Einbruch in die Praxis

Wie im Horrorfilm

Mehr als 25 Jahre fühlten wir uns wohl und sicher in unseren Praxisräumen. Dieses Gefühl ging meinem Praxisteam und mir abrupt verloren: Die organisierte Kriminalität hatte zugeschlagen, wir waren ausgeraubt worden und von heute auf morgen nicht mehr in der Lage, unseren Beruf weiter auszuüben.

Als ich am Ostermontag, dem 28. März 2016, gegen 11 Uhr meine Praxisräume im dritten Geschoss eines Ärztehauses betreten wollte, stellte ich fest, dass meine Schlüssel weder in die Etagen- noch in die Praxistür passten. Zudem wurde die angelehnte Praxistür durch ein Papierknäuel im oberen Bereich der Tür offengehalten. In der Aufregung kam ich so ungeschickt an die Tür, dass das Bündel Papier heraus- und die Tür zufiel, so dass ich die Praxis nicht mehr betreten konnte. Unverzüglich alarmierte ich die Polizei und einen Schlüsselnotdienst. Die Polizei teilte mir noch mit, dass ich aus sicherheits- und versicherungstechnischen Gründen den Tatort auf gar keinen Fall vor dem Eintreffen der Polizeibeamten betreten sollte.

Als die Polizei vor Ort war, wurden sofort der Hauseingang, das gesamte Treppenhaus, der Flur vor unserer Praxis und die Praxisräume mit gezogener und entsicherter Waffe kontrolliert, denn es lag der Verdacht nah, einer oder mehrere Täter könnten sich noch im Objekt befinden. Ein Polizist versuchte vergeblich, die Praxistür mit dem zugehörigen Schlüssel zu öffnen. Er teilte mir mit, dass der Schließzylinder aller Voraussicht nach professionell manipuliert worden war. Das Schloss müsse später auf jeden Fall ausgebaut und kriminaltechnisch auf Spuren hin untersucht werden. Dies sei notwendig, um die Manipualtion bei der Versicherung nachweisen zu können. Nachdem der Schlüsselnotdienst die Tür geöffnet hatte, betraten die Polizeibeamten die Praxis. Als feststand, dass sich niemand mehr in der Praxis befand, durfte ich eintreten.


Das waren Profis!

Unvorstellbar, mit welcher Professionalität die Einbrecher vorgegangen waren: Insgesamt waren fünf Türen gewaltsam, aber professionell geöffnet worden, sogar eine Stahltür mit zusätzlicher Verriegelung im Mauerwerk war nach Information der kriminaltechnischen Untersuchung innerhalb von wenigen Minuten aufgebrochen worden. Eine Alarmanlage und die komplette Elektrik der Praxis waren fachmännisch funktionsuntüchtig gemacht worden. 

Nur 10 Sekunden

Für das Aufbrechen eines Fensters reichen 10 bis 15 Sekunden. Ein guter Schutz gegen Einbrüche sind daher alle Maßnahmen, die den Zeitaufwand des Täters erhöhen. Fenster und Türen sollten daher zusätzlich mit einbruchhemmenden Schutzbeschlägen, Querriegel- und Kastenschlössern oder Schließblechen gesichert sein.

Quelle: GdV-Einbruchreport 2017

Wir liefen von Raum zu Raum und waren fassungslos, was die Einbrecher alles entwendet hatten. Sämtliche Schublaben in den Behandlungszimmern waren herausgezogen und geleert worden, alle Handstücke, Motorschläuche und Motorpatronen an den Behandlungsstühlen fachgerecht abgeschraubt. Alle zusätzlichen zahnärztlichen Geräte, die auf fahrbaren Carts neben den Behandlungsstühlen gestanden hatten, waren ebenfalls gestohlen worden. Die Einbrecher mussten stundenlang Zeit gehabt haben, um ihr Diebesgut über das Treppenhaus abzutransportieren.

Ein Bild der Verwüstung

Als wir unsere Büroräume betraten, bot sich uns auch dort ein Bild vollständiger Verwüstung. Sämtliche abgeschlossenen Schranktüren waren gewaltsam geöffnet worden, wertvolle zahnärztliche Gerätschaften wie Chirurgielaser, Helbo®-Laser, Laserschutzbrillen, Lupenbrillen, DiagnodentTM-Geräte, Spiegelreflexkamera, Blitzgeräte, Implantate, elektronische Geräte, Computer und Beamer – nicht mehr da; Tresore und Wertschränke geöffnet. Tresore, die sie nicht hatten aufmachen können, hatten die Diebe aus der Wand herausgerissen und entwendet, zudem sämtliche Elektroleitungen aus den Wänden herausgerissen und durchtrennt. Im Steriraum und im Labor hatten die Einbrecher alle Schubladen aufgezogen und geplündert: Es fehlten alle Handstücke, Winkelstücke und Turbinen – ebenso wie das komplette zahnärztliche Instrumentarium, das chirurgische Instrumentarium, alle Operationstrays, unsere digitale Cerec-Aufnahmeeinheit und vieles mehr. Die Beute war über das Treppenhaus abtransportiert, schwere Güter mit dem Fahrstuhl nach unten gebracht und in ein bereitstehendes Fahrzeug verladen worden. Keiner der Anwohner hatte etwas gesehen, niemand im Haus hatte etwas gehört – kein Mieter, kein Nachbar, kein Passant.


Keine Spuren, nirgends

Vergeblich versuchten drei Kriminalbeamte der Spurensicherung Fingerabdrücke an den aufgebrochenen Türen und der Einrichtung der Praxis sicherzustellen: Die Einbrecher hatten Handschuhe getragen und keinerlei Spuren hinterlassen. Die Kriminalpolizei machte sehr viele Fotos zur Beweissicherung und forderte uns auf, ebenfalls so viele Fotos wie möglich zur Dokumentation anzufertigen. Außerdem informierten mich die Kriminalbeamten, dass ich noch heute meine Praxisinventarversicherung über den Einbruch in Kenntnis setzen und unverzüglich damit beginnen solle, eine Schadenliste zu erstellen, um sie in den nächsten zwei Tagen der örtlichen Polizeidienststelle vorzulegen. 

Da ich als Versicherungsnehmer eine Schadenminderungspflicht habe, war es zusätzlich meine Aufgabe, sofort dafür zu sorgen, dass die Praxisräume wieder ordentlich verschlossen werden konnten. Die Kriminalpolizei sagte uns noch, dass dieser Einbruch kein Einzelfall sei: An dem Wochenende seien mehrere Zahnarztpraxen in Deutschland ausgeraubt worden – es sei sehr schwierig, die Täter zu finden und zur Rechenschaft zu ziehen. Fest stehe lediglich: Es geht um organisierte Kriminalität. 

Ohnmächtig, ausspioniert, ausgeliefert

Wir waren alle sehr schockiert von dem Ausmaß des Einbruchs. Die Gefühle, die in so einem Moment in einem aufkommen, sind kaum in Worte zu fassen. Man fühlt sich ohnmächtig, ausspioniert, verraten und ausgeliefert. An eine zahnärztliche Berufsausübung ist nicht mehr zu denken. Jetzt geht es um die Existenz, ums betriebswirtschaftliche Überleben, jetzt ist zweitrangig, ob ein Kronenrand unterfahrbar ist oder nicht. Sofort quält einen der Gedanke, ob das Praxisinventar ausreichend versichert ist, ob alle Geräte, die in einem langen Praxisleben angeschafft wurden, durch eine regelmäßige Erhöhung der Versicherungssumme abgedeckt sind, ob zusätzlich eine ausreichende Betriebsunterbrechungsversicherung abgeschlossen wurde, damit die laufenden Kosten wie Löhne, Lohnnebenkosten, Miete und Finanzierungskosten gedeckt sind. 

Fast ein Jahr hat es gedauert, bis wir alle den Einbruch einigermaßen verarbeitet, alle entwendeten zahnärztlichen Geräte wiederbesorgt hatten und die Formalitäten mit den Versicherungen abgeschlossen waren. Eine Zeit, die geprägt war von sehr viel Stress und einer sehr hohen physischen, psychischen und finanziellen Belastung.

Dr. Thomas Höner67227 Frankenthal

Checkliste

Einbruchsprävention

  • Auf Basis seiner Erfahrungen hat Dr. Thomas Höner seine Masterarbeit zur Einbruchsprävention in Zahnarztpraxen geschrieben. Seine wichtigsten Tipps:

  • Kassenbestände so niedrig wie möglich halten – gegebenenfalls am Ende des Arbeitstages und am Wochenende eine geöffnete Geldkassette mit einem niedrigen Bargeldbetrag sichtbar an der Rezeption der Praxis abstellen. Gelegenheitsdiebe können so schnell Beute machen, halten sich dadurch nur kurz in der Praxis auf und zerstören in der Regel kein Mobiliar.

  • Praxisinventarverzeichnis aktuell halten.

  • Jährlich die Höhe der Praxisinventarversicherung an die aktuellen Gegebenheiten der Praxis anpassen (drohende Unterversicherung) – Stichwort: integrierte Dynamik.

  • Die Versicherungssumme sollte dem Neuwert der Praxis, also dem aktuellen Wiederbeschaffungswert, entsprechen.

  • Wertgegenstände nur im Bankschließfach oder im Tresor lagern. Rechnung für Kauf des Tresors aufbewahren, beim Kauf die Widerstandsklassen, in die Tresore eingeteilt sind, berücksichtigen.

  • Zugangstüren zur Praxis mit Magnet- und Riegelkontakten ausstatten, Fenster mit abschließbaren Fenstergriffen sichern. Herkömmliche Schließ- gegen einbruchssichere Transpondersysteme tauschen.

  • Regelmäßige Datensicherung – am besten voll automatisiert, zum Beispiel durch eine regelmäßige Spiegelung der Festplatten oder mithilfe eines zusätzlichen Rechners, der zur Datensicherung eingesetzt wird. Datensicherung auf unterschiedlichen Medien durchführen.

Thomas HönerEinbruchsprävention und Krisenmanagement. Einbruch in einer Zahnarztpraxis.Grin Verlag, 2017.ISBN/EAN: 9783668685710

Checkliste

Nach dem Einbruch

  • Tatort vor dem Eintreffen der Polizei nicht betreten. Nicht eigenmächtig handeln. Das Leben und die Gesundheit sind höher zu bewerten als alle Sachwerte.

  • Anzeige erstatten. Die Vorgangsnummer der Versicherung mitteilen. 

  • Steuerberater und Rechtsanwalt informieren und diese bitten, beim Begehungstermin der Versicherung dabei zu sein.

  • Zeitnah einen Termin mit dem Sicherheitsbeauftragten der Polizei vereinbaren und ein Konzept für die Praxisräume entwickeln.

Auszug aus Höners Checkliste

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