Cochrane-Review

PZR – ohne Effekt auf parodontale Gesundheit?

Die PZR ist eine anerkannte Maßnahme zur Vorbeugung von Karies und Parodontitis. Jetzt stellt ein Cochrane Review ihre Wirkung aber offenbar infrage. Zumindest suggerieren dies einige Fachmedien. Was steckt dahinter?

In einem aktuellen Review untersucht eine internationale Forschergruppe der Cochrane Oral Health Kollaboration den Effekt einer professionellen Zahnreinigung (PZR) auf die parodontale Gesundheit sowie den Auswirkungen unterschiedlicher Recall-Intervalle - und kommt dabei zu überraschenden Ergebnissen. „Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage“ titelte daraufhin ein deutsches zahnmedizinisches Online-Fachjournal. Was steckt dahinter?

Zunächst einmal ist vorweg zu nehmen, dass sich die im Review untersuchte PZR in den Inhalten deutlich von der in Deutschland etablierten unterscheidet und deshalb keine Übertragung der Ergebnisse erfolgen darf. Außerdem wurden lediglich zwei britische Studien in das Review eingeschlossen - immerhin mit einer Gesamtzahl von 1.711 parodontal gesunden Patienten. Beide Studien wurden in Zahnarztpraxen über einen Dokumentationszeitraum von jeweils zwei bis drei Jahren durchgeführt.

Bewertung

Kurzbewertung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zum Abstract des systematischen Cochrane Reviews „Routine scale and polish for periodontal health in adults“ (Au: Thomas Lamont, Helen V Worthington, Janet E Clarkson, Paul V Beirne: Cochrane Oral Health, Abstract publiziert am 27.12.2018

Die Bundeszahnärztekammer stellt fest:

1. Die in Fachmedien publizierte Interpretation „Parodontitis: Studie stellt Wirksamkeit von PZR infrage“ gibt die Aussagen des Original-Abstracts nicht korrekt wider.

1.1. Denn die im Abstract beschriebene PZR-Definition entspricht nicht dem Umfang einer PZR, die in deutschen Zahnarztpraxen angeboten wird.

[„Eine routinemäßige Zahnsteinentfernung und Zahnpolitur ist definiert als das Zahnsteinentfernen oder Polieren oder beides der Kronen- und Wurzeloberflächen von Zähnen, um lokale Reizfaktoren (Plaque, Zahnstein, Ablagerungen und Verfärbungen) zu entfernen, die keine parodontale Therapie erfordern.“]

Eine PZR besteht im Wesentlichen aus den Hauptschritten: Zähne professionell reinigen, Polieren und Fluoridieren. Aber auch eine Beratung, Unterweisung, Instruktion und Remotivation des Patienten zur häuslichen Mundhygiene, gehören in Deutschland grundsätzlich zu einer PZR. In einem ersten Schritt werden in der Zahnarztpraxis alle klinisch sichtbarenbaren, weichen und harten Zahnbeläge entfernt. Auch schwer zugängliche Stellen zwischen den Zähnen oder etwas unterhalb des Zahnfleischrands werden gereinigt. Zum Entfernen von Verfärbungen (Tee, Kaffee, Nikotin) kommen zusätzlich Wasser-Pulvergemische zum Einsatz. Nach der professionellen Reinigung werden die Zähne poliert. Das Polieren glättet die Zahnoberfläche, wodurch Bakterien weniger gut anhaften. Zum Abschluss werden die Zähne normalerweise noch mit einem fluoridhaltigen Gel oder Lack touchiert, um den Zahnschmelz zu härten. Bei der begleitenden Schulung zur häuslichen Mundhygiene werden mit dem Patienten Themen wie die Verwendung der richtigen Zahnbürste und der Putztechnik sowie die Verwendung von Zahnseide oder Zahnzwischenraumbürstchen besprochen. Gerade die Steigerung der Mundgesundheitskompetenz ist ein wesentlicher Aspekt für eine erfolgreiche zahnmedizinische Prävention. Schulungsprogramme zur Verbesserung der Mundgesundheitskompetenz sind in der wissenschaftlichen Literatur gut auf ihre Wirksamkeit untersucht (u.a. ITOHEP im IQWiG-Abschlussbericht N15-01: Systematische Behandlung von Parodontopathien, 05.03.2018 und Wölber J., Frick K.: Motivierende Gesprächsführung in der zahnärztlichen Therapie. Zahnmedizin up2date, 2014, 03: 247-269).

1.2. Die BZÄK unterstützt deshalb ausdrücklich die Forderung der Cochrane-Autoren in einem nächsten Schritt, Studien zur Wirksamkeit der PZR mit Patienten durchzuführen, die bereits unter Zahnfleischentzündungen leiden.

Die Bewertung der Cochrane-Autoren erfolgte an 1.711 Erwachsenen, die keinerlei Anzeichen einer Zahnfleischentzündung aufwiesen. Diese erhielten eine einfache Zahnreinigung, welche nicht dem definierten Umfang einer PZR in Deutschland entspricht. Die Auswertung zeigte dementsprechend nur geringe oder kaum Unterschiede gegenüber der Kontrollgruppe bezüglich einer Zahnfleischentzündung. Die Forscher selbst empfahlen daher, im nächsten Schritt Studien zur Wirksamkeit von PZR mit Patienten durchzuführen, die unter Zahnfleischentzündungen leiden.

2. Wissenschaftliche Studien belegen die positiven Mundgesundheitseffekte sowie die Wirkung auf die Allgemeingesundheit der PZR.

Nach Daten der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie nahm gut jeder fünfte jüngere Erwachsene (21,8 Prozent) in Deutschland eine Professionelle Zahnreinigung (PZR) innerhalb der vergangenen fünf Jahre regelmäßig in Anspruch (Erhebungszeitraum 2014). Dabei ist das persönliche Vorsorgeverhalten statistisch signifikant gekoppelt mit der eigenen Wirksamkeitserwartung dieser Maßnahmen (vgl. IDZ, Hrsg.: Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V), Institut der Deutschen Zahnärzte, Deutscher Zahnärzte-Verlag, Köln, 2016).

Gerade bei der regelmäßigen Inanspruchnahme der PZR als präventive Maßnahme zeigen sich bei den zentralen zahnmedizinischen Gesundheitskennzahlen überzeugende Ergebnisse: Erwachsene, die regelmäßig innerhalb der vergangenen 5 Jahre eine PZR erhalten haben, weisen eine niedrigere Karieserfahrung von 10,7 Zähnen auf; in der Gruppe ohne regelmäßige PZR betrug die Karieserfahrung 11,4 Zähne. Auch bei Parodontalerkrankungen stellen sich diese Unterschiede dar: Der Anteil der Zahnflächen mit erhöhten parodontalen Sondierungstiefen ≥4 mm betrug bei regelmäßiger PZR 9,3 Prozent und 14,0 Prozent, wenn diese ausblieb. Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Zahnfleischbluten (BOP 20,2 Prozent bei regelmäßiger PZR vs. BOP 29,3 Prozent ohne regelmäßige PZR).

Weitere Studien, die die Wirksamkeit der PZR belegen, sind die von Axelsson und Lindhe (beispielhaft: Axelsson P., Lindhe J.: Effect of controlled oral Hygiene procedures on caries and periodontal disease in adults. Results after 6 years. J Clinical Periodontol 1981, 8: 239-248). Axelsson arbeitete anfänglich mit Kontrollgruppen, löste diese dann aber auf, als sich nach einigen Jahren die Überlegenheit des Prophylaxekonzepts zeigte. Axelssons wegweisende Studien, die bereits vor 40 Jahren die Grundlage für eine erfolgreiche präventive Intervention im fachwissenschaftlichen Raum für die PZR gelegt haben, erfüllen allerdings nicht die starren Prinzipien der evidenzbasierten Medizin, welche heute die ausschließliche - und damit zweifelhafte - methodische Grundlage darstellen, um die Nutzenbewertung von medizinischen Interventionen zu bestimmen.

Aus Sicht der BZÄK ist in der Zahnmedizin die PZR ein zentraler - und erwiesenermaßen wirksamer - Prophylaxebaustein. Als Maßnahme zum Biofilmmanagement trägt sie zur Vermeidung und Therapie weitverbreiteter Krankheiten der Mundhöhle bei. Darüber hinaus zeigen wissenschaftliche Arbeiten immer häufiger, dass orale Erkrankungen nicht nur lokal in der Mundhöhle wirken, sondern teils erheblichen Einfluss auf schwere Allgemeinerkrankungen haben (vgl. Deschner, J., Haak, T., Jepsen, S., Kocher, T., Mehnert, H., Meyle, J., Schumm-Draeger, P.-M., Tschöpe, D.: Diabetes mellitus und Parodontitis. Der Internist 2011, S. 466-477).

Dr. Sebastian Ziller, 24.4.2019
Leiter der Abteilung Prävention und Gesundheitsförderung der Bundeszahnärztekammer
Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Zahnärztekammern e.V.
(BZÄK)
Chausseestrasse 13, 10115 Berlin

Konkret erfolgten die Zahnreinigungen in sechs- oder zwölf-monatigen Abständen. Dabei handelt es sich jedoch nicht - wie in Deutschland üblich - um ein Maßnahmenpaket, bestehend aus Reinigung, Fluoridierung sowie theoretischer Unterweisung und Motivation des Patienten. 

Insbesondere was die Instruktion der Probanden betrifft, waren die beiden Studien sehr heterogen. Verglichen wurden die PZR-Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe (keine professionelle Zahnreinigung) im Hinblick auf Zeichen einer Gingivitis. Die hierfür verwendeten Parameter waren Sondierungstiefen, Zahnfleischbluten, Plaqueakkumulation sowie die subjektiv empfundene Sauberkeit der Zähne und damit verbundener Grad der Lebensqualität. Unberücksichtigt blieben hingegen Attachmentlevel, Zahnverluste oder Mundgeruch.

Die Durchführung von Mundhygieneinstruktionen war in der Test- und der Kontrollgruppe uneinheitlich

Die Ergebnisse des Reviews zeigen eine geringere Zahnstein-Prävalenz in den Testgruppen gegenüber der Kontrollgruppe. Bezüglich der Recall-Intervalle konnten bei professionellen Reinigungen in sechsmonatigen Abständen nur marginal geringere Mengen an Zahnstein evaluiert werden als bei einjährigen Intervallen oder der Kontrollgruppe. Das subjektive Empfinden der Patienten bezogen auf die Sauberkeit der Zähne war durch die professionelle Zahnreinigung deutlich verbessert. Anhand der Parameter für gingivale Gesundheit (Blutung, Sondierungstiefen und Plaqueakkumulation) konnten die Autoren keine bis minimale Unterschiede bezogen auf die beiden Testgruppen feststellen.

Wie bereits erwähnt war die Durchführung von Mundhygieneinstruktionen in der Test- und der Kontrollgruppe uneinheitlich.

Andere Autoren konnten aber bereits herausstellen, dass die Mundhygieneinstruktion durch einen Zahnarzt oder Dentalhygieniker einen entscheidenden Einfluss auf die häusliche orale Hygiene und folglich auch die oben genannten Parameter hat [Needleman et al., 2015]. Demnach ist der Nutzen einer professionellen Zahnreinigung zur Reduktion gingivaler Erkrankungen eng mit einer eingehenden Instruktion des Patienten zur häuslichen Zahnpflege verknüpft. Dieser entscheidende Punkt bleibt in der vorliegenden Übersichtsarbeit undifferenziert.

Um die fehlende Übertragbarkeit der zuvor beschriebenen Ergebnisse auf die in Deutschland etablierte Form der PZR herauszustellen, sollte festgehalten werden, wie aus Expertensicht eine professionelle Zahnreinigung aussehen soll. Eine konkrete Empfehlung wurde anlässlich des elften europäischen Workshops der Parodontologie im Rahmen der Ausarbeitung von „Prinzipien zur Prävention gegen parodontale Erkrankungen“ folgendermaßen formuliert:

„Professional mechanical plaque removal (PMPR) […] to remove all soft and hard deposits is required to allow good self‐performed oral hygiene. Remove plaque effectively […] and regularly checked by the dental team to achieve and maintain gingival health.Seek professional supervision in tailoring and monitoring oral hygiene and PMPR to remove all deposits and allow good oral hygiene. Repeated and individually tailored oral hygiene instruction (OHI) is the key element in achieving gingival health.“  

Laut Experten ist eine regelmäßige PZR essenziell, um die Voraussetzung für eine adäquate häusliche Mundhygiene zu schaffen

Eine regelmäßige professionelle Reinigung der Zähne ist laut der Expertengruppe folglich essenziell, um die Grundvoraussetzung für eine adäquate häusliche Mundhygiene zu schaffen. Neben der professionellen (mechanischen) Reinigung sind demnach insbesondere die in die Sitzung integrierte Re-Motivation und Instruktion zur häuslichen Mundhygiene von großer Relevanz für die Aufrechterhaltung der Zahnfleischgesundheit und der Erfolg der PZR zur langfristigen Mundgesundheit damit untrennbar verbunden.

Vergleichbare Empfehlungen werden auch in der fünften deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) formuliert: „Die Ergebnisse der DMS V legen [..] nahe, dass sich präventive Maßnahmen positiv auf parodontale Erkrankungen auswirken können. Demnach sind Menschen, die regelmäßig Präventionsangebote in der Zahnarztpraxis in Anspruch nehmen, seltener von Parodontitis betroffen. Bei diesen Patienten sind die Parodontalerkrankungen zugleich auch weniger schwer. […] Neben der kontrollorientierten Inanspruchnahme zahnärztlicher Dienstleistungen ist die Professionelle Zahnreinigung (PZR) eine seit Jahren bewährte präventive Maßnahme.“

Das ist die Reduzierung der PZR auf eine zahnmedizinische Waschstraße

Die PZR ist in Deutschland seit vielen Jahren elementarer Bestandteil eines präventionsorientierten Gesamtkonzepts zur Vermeidung und Therapie von Karies und Parodontitis. Hierzulande besteht die PZR aus einem Maßnahmenbündel aus Zahnreinigung, Fluoridierung und Mundhygieneinstruktionen und muss auch als solches verstanden werden. Eine Loslösung aus diesem Kontext und somit eine Reduzierung der PZR auf eine „zahnmedizinische Waschstraße“ kann und darf nicht zur Schlussfolgerung der Wirkungslosigkeit dieser Maßnahme führen.

Literaturliste

1. Riley P, Worthington HV, Clarkson JE, Beirne PV. Recall intervals for oral health in primary care patients. Cochrane Database of Systematic Reviews 2013, Issue 12. Art. No.: CD004346. DOI: 10.1002/14651858.CD004346.pub4.

2. Needleman, I, Nibali, L, Di Iorio, A. Professional mechanical plaque removal for prevention of periodontal diseases in adults – systematic review update. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S12– S35. doi: 10.1111/jcpe.12341.

3. Tonetti, MS, Eickholz, P, Loos, BG, Papapanou, P, Velden, U, Armitage, G, Bouchard, P, Deinzer, R, Dietrich, T, Hughes, F, Kocher, T, Lang, NP, Lopez, R, Needleman, I, Newton, T, Nibali, L , Pretzl, B, Ramseier, C, Sanz‐Sanchez, I, Schlagenhauf, U, Suvan, JE, Fabrikant, E, Fundak, A. Principles in prevention of periodontal diseases–Consensus report of group 1 of the 11th European workshop on periodontology on effective prevention of periodontal and peri‐implant diseases. J Clin Periodontol 2015; 42 (Suppl. 16): S5– S11. doi: 10.1111/jcpe.12368.

4. https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/dms/Zusammenfassung_DMS_V.pdf

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