Von Flagship- und Satelliten-Praxen

Fremdkapital meets Freier Beruf

Der einzige Zahnarzt im Deutschen Bundestag, Dr. Wieland Schinnenburg (FDP), hatte zu einer Podiumsdiskussion über Fremdkapital-finanzierte MVZ in die altehrwürdige Patriotische Gesellschaft von 1765 eingeladen. Das Thema stieß auf großes Interesse bei den Hamburger Zahnärzten, der Sitzungssaal im Schlagschatten des Hamburger Rathauses war bis auf den letzten Platz besetzt. Die spannende Diskussion zwischen dem Hamburger Kammerpräsidenten Konstantin v. Laffert und Cornelia Steinmeier, Direktorin der Colosseum Dental Deutschland GmbH, zeigte die Trennlinie zwischen Kapital und Zahnärzteschaft deutlich auf.

Der Erwartungshorizont der Zuhörer war klar gesetzt – neue MVZs, aggressive Kapitalgeber, Arbeitsbedingungen für Zahnärzte und strukturelle Probleme auf dem Land. Schinnenburg, der zuvor auch Abgeordneter der Hamburger Bürgerschaft war, verdeutlichte in seinem Eingangsstatement mit Blick auf die politische Diskussion in Berlin den Standpunkt seiner Partei: „Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der flächendeckenden zahnmedizinischen Versorgung durch niedergelassene Zahnärzte in eigener Praxis gemacht. Natürlich lehnen wir Freien Demokraten neue Versorgungsformen nicht grundsätzlich ab. Wir wollen allerdings, dass alle Anbieter gleiche Chancen haben. Das ist derzeit zwischen MVZs und niedergelassenen Zahnärzten nicht der Fall.“ 

Damit waren die Beweggründe der Podiumsdiskussion definiert. Steinmeier eröffnete den Abend mit ihrem Statement und erläuterte die Pläne der von der Jacobs Holding gegründeten Zahnarzt-Kette. „Die Colosseum Dental Deutschland GmbH möchte angesichts der demografischen Entwicklung, des Fachkräftemangels, des medizinisch-technischen Fortschritts, des sich verändernden Rollenbilds des Heilberuflers und der künftigen Finanzierung des Gesundheitswesens diesen Herausforderungen mit ihrem zukunftsorientierten Konzept des Praxisverbunds begegnen und einen nachhaltigen Beitrag zur flächendeckenden zahnmedizinischen Grundversorgung in Deutschland leisten.“ Sie betonte: „Wir setzen nicht auf schnelle Rendite, sondern auf eine nachhaltige Weiterentwicklung des Dentalmarkts.“ Und setzte abschließend noch nach: „Durch unseren Praxisverbund können wir auf viele weitere Synergien zurückgreifen, beispielsweise auch in Bereichen der Finanzen oder des Einkaufs von medizinischen Geräten.“ 

„Zahnmedizin wird zur Handelsware“

Man sei ein strategischer Investor, der bereits im Ausland seit einigen Jahren aktiv sei. So gebe es Colosseum in Skandinavien, Großbritannien, Italien, der Schweiz – und seit ein paar Monaten nun auch in Deutschland. Man unterscheide sich von den großen Fonds, die ebenfalls in Deutschland am Markt seien, durch den Wunsch nach einer nachhaltigen und langfristigen Zusammenarbeit mit Zahnärzten. Fonds wollten üblicherweise nach einigen Jahren eine Investition gewinnbringend verkaufen, das sei bei Colosseum anders. Auch die Versorgung der Bevölkerung auf dem Land sei Colosseum wichtig, man wolle mit „Flagship“-Praxen in den großen Städten und „Satellitenpraxen“ auf dem Land arbeiten. Das Management von Colosseum habe schon auf anderen Feldern wie Zeitarbeit (Adecco) bewiesen, dass es wirtschaftlich erfolgreich arbeiten könne. 


Konstantin v. Laffert schilderte in seinem Eingangsstatement zunächst die gesetzlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre, die die Fremdkapital-finanzierten MVZ trotz eines Fremdkapitalverbots in den Berufsordnungen der Kammern überhaupt erst ermöglicht hätten. Er sprach von einer „explosionsartigen Ausbreitung“ der MVZ. Seit 2015 sei die Zahl bundesweit von 28 auf 540 im Jahr 2017 gestiegen. Er sei sich sicher, dass die schwerwiegendste Veränderung der Struktur der Zahnmedizin in der Bundesrepublik bevorsteht – wenn die Politik nicht regulierend einschreite.

Im Hinblick auf Colosseum äußerte er die Befürchtung, dass sich deren Geschäftsmodell nur geringfügig von den Strategien riesiger Fonds wie EQT oder Investcorp unterscheiden würde. Als Beispiel führte er die Schweizer Kette „Swiss Smile“ an, die Colosseum vom EQT Fond 2017 erworben habe. „Zahnmedizin wird somit zur Handelsware“ brachte es v. Laffert auf den Punkt. Er habe Sorge, dass der Zahnarztberuf nicht mehr wie in den Heilberufsgesetzen verankert eigenverantwortlich und fachlich unabhängig, sondern von wirtschaftlichen Vorgaben der Investoren beeinflusst ausgeübt werde. „Renditegetriebene Medizin“ nannte er diese Entwicklung, die man schon in einigen Krankenhäusern beobachten könne, in denen nicht die Ärzte, sondern die kaufmännische Leitung über zum Beispiel das Fabrikat der zu verwendenden Hüftgelenkprothesen entscheide.


 Moderator Dr. Schinnenburg musste nicht lange auf Fragen des zumeist zahnärztlichen Auditoriums warten. Colosseum-Managerin Steinmeier sah die Sorgen um die Therapiefreiheit als unberechtigt an. „Bei uns entscheidet der Zahnarzt – nicht der Controller“, sagte die Betriebswirtin und pries besonders die Vorteile für junge Kollegen und Kolleginnen an, die sich bei Colosseum bieten würden. Die Skepsis im Publikum konterte Steinmeier mit der Bemerkung „Wir kaufen nur diejenigen, die auch mit uns in die Zukunft wollen“ – es werde also niemand gezwungen, für Colosseum zu arbeiten.

„Wir kaufen nur die, die mit uns in die Zukunft wollen“

Auch die Rekrutierung von nicht-zahnärztlichen Mitarbeiterinnen wurde diskutiert. Konstantin v. Laffert äußerte die Befürchtung, dass die großen Ketten den mühsam in den Praxen ausgebildeten und qualifizierten Kräften finanziell bessere Angebote machen können, da die Ketten in anderen Bereichen wie dem Materialeinkauf Ersparnisse hätten. Das könne zu einer weiteren Verschärfung der ohnehin sehr angespannten Personalsituation in den Praxen führen. Steinmeier wies daraufhin auf die geplante eigene Fortbildungsakademie hin, die Colosseum außerdem plane.


Beim Thema ländliche Versorgung betonte v. Laffert, dass etwa 80 Prozent der MVZ in den kaufkraftstarken größeren Städten angesiedelt seien. Insofern hoffe er, dass Colosseum die Pläne für die Fläche auch umsetzen werde und Wort halte.

Zwischendurch musste Dr. Schinnenburg mehrfach aus der Rolle des Moderators in die des Politikers schlüpfen. Deutlich wurde, dass die FDP beim Thema Freie Berufe vs. Deregulierung innere Spannungen aushalten muss, deren Ausgang ungewiss ist.

In Ihrem Schlusswort bat Cornelia Steinmeier erneut darum, dass die Zahnärzteschaft ein Modell wie das von Colosseum offen diskutieren und annehmen solle. Die Vorteile gerade für die vielzitierte „Generation Y“ lägen auf der Hand und man wolle gute, nachhaltige Zahnmedizin mit guten Zahnärzten und Mitarbeitern machen.

Konstantin v. Laffert sah das erwartungsgemäß anders. „Zahnmedizin ist kein Gewerbe! Investoren sollen nicht kaputt machen, was die Zahnärzteschaft in Jahrzehnten durch großes Engagement an hervorragenden Versorgungsstrukturen in diesem Land aufgebaut hat. Fremdkapital in der Zahnmedizin ist weder für die Patientinnen und Patienten noch für die Krankenkassen und schon gar nicht für die Zahnärzteschaft von Vorteil“, lautete sein Resümee.

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