40 Jahre Mercy Ships

Das Schiff der Hoffnung

Die Zahlen sind überwältigend: 40 Jahre, 594 Häfen, 56 Länder, jährlich rund 1.000 Ehrenamtliche an Bord – und über 445.000 zahnmedizinische Eingriffe. Insgesamt wurde seit Gründungsbeginn mehr als 2,71 Millionen Menschen geholfen. Wo jeder Mensch wertvoll ist, wächst aus Nächstenliebe Hilfe und Heilung.

Seit 1978 verfolgt Mercy Ships das Ziel, weltweit den Zugang zu medizinischer Versorgung zu verbessern und Menschen zu heilen. Insbesondere möchte der Verein Menschen helfen, die durch entstellende und behindernde Krankheiten – vielfach verstärkt durch extreme Armut – zu Ausgestoßenen ihrer Lebensgemeinschaften geworden sind. Die Länder, in denen Mercy Ships tätig ist, zählen laut United Nations Human Development Index zu den ärmsten der Welt. So fährt das nach eigenen Angaben größte Hospitalschiff der Welt, die „Africa Mercy“, in erster Linie Häfen an der Westküste Afrikas an. 

„Viele Menschen in Afrika südlich der Sahara haben noch nie einen Zahnarzt gesehen und können sich eine Behandlung bei den wenigen vorhandenen Zahnärzten leider auch gar nicht leisten“, berichtet der Vorstandsvorsitzende von Mercy Ships Deutschland e. V., Martin Dürrstein. Zahnerkrankungen sind dort ihm zufolge ein großes Problem. „Seit 1978 konnten wir sehr viele Patienten zahnmedizinisch behandeln. Außerdem sorgen wir dafür, dass unser Einsatz dauerhaft Früchte trägt, auch nachdem die ‚Africa Mercy‘ den Hafen verlassen hat.“ So biete man der Bevölkerung Aufklärung in Zahnhygiene und Weiterbildungen für lokale Zahnmediziner an. Dennoch bleibe noch viel zu tun. „Bei jedem Einsatz werden wir erneut von Tausenden Hilfesuchenden angefragt, die unter Zahnproblemen leiden“, sagt Dürrstein. 

Über 400 Ehrenamtliche als ständige Besatzung

So dürfe man eben nicht müde werden. Seit nun 40 Jahren folge Mercy Ships dem Vorbild Jesu, notleidenden Menschen aus Nächstenliebe Hoffnung und Heilung zu bringen. Dürrstein: „Ein Bereich ist die zahnmedizinische Hilfe, die nur möglich ist, weil uns dabei ehrenamtlich oder finanziell sehr viele Mediziner und Privatpersonen unterstützen. Gemeinsam wollen wir noch mehr Kranke heilen und zusätzlich dauerhaft das Gesundheitswesen vor Ort stärken, weil jeder Mensch wertvoll ist.“


Eine ständige Besatzung von über 400 ehrenamtlichen Mitarbeitern kümmert sich auf der Africa Mercy um die gesundheitlichen Belange von zum Teil Schwersterkrankten. Durchgeführt werden dringend indizierte fachchirurgische Eingriffe. Insgesamt wurden bislang laut Verein 594 Häfen in 56 Entwicklungsländern besucht. Die Einsatzdauer in einem Hafen beträgt normalerweise zehn Monate. Angelaufen wurden in den vergangenen Jahren unter anderem Kamerun, Benin, Madagaskar und die Republik Kongo. Von August 2018 bis Juni 2019 befindet sich das Schiff in Conakry, der Hauptstadt Guineas. Alle Ehrenamtlichen, ob Zahnarzt, ZFA, Reinigungskraft, Techniker, Lehrer, Krankenschwester oder Chirurg, tragen die Kosten für Unterkunft und Verpflegung selbst. 

Die Geschichte von Mercy Ships

1978 gründete der Theologe Don Stephens, der damals in der Schweiz lebte, in Lausanne „Mercy Ships“. 

Seit 1995 gibt es auch den gemeinnützigen Verein „Mercy Ships Deutschland e. V.“. Er ist Teil eines Zusammenschlusses von insgesamt 16 Ländervertretungen von Mercy Ships in allen Teilen der Welt. Mercy Ships Deutschland, seit 2017 mit Sitz in Landsberg am Lech in Oberbayern, ist als gemeinnützig anerkannt. Geleitet wird Mercy Ships Deutschland von einem siebenköpfigen Vorstand.

Über die Behandlungen an Bord und in örtlichen Kliniken hinaus führt Mercy Ships in Zusammenarbeit mit den Gastgeberländern auch Fort- und Weiterbildungen für medizinisches Fachpersonal durch. Ärzte, Zahnärzte, medizinisches Hilfspersonal, Chirurgen, Anästhesisten, Krankenschwestern und Gesundheitspfleger werden nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“ geschult. 

Laut World Dental Federation kommt auf 150.000 Menschen in Afrika ein Zahnarzt. Viele sind noch nie in einer Zahnarztpraxis gewesen. Obwohl die sozialen und wirtschaftlichen Belastungen durch Mundkrankheiten sehr groß sind, gehört die Zahnmedizin immer noch zu den vernachlässigten Bereichen der globalen Gesundheitsversorgung. Mercy Ships bekämpft diesen Notstand, indem der Verein über ehrenamtliche Zahnärzte Zahnerkrankungen heilt, vorsorgende und wiederherstellende Behandlungen durchführt sowie Aufklärung in Zahnhygiene betreibt. Ziel ist die Behandlung von Zahnerkrankungen durch Zahnsanierung, Zahnersatz, Extraktionen und Zahnreinigung.

40 Jahre in Zahlen

  • Mehr als 95.000 lebensrettende und lebensverändernde Operationen – wie die Entfernung von Fisteln bei Frauen, wiederherstellende plastische Operationen nach Verbrennungen, orthopädische Operationen (etwa zur Heilung von Kindern mit Klumpfüßen)

  • Ausbildung von 6.315 Fachkräften aus dem Gesundheitswesen zu Schulungsleitern 

  • Fortbildung von über 42.250 einheimischen Fachkräften in ihren jeweiligen Fachgebieten (Anästhesie, Geburtshilfe, Sterilisation, Orthopädie, wiederherstellende Chirurgie, Mitarbeiterführung)

  • Unterweisung von über 239.000 Einheimischen in den Grundlagen allgemeiner Gesundheit und Hygiene

  • Durchführung von mehr als 1.110 Entwicklungsprojekten mit Schwerpunkten auf Wasser und Hygiene, Bildung, Infrastruktur und Landwirtschaft

Qelle: Mercy Ships


Insgesamt kommt Mercy Ships laut Vereinsangaben auf mehr als 95.000 lebensverändernde Operationen – etwa Lippen-Kiefer-Gaumenspalten-Korrekturen, Kataraktoperationen, orthopädische Eingriffe, Gesichtswiederherstellungen und gynäkologische Fisteloperationen. Da viele Menschen in Entwicklungsländern keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben, wachsen unbehandelte gut- wie bösartige Tumore oft einfach weiter. 

Die MKG-Chirurgie auf der Africa Mercy besteht aus drei Bereichen: Lippen- und Gaumenspalten bei Kindern, Gesichtsentstellungen, die durch die bakterielle Infektion Noma entstehen, und große, gutartige Tumore an Kopf und Hals. Laut Jahresrückblick 2017 wurden 394 MKG-Operationen und 90 Lippen- und Gaumenspalten-OPs durchgeführt. Insgesamt wurden seit 1978 175.000 Zahnpatienten behandelt, an denen mehr als 445.000 zahnärztliche Eingriffe vorgenommen wurden. 

Erlebnisbericht Dr. Hannah Petry

„Das ist es: Da muss ich hin!“


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Dr. Hannah Petry, selbstständige Zahnärztin aus Bad Soden, war in diesem Jahr das zweite Mal auf der „Africa Mercy“. Was sie antreibt, erzählt sie hier.

„Seit Beginn meines Studiums wusste ich, dass ich eines Tages ehrenamtlich hilfsbedürftigen Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubern möchte. 2016 habe ich eine Dokumentation über Mercy Ships gesehen und wusste sofort: Das ist es, da muss ich hin! Ich war direkt von diesem Konzept überzeugt,das war einfach ein Gefühl. Unmittelbar danach habe ich mit der Bewerbung begonnen. 

Nach dem bestandenen Auswahlverfahren war es im Januar 2017 endlich so weit – und mein erster Einsatz in Benin stand vor der Tür. Voller Vorfreude, Aufregung und Spannung ging es am 1.1. nach Cotonou in Benin: Die MS „Africa Mercy“ war für die nächsten zwei Wochen mein Zuhause. 

Das Leben auf dem Schiff ist wie in einer großen Familie, ich hatte das Gefühl, man kennt sich schon ewig. Auch wenn der persönliche Raum sehr klein ist, ist die persönliche Entfaltungsmöglichkeit bereichernd.

Jeden Morgen nach dem Frühstück ging es für das Dental Team in die Zahnklinik, ein Gebäude, das eigens von Mercy Ships renoviert und saniert wurde. Die Klinik befindet sich meist auf dem Gelände des örtlichen Krankenhauses. Das komplette dentale Equipment ist gesponsert, wird von Einsatz zu Einsatz mitgenommen und neu aufgebaut – jeder Zahnarzt wird „seine“ Instrumente finden. 

Im Dental Team arbeiten etwa vier Zahnärzte und Zahnmedizinische Fachangestellte sowie eine Dental Hygienist und viele helfende Hände, die im Background organisieren. Die Patienten bekommen während der Wartezeiten Instruktionen für eine bessere Mundhygiene und auch viele Informationen rund um das Thema Ernährung. 

Herz des Teams ist wohl die Day Crew, die sich für den gesamten Einsatz für die Arbeit für Mercy Ships gemeldet hat. Die gemeinsame Arbeit mit so vielen Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen ist unglaublich inspirierend und hat mir ein ganz neues, außergewöhnliches Gefühl gegeben. Jeden Morgen gibt es eine sogenannte Devotion, bei der gemeinsam gebetet, getrommelt und in den Tag getanzt wird mit den Worten „Go Team – Amen“ – ein allmorgendliches neues Lebensgefühl. 

Die Patienten kommen von nah und fern, nehmen weite Anreisen und Wartezeiten in Kauf, weil sie mit einer so großen Hoffnung in die Klinik kommen. Man behandelt alles von einfachen kariösen Läsionen bis hin zu monatelang gewachsenen Abszessen, doch Extraktionen sind das Tagesgeschäft. Die Behandlungen und vor allem die Menschen, die meist sehr ängstlich, aber voller Hoffnung in dich als Zahnarzt auf dem Behandlungsstuhl sitzen, haben mich herausgefordert und sehr bewegt. Es ist ein überwältigendes Gefühl, den Menschen helfen zu können, die tiefe, ehrliche Dankbarkeit und das Lächeln danach treffen mitten ins Herz. 

Zusammenfassend sind die Arbeit und das Leben auf der MS „Africa Mercy“ eine unglaubliche Reise nicht nur zu sich selbst, es ist viel mehr eine fantastische Erfahrung, mit vielen Gefühlen. Vor allem das Leben und die Akzeptanz aller Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen ist ein Abenteuer, auf dem ich wunderschöne Freundschaften fand. Ohne lange nachzudenken, war mir sofort klar: Ich will wieder hin. 

So war ich dann in diesem Jahr erneut für drei Wochen auf dem Schiff in Douala in Kamerun. Nicht zum letzten Mal!

Dr. Hannah PetryDr. Petry & TuschenKönigsteiner Str. 55B65812 Bad Soden


Die Arbeit von Mercy Ships finanziert sich in erster Linie durch private Spenden. Mit einer monatlichen Spende von 30 Euro wird etwa die Augenfortbildung von zwei Ärzten ermöglicht, informiert der Verein. Derzeit arbeiten jährlich durchschnittlich rund 1.000 Ehrenamtliche aus gut 40 Nationen an Bord.

Spenden: online: www.mercyships.de/spendeBankverbindung:Mercy Ships Deutschland e. V.Kreis- und Stadtsparkasse KaufbeurenIBAN: DE58 7345 0000 0000 5244 47BIC: BYLA DE M1 KFB

Erlebnisbericht ZFA Isabel Roth 

„Die Arbeit war anstrengender als in der Praxis!“

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Die ZFA Isabel Roth aus Karben im Wetteraukreis bei Frankfurt am Main gewann 2016 die von Dürr Dental gesponserte zm-Verlosung für einen Hilfseinsatz auf der „Africa Mercy“. Gerade kommt sie von ihrem Hilfseinsatz in Conakry, Guinea, zurück.

Was hat Sie bewogen, an einem Hilfseinsatz teilzunehmen? Wieso gerade die „Africa Mercy“? 

Isabel Roth:

Ich habe mich für diesen Hilfseinsatz entschieden, da ich die Idee gut finde, die Menschen nicht nur zu behandeln, sondern dass es auch darum geht, die Einheimischen zu schulen und unser Wissen weiterzugeben. Denn nur so können wir auf lange Sicht helfen und die medizinische Versorgung in diesen Ländern früher oder später gewährleisten. 

Die „Africa Mercy“ hat genau so eine Dentalschule aufgebaut. Denn das Problem in Afrika ist schlicht und einfach, dass es keine niedergelassenen, gut ausgebildeten Zahnärzte gibt, und auch viel zu wenige Ärzte in anderen Bereichen.

Viele Menschen auf engstem Raum – Wie haben Sie die Atmosphäre auf dem Schiff empfunden?

Ich wurde dem größten Zimmer auf dem Schiff zugeteilt, das mit zehn Frauen belegt war. Zu dem Zimmer gehörten zwei Bäder, wir hatten einen Wasserhahn, einen kleinen Kühlschrank und eine kleine Couch. Anfangs stellte ich mir diese Schlafsituation sehr schwierig vor, was sich aber als völlig unbegründet herausstellte. In dem großen Raum waren Wände eingezogen, so dass kleine, einzelne Bereiche entstanden. Da die Atmosphäre auf dem Schiff und der Umgang miteinander sehr locker, verständnisvoll und rücksichtsvoll sind, war es auch kein Problem, zu unterschiedlichen Zeiten ungestört schlafen zu gehen und aufzustehen. Man hatte auch nicht das Gefühl, keine Privatsphäre oder keine Zeit für sich selbst zu haben, da man sich aufgrund der unterschiedlichen Arbeitszeiten selten im gemeinsamen Zimmer begegnete. 

Wie sah die tägliche Arbeit aus? Hatten Sie auf dem Schiff zahnmedizinisch mehr Möglichkeiten als in der Praxis?

Die tägliche Arbeit war anstrengend, anstrengender als in der Praxis. Neben der ungewöhnlichen Verständigung, kennt man auf dem Schiff die Vorlieben des behandelnden Zahnarztes, die vorhandenen Instrumente oder Materialien natürlich nicht alle von Beginn an. Das vereinfachte das Arbeiten nicht gerade. Da ich in Deutschland bei einem Oralchirurgen gelernt habe, konnte ich auf dem Schiff nicht mehr machen als in der Praxis. 

Erschüttert war ich über den schlechten Zustand der Zähne unserer Patienten. So etwas kann man sich nicht vorstellen, wenn man es nicht selbst gesehen hat. Oft bestand unsere Arbeit nur noch im Extrahieren von Zahnwurzeln, mehr war leider nicht mehr möglich.

Wie erfolgte die Verständigung?

Jedes Team – Zahnarzt und Assistenz – bekam einen einheimischen Übersetzer zur Verfügung gestellt, der die Patienten aufrief und auch während der Behandlung zur Seite stand, da die meisten Patienten natürlich sehr aufgeregt, ängstlich und nervös waren. Nach der Behandlung haben wir die Behandlung dokumentiert und das Team am Empfang, das ebenfalls aus einheimischen Übersetzern bestand, hat die Patienten über das Verhalten nach der Operation, die Einnahme der verordneten Medikamente und über Folgetermine aufgeklärt. 

Was haben Sie von dem Einsatz mitgenommen?

Ich habe viele positive Erfahrungen und Eindrücke mitgenommen. Zum einen von den Patienten und von den einheimischen Übersetzern, die sehr dankbar waren und dem ganzen Team sehr viel Anerkennung geschenkt haben. Zum anderen auch von den Menschen auf dem Schiff, die alle sehr rücksichtsvoll, offen, unvoreingenommen und hilfsbereit waren. Man fand sehr schnell Anschluss und wurde direkt integriert ins alltägliche Schiffsleben. Ich denke, ich habe bezüglich der Lebensumstände in Afrika nun ein realistisches Bild.

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