Gutachten zu investorengetragenen Medizinischen Versorgungszentren

iMVZ gefährden das Patientenwohl

Aus der Beteiligung von Finanzinvestoren an der vertragszahnärztlichen Versorgung lassen sich Gefahren für das Patientenwohl und für die Versorgungsqualität ableiten. Zu dem Schluss kommen zwei von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) in Auftrag gegebene Gutachten.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ist seit Mai 2019 in Kraft. Es beschränkt die Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für zahnärztliche MVZ und soll dadurch die Investitionsbestrebungen von Private-Equity-Investoren und damit die fortschreitende Vergewerblichung in der vertragszahnärztlichen Versorgung eindämmen.

Die KZBV hat die Folgen der TSVG-Regelung auf die Versorgung analysiert und das IGES Institut sowie Prof. Helge Sodan mit je einem Gutachten zum Thema beauftragt, die auf der 9. Vertreterversammlung der KZBV vorgestellt wurden. Beide Gutachten bestätigen, dass Gefahren von Investoren-betriebenen MVZ (iMVZ) für die vertragszahnärztliche Versorgung trotz der Regelung im TSVG weiter fortbestehen, schreibt die KZBV.

Das IGES-Gutachten führt zunächst aus, wie stark die Zahl der zahnärztlichen MVZ in der Trägerschaft von Krankenhäusern gewachsen ist, die zuvor von Finanzinvestoren gekauft wurden– zumeist von Private-Equity-Gesellschaften und teilweise auch von Verwaltern privater Großvermögen (Family Offices): Vom vierten Quartal 2015 bis zum ersten Quartal 2020 stieg die Zahl der iMVZ in Deutschland von 11 auf 207. Dabei handelt es sich in der Regel nicht um Praxisneugründungen, sondern um Käufe von bereits bestehenden Zahnarztpraxen oder von Zahnärzten gegründeten MVZ.

Rendite optimieren und zu Höchstpreisen verkaufen

Höhere Renditen als in anderen Kapitalmarktsegmenten werden dabei erzielt durch ein deutlich auf Rentabilität ausgerichtetes Management und die Standortwahl. Beim Weiterverkauf nach vier bis sieben Jahren soll ein größtmöglicher Verkaufspreis sichergestellt werden.

Die IGES-Analyse zur regionalen Verteilung der Standorte von iMVZ, als auch der von ihnen vorgehaltenen Zahnarztstellen zeigen eine deutliche Konzentration auf Großstädte, die sich durch „eine überdurchschnittlich einkommensstarke sowie jüngere und weniger von Pflegebedürftigkeit betroffene Bevölkerung“ auszeichnen. So wohnen laut Gutachten 29 Prozent der Deutschen in kreisfreien Großstädten, 39 Prozent in städtischen Kreisen, 17 Prozent in ländlichen Kreisen „mit Verdichtungsansätzen“ und 15 Prozent in „dünn besiedelten“ ländlichen Kreisen. Entsprechend sind die Zahnarztstellen in Einzelpraxen besetzt (35 Prozent in kreisfreien Großstädten, 35 Prozent in städtischen Kreisen, 16 Prozent im ländlichen Kreis, 14 Prozent in dünn besiedelten Gebieten). Ganz anders ist die Situation bei iMVZ: Sie befinden sich zu 67 Prozent in kreisfreien Großstädten, zu 20 Prozent in städtischen Kreisen und nur jeweils zu 7 Prozent in ländlichen Kreisen „mit Verdichtungsansätzen“und in „dünn besiedelten“ ländlichen Kreisen.

Auch die Befunde zum Leistungsgeschehen und Abrechnungsverhalten stützen die These eines im Vergleich zu Einzelpraxen und BAG stärker am Ziel der Renditeoptimierung orientierten Vorgehens von iMVZ, lautet das IGES-Fazit.

Allerdings beruhen diese Ergebnisse auf Analysen „einer derzeit noch relativ kleinen Anzahl von i-MVZ“. Für die Strategie heißt das: Ob man sich deshalb zunächst weiter abwartend verhält, müsse gegen das Risiko abgewogen werden, dass „einmal etablierte Angebotsstrukturen im Allgemeinen nicht mehr rückgängig zu machen sind“.

Darum sollten auf jeden Fall bessere Möglichkeiten geschaffen werden, den potenziellen Einfluss von zahnärztlichen MVZ und iMVZ auf Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung „zeitnah, präzise und mit vertretbarem Aufwand beobachten beziehungsweise analysieren zu können“. Die Forderung der KZVen nach verbesserter Transparenz bezüglich der Eigentümerstrukturen von MVZ unterstützen die Gutachter ausdrücklich, auch „weil ohne diese Grunddaten entsprechende Analysen nicht ohne Weiteres möglich sind“.

Auch das Abrechnungsverhalten ist auffällig

Auch das Rechtsgutachten von Prof. Helge Sodan, der an der FU Berlin Öffentliches Recht lehrt, macht die Notwendigkeit eines MVZ-Registers deutlich. Aus der Beteiligung von Finanzinvestoren an der vertragszahnärztlichen Versorgung lassen sich Gefahren für das Patientenwohl und für die Versorgungsqualität ableiten, schreibt er. Grundlage der Gefahrenprognose seien Auffälligkeiten im Abrechnungsverhalten von Investoren-betriebenen zahnärztlichen MVZ im Vergleich zu Einzelpraxen und BAG, Erfahrungen aus dem europäischen Ausland, Verlautbarungen von Finanzinvestoren oder diesen nahestehenden Beratungsunternehmen sowie die bisherige Entwicklung von iMVZ in der vertragszahnärztlichen Versorgung.

Zur Herstellung von Transparenz empfiehlt Sodan den Aufbau eines zahnärztlichen MVZ-Registers unter Federführung der KZVen und der KZBV nach dem Vorbild des Zahnarztregisters. Dies könne einen erheblichen Beitrag „zur Abwehr investorenspezifischer Gefahren für die vertragszahnärztliche Versorgung“ leisten.

Ein Register wäre ein Beitrag zur Gefahrenabwehr

Dieses Register sollte sowohl Aussagen über die Eignung von MVZ für eine ordnungsgemäße Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ermöglichen als auch für die Planung und die Sicherstellung der vertragszahnärztlichen Versorgung herangezogen werden können.

Eine Eintragungspflicht sowie Angaben über die Krankenhausträgergesellschaften und damit Auskunft über die Beteiligung von Investoren hält er ebenfalls für empfehlewert.

Außerdem spricht sich der Jurist dafür aus, im Zulassungsverfahren die MVZ-Trägergesellschaften einer Eignungsprüfung zu unterziehen. Ausschlusskriterium wäre demnach, wenn

  • das zahnärztliche MVZ von einer GmbH getragen wird, die in der Kontrolle einer Krankenhausträgergesellschaft steht oder mit dieser personenidentisch ist, oder wenn

  • festgestellt wird, dass die Krankenhausträgergesellschaft unter Kontrolle eines Investors steht, aus dessen Zielsetzung sich Hinweise auf eine renditeorientierte Behandlung oder Anhaltspunkte für eine Verkettung mehrerer zahnärztlicher MVZ ergeben.

Anhaltspunkte für eine nicht zulässige Renditeorientierung wären eine nachweisbare Einflussnahme auf die behandelnden Zahnärzte oder die Abführung von Gewinnen. Ebenfalls in die Bewertung einfließen sollten Erfahrungen mit dem Investor, etwaiges Fehlverhalten verketteter MVZ sowie die avisierte Beteiligungsdauer.

Den Regelungsaufwand des Gesetzgebers schätzt Sodan als überschaubar ein. Die Einführung eines MVZ-Registers lässt sich seiner Einschätzung nach sogar vom Bundestag noch in dieser Legislaturperiode leisten, sofern der politische Wille besteht.

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