PZR – ohne Effekt auf parodontale Gesundheit?
In einem aktuellen Review untersucht eine internationale Forschergruppe der Cochrane Oral Health Kollaboration den Effekt einer professionellen Zahnreinigung (PZR) auf die parodontale Gesundheit sowie den Auswirkungen unterschiedlicher Recall-Intervalle - und kommt dabei zu überraschenden Ergebnissen.
"Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage"
titelte daraufhin ein deutsches zahnmedizinisches Online-Fachjournal. Was steckt dahinter?
Zunächst einmal ist vorweg zu nehmen, dass sich die im Review untersuchte PZR in den Inhalten deutlich von der in Deutschland etablierten unterscheidet und deshalb keine Übertragung der Ergebnisse erfolgen darf. Außerdem wurden lediglich zwei britische Studien in das Review eingeschlossen - immerhin mit einer Gesamtzahl von 1.711 parodontal gesunden Patienten. Beide Studien wurden in Zahnarztpraxen über einen Dokumentationszeitraum von jeweils zwei bis drei Jahren durchgeführt.
Bewertung
Kurzbewertung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zum Abstract des systematischen Cochrane Reviews "https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD004625.pub5/full - external-link-new-window
Die Bundeszahnärztekammer stellt fest:
1. Die in Fachmedien publizierte Interpretation "Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage" gibt die Aussagen des Original-Abstracts nicht korrekt wider.
1.1. Denn die im Abstract beschriebene PZR-Definition entspricht nicht dem Umfang einer PZR, die in deutschen Zahnarztpraxen angeboten wird.
["Eine routinemäßige Zahnsteinentfernung und Zahnpolitur ist definiert als das Zahnsteinentfernen oder Polieren oder beides der Kronen- und Wurzeloberflächen von Zähnen, um lokale Reizfaktoren (Plaque, Zahnstein, Ablagerungen und Verfärbungen) zu entfernen, die keine parodontale Therapie erfordern."]
Eine PZR besteht im Wesentlichen aus den Hauptschritten: Zähne professionell reinigen, Polieren und Fluoridieren. Aber auch eine Beratung, Unterweisung, Instruktion und Remotivation des Patienten zur häuslichen Mundhygiene, gehören in Deutschland grundsätzlich zu einer PZR. In einem ersten Schritt werden in der Zahnarztpraxis alle klinisch sichtbarenbaren, weichen und harten Zahnbeläge entfernt. Auch schwer zugängliche Stellen zwischen den Zähnen oder etwas unterhalb des Zahnfleischrands werden gereinigt. Zum Entfernen von Verfärbungen (Tee, Kaffee, Nikotin) kommen zusätzlich Wasser-Pulvergemische zum Einsatz. Nach der professionellen Reinigung werden die Zähne poliert. Das Polieren glättet die Zahnoberfläche, wodurch Bakterien weniger gut anhaften. Zum Abschluss werden die Zähne normalerweise noch mit einem fluoridhaltigen Gel oder Lack touchiert, um den Zahnschmelz zu härten. Bei der begleitenden Schulung zur häuslichen Mundhygiene werden mit dem Patienten Themen wie die Verwendung der richtigen Zahnbürste und der Putztechnik sowie die Verwendung von Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen besprochen. Gerade die Steigerung der Mundgesundheitskompetenz ist ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche zahnmedizinische Prävention. Schulungsprogramme zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz sind in der wissenschaftlichen Literatur gut auf ihre Wirksamkeit untersucht (u.a. ITOHEP im IQWiG-Abschlussbericht N15-01: Systematische Behandlung von Parodontopathien, 05.03.2018 und Wölber J., Frick K.: Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie. Zahnmedizin up2date, 2014, 03: 247-269).
1.2. Die BZÄK unterstützt deshalb ausdrücklich die Forderung der Cochrane-Autoren in einem nächsten Schritt, Studien zur Wirksamkeit der PZR mit Patienten durchzuführen, die bereits unter Zahnfleischentzündungen leiden.
2. Wissenschaftliche Studien belegen die positiven Mundgesundheitseffekte sowie die Wirkung auf die Allgemeingesundheit der PZR.
Dr. Sebastian Ziller, 24.4.2019Leiter der Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung der BundeszahnärztekammerArbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e.V. (BZÄK)Chausseestrasse 13, 10115 Berlin
Konkret erfolgten die Zahnreinigungen in sechs- oder zwölf-monatigen Abständen. Dabei handelt es sich jedoch nicht - wie in Deutschland üblich - um ein Maßnahmenpaket, bestehend aus Reinigung, Fluoridierung sowie theoretischer Unterweisung und Motivation des Patienten.
Insbesondere was die Instruktion der Probanden betrifft, waren die beiden Studien sehr heterogen. Verglichen wurden die PZR-Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe (keine professionelle Zahnreinigung) im Hinblick auf Zeichen einer Gingivitis. Die hierfür verwendeten Parameter waren Sondierungstiefen, Zahnfleischbluten, Plaqueakkumulation sowie die subjektiv empfundene Sauberkeit der Zähne und damit verbundener Grad der Lebensqualität. Unberücksichtigt blieben hingegen Attachmentlevel, Zahnverluste oder Mundgeruch.
Die Durchführung von Mundhygieneinstruktionen war in der Test- und der Kontrollgruppe uneinheitlich
Die Ergebnisse des Reviews zeigen eine geringere Zahnstein-Prävalenz in den Testgruppen gegenüber der Kontrollgruppe. Bezüglich der Recall-Intervalle konnten bei professionellen Reinigungen in sechsmonatigen Abständen nur marginal geringere Mengen an Zahnstein evaluiert werden als bei einjährigen Intervallen oder der Kontrollgruppe. Das subjektive Empfinden der Patienten bezogen auf die Sauberkeit der Zähne war durch die professionelle Zahnreinigung deutlich verbessert. Anhand der Parameter für gingivale Gesundheit (Blutung, Sondierungstiefen und Plaqueakkumulation) konnten die Autoren keine bis minimale Unterschiede bezogen auf die beiden Testgruppen feststellen.
Wie bereits erwähnt war die Durchführung von Mundhygieneinstruktionen in der Test- und der Kontrollgruppe uneinheitlich.
Andere Autoren konnten aber bereits herausstellen, dass die Mundhygieneinstruktion durch einen Zahnarzt oder Dentalhygieniker einen entscheidenden Einfluss auf die häusliche orale Hygiene und folglich auch die oben genannten Parameter hat [Needleman et al., 2015]. Demnach ist der Nutzen einer professionellen Zahnreinigung zur Reduktion gingivaler Erkrankungen eng mit einer eingehenden Instruktion des Patienten zur häuslichen Zahnpflege verknüpft. Dieser entscheidende Punkt bleibt in der vorliegenden Übersichtsarbeit undifferenziert.
Um die fehlende Übertragbarkeit der zuvor beschriebenen Ergebnisse auf die in Deutschland etablierte Form der PZR herauszustellen, sollte festgehalten werden, wie aus Expertensicht eine professionelle Zahnreinigung aussehen soll. Eine konkrete Empfehlung wurde anlässlich des elften europäischen Workshops der Parodontologie im Rahmen der Ausarbeitung von „Prinzipien zur Prävention gegen parodontale Erkrankungen“ folgendermaßen formuliert:
„Professional mechanical plaque removal (PMPR) […] to remove all soft and hard deposits is required to allow good self‐performed oral hygiene. Remove plaque effectively […] and regularly checked by the dental team to achieve and maintain gingival health.Seek professional supervision in tailoring and monitoring oral hygiene and PMPR to remove all deposits and allow good oral hygiene. Repeated and individually tailored oral hygiene instruction (OHI) is the key element in achieving gingival health.“
Laut Experten ist eine regelmäßige PZR essenziell, um die Voraussetzung für eine adäquate häusliche Mundhygiene zu schaffen
Eine regelmäßige professionelle Reinigung der Zähne ist laut der Expertengruppe folglich essenziell, um die Grundvoraussetzung für eine adäquate häusliche Mundhygiene zu schaffen. Neben der professionellen (mechanischen) Reinigung sind demnach insbesondere die in die Sitzung integrierte Re-Motivation und Instruktion zur häuslichen Mundhygiene von großer Relevanz für die Aufrechterhaltung der Zahnfleischgesundheit und der Erfolg der PZR zur langfristigen Mundgesundheit damit untrennbar verbunden.
Vergleichbare Empfehlungen werden auch in der fünften deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) formuliert: „Die Ergebnisse der DMS V legen [..] nahe, dass sich präventive Maßnahmen positiv auf parodontale Erkrankungen auswirken können. Demnach sind Menschen, die regelmäßig Präventionsangebote in der Zahnarztpraxis in Anspruch nehmen, seltener von Parodontitis betroffen. Bei diesen Patienten sind die Parodontalerkrankungen zugleich auch weniger schwer. […] Neben der kontrollorientierten Inanspruchnahme zahnärztlicher Dienstleistungen ist die Professionelle Zahnreinigung (PZR) eine seit Jahren bewährte präventive Maßnahme.“
Das ist die Reduzierung der PZR auf eine zahnmedizinische Waschstraße
Die PZR ist in Deutschland seit vielen Jahren elementarer Bestandteil eines präventionsorientierten Gesamtkonzepts zur Vermeidung und Therapie von Karies und Parodontitis. Hierzulande besteht die PZR aus einem Maßnahmenbündel aus Zahnreinigung, Fluoridierung und Mundhygieneinstruktionen und muss auch als solches verstanden werden. Eine Loslösung aus diesem Kontext und somit eine Reduzierung der PZR auf eine „zahnmedizinische Waschstraße“ kann und darf nicht zur Schlussfolgerung der Wirkungslosigkeit dieser Maßnahme führen.
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Literatur
Riley P, Worthington HV, Clarkson JE, Beirne PV. Recall intervals for oral health in primary care patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 12. Art. No.: CD004346. DOI: 10.1002/14651858.CD004346.pub4.
Needleman, I, Nibali, L, Di Iorio, A. Professional mechanical plaque removal for prevention of periodontal diseases in adults – systematic review update. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S12– S35. doi:https://doi.org/10.1111/jcpe.12341 _blank - "Link to external resource: 10.1111/jcpe.12341".
Tonetti, MS, Eickholz, P, Loos, BG, Papapanou, P, Velden, U, Armitage, G, Bouchard, P, Deinzer, R, Dietrich, T, Hughes, F, Kocher, T, Lang, NP, Lopez, R, Needleman, I, Newton, T, Nibali, L , Pretzl, B, Ramseier, C, Sanz‐Sanchez, I, Schlagenhauf, U, Suvan, JE, Fabrikant, E, Fundak, A. Principles in prevention of periodontal diseases–Consensus report of group 1 of the 11thEuropean workshop on periodontology on effective prevention of periodontal and peri‐implant diseases. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S5– S11. doi:https://doi.org/10.1111/jcpe.12368 _blank - "Link to external resource: 10.1111/jcpe.12368".
https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/dms/Zusammenfassung_DMS_V.pdf