt auch keinen Rechtsschutz.

• Miet- und Vermieterrechtsschutz

Einen speziellen Schutz für Mietrecht gibt es nur selten. Meistens ist er nur als Zusatz zum Privatrechtsschutz zu haben. Versichert sind meistens Konflikte um Mieterhöhungen und ausbleibende Mietzahlungen, Kündigungen wegen Eigenbedarf oder Streit um die Nebenkostenabrechnungen. Vermieter finden auch spezielle Tarife für ihren Bedarf.

•Anlegerschutz

Anleger haben das Nachsehen. Für sie gibt es nur einen eng begrenzten Rechtsschutz in Auseinandersetzungen mit der Bank. Geht es um Wertpapiere, sind sie auf sich allein gestellt. Für andere Anlagen liegt die Grenze für den Streitwert meistens bei 25 000 Euro. Eine Ausnahme bilden die Tarife Allrecht und Premium Tarif von DAS. Sie decken unbegrenzt alle Kosten für Ärger um konservative Anlagen wie Sparverträge, Riester-Renten oder Lebensversicherungen. Dreht sich der Streit um Aktien und Fonds, liegt die Grenze für den Streitwert bei 20 000 Euro.

###more### ###title### Folge-Ereignis-Theorie muss dabei sein ###title### ###more###

Folge-Ereignis-Theorie muss dabei sein

Wer nach Prüfung seiner persönlichen Situation zu dem Schluss kommt, dass eine Rechtsschutzversicherung mehr Vor- als Nachteile bringt, sollte unbedingt darauf achten, dass bestimmte Punkte miteingeschlossen sind. Berater Kutschera: „Wichtig ist, dass die Ursache des Streits vor dem Abschluss des Vertrags liegen darf.“ Das kann zum Beispiel bei einer Auseinandersetzung wegen der Berufsunfähigkeitsversicherung der Fall sein, wenn die Versicherung behauptet, der Kunde habe die Fragen nach Vorerkrankungen nicht wahrheitsgemäß beantwortet.

Damit wird häufig die Zahlung einer Rente verweigert, weil die Ursache in der Vergangenheit liegt. Die sogenannte Folge-Ereignis-Theorie sollte eingeschlossen sein. Ein zweiter Tipp von Kutschera betrifft die Deckungssumme: Eine Million Euro reicht. Seiner Meinung nach gibt es so gut wie keine privatrechtlichen Fälle, die diese Grenze überschreiten. Wichtig ist auch noch die Länge der Wartezeit. Meistens dauert es drei Monate, gerechnet ab der Vertragsunterzeichnung, bis der Versicherungsschutz greift, und dieser sollte weltweit gelten.

Die Kosten für eine gute Rechtsschutz- versicherung liegen zwischen 206 Euro und 366 Euro jährlich. Einen Rundumschutz gibt es nicht. In vielen Fällen zahlen Versicherer nur das Honorar für eine Erstberatung. Ein Vergleich der Angebote ist schwierig. Denn die vom GDV herausgegebenen Muster- bedingungen weisen Lücken auf. Zudem müssen die Versicherer sich nicht daran halten. Sie können von den Musterklauseln abweichen. Einig sind sie sich aber darin, dass sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen, wenn der Kunde sich als besonders streitfreudig erweist.

 Das ist häufig schon bei zwei oder mehr Rechtsschutzfällen pro Jahr der Fall. Manche zeigen sogar nach einem Fall schon die rote Karte. Dieser wichtige Punkt sollte unbedingt vor Vertragsabschluss überprüft werden. Denn wer anschließend einen neuen Vertrag bei einem anderen Anbieter abschließen will, und die Frage nach der Kündigung des Altvertrags mit Ja beantworten muss, kann Probleme bekommen. Der Antrag wird verweigert und der Kunde findet seinen Namen in der sogenannten HIS-Datei, in der alle Vertragskündigungen gespeichert sind.

Aber auch für Nichtversicherte, die sich plötzlich in einer juristischen Auseinandersetzung wiederfinden, gibt es Hilfe. Gegen eine Erfolgsbeteiligung übernehmen Prozessfinanzierer das Kostenrisiko eines Prozesses. Sie springen nur bei aussichtsreichen Fällen ein. Es gibt sie für alle Rechtsgebiete. Die größten Prozessfinanzierer sind Foris, Legial und Roland Prozessfinanz. Sie bringen ihr Können aber erst ab einem Streitwert von 100 000 Euro und mehr ein. Neben der Aussicht auf den Gewinn des Streites prüfen sie auch die Finanzkraft des Gegners. Kann er nicht zahlen, bleiben sie auf ihren Kosten sitzen. Verlieren sie einen Prozess, über- nehmen sie allerdings auch die Kosten der Gegenseite.

###more### ###title### Alternativen zum gerichtlichen Streit ###title### ###more###

Alternativen zum gerichtlichen Streit

Wer nur wenig mit juristischen Streitfällen zu tun hat, kann vielleicht auf einen Ver- sicherungsschutz verzichten. Taucht trotzdem ein Problem auf und lässt es sich ohne Hilfe nicht lösen, gibt es Möglichkeiten außerhalb der Gerichte:

• Schiedsgericht

Dabei handelt es sich um ein privates Gericht, bei dem Juristen über zivilrechtliche Streitfälle entscheiden. An den Schiedsspruch sind beide Parteien gebunden. Er entspricht dem Urteil eines staatlichen Gerichts. Die Kosten des Verfahrens hängen vom jeweiligen Streitwert ab.

• Mediation

Mediatoren können vermitteln, wenn beide Streitparteien zustimmen. Die Kosten übernehmen die beiden Parteien je zur Hälfte. Konkrete Ausbildungsvorschriften gibt es nur für zertifizierte Mediatoren. Sie unter-liegen der Verschwiegenheitspflicht. Ihr Stundenhonorar liegt bei etwa 200 Euro. Viele Rechtsschutzpolicen schließen die Hilfe eines Mediators mit ein.

•Schiedsamt

Um die Gerichte zu entlasten, beauftragen Städte und Gemeinden unabhängige Schiedspersonen. Sie vermitteln bei privaten Streitigkeiten zum Beispiel zwischen Nachbarn. Es gibt keinen Schiedsspruch, sondern eine einvernehmliche Einigung. Die Kosten liegen meistens unter 100 Euro.

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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