Betriebsprüfung in der Zahnarztpraxis – Teil 2

Achtung Gewerbesteuerrisiken!

Bernhard Fuchs
,
Marcel Nehlsen
Im ersten Teil der Serie „Betriebsprüfungsschwerpunkte in der Zahnarztpraxis“ wurden Stolpersteine rund um die Umsatzsteuer vorgestellt. Im zweiten Teil verlassen wir diesen Bereich und beschäftigen uns mit der vollständigen Erfassung von Einnahmen und mit Gewerbesteuerrisiken.

Je nach Ausrichtung und regionaler Lage einer Zahnarztpraxis werden noch häufig größere Beträge in bar vereinnahmt. Teilweise können diese Barerlöse einen nicht unerheblichen Teil der gesamten Einnahmen ausmachen. In diesen Fällen sollte unbedingt auf eine ordnungsgemäße Kassenführung geachtet werden, um Hinzuschätzungen zu vermeiden.

Vollständige Erfassung der (Bar-)Einnahmen

Für eine ordnungsgemäße Buchführung ist es erforderlich, dass jeder Geschäftsvorfall einzeln, vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet und unmittelbar nach dem Abschluss aufgezeichnet wird. Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob ein elektronisches beziehungsweise computergestütztes Kassensystem oder eine offene Ladenkasse (zum Beispiel eine Geldkassette) verwendet wird.

Seit dem 1. Januar 2020 besteht bei elektronischen Aufzeichnungssystemen mit Kassenfunktion grundsätzlich die Verpflichtung, diese mit einer zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) auszustatten. Diese TSE soll die digitalen Aufzeichnungen von Bareinnahmen insbesondere vor nachträglicher Manipulation schützen. Wenn die Praxissoftware zur Aufzeichnung genutzt wird, dann muss auch diese die Voraussetzungen erfüllen. Nach Recherchen der Autoren wird diese Funktion bei den bekannten Praxissoftware-Herstellern integriert.

Praxen, in denen Bareinnahmen händisch in einem Kassenbuch oder per Excel-Tabelle erfasst werden, können dies weiter so handhaben. Bei der Nutzung von Excel-Tabellen ist dennoch Vorsicht geboten. Da die Daten im Nachhinein verändert werden können, schaut das Finanzamt gerne genauer hin. Um Probleme mit der Betriebsprüfung zu vermeiden, sollten daher in der Tabelle die Namen der Patienten, die Zahlungsbeträge und das Datum vermerkt werden. Gleichzeitig sollten Kopien der Quittungen unbedingt aufbewahrt werden.

Vollständige Erfassung der KZV-Erlöse

Zahnärzte rechnen Kassenleistungen direkt gegenüber der jeweiligen Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) ab. Für den Steuerberater ist es notwendig, sich die Quartalsabrechnungen der kassenzahnärztlichen Vereinigung vorlegen zu lassen und diese ordnungsgemäß zu erfassen. Allein die Buchung der Erlöse gemäß dem Bankkonto reicht hierzu nicht aus, da die KZV vom erwirtschafteten Honorar regelmäßig auch Kosten einbehält. Dies können einerseits Kosten sein, die faktisch keine Gewinnauswirkung haben wie Verwaltungsgebühren, die Betriebsausgaben darstellen. Andererseits haben Zahnärzte in vielen KZVen auch die Möglichkeit, ihre Beiträge zum Versorgungswerk direkt über die KZV-Abrechnung einbehalten zu lassen. Werden diese Einnahmen dann nicht durch die Abrechnung erfasst, wären die Einnahmen unvollständig. Bei Höchstbeiträgen ins Versorgungswerk von bis zu 38.000 Euro pro Jahr entstehen hier schnell große Summen, die nicht als Betriebseinnahmen erklärt werden würden.

Betriebsprüfungsrisiken in Gemeinschaftspraxen

Zahnarztpraxen erzielen in der Regel freiberufliche Einkünfte und unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer. Eine unbemerkte gewerbliche Infizierung der freiberuflichen Einkünfte sollte vermieden werden, damit es im Rahmen der Betriebsprüfung nicht zu Gewerbesteuernachzahlungen kommt.

Während bei Einzelpraxen eine Trennung der zahnärztlichen Tätigkeit von einer möglichen gewerblichen Tätigkeit, zum Beispiel die eines Prophylaxeshops, durch getrennte Aufzeichnungen möglich ist, führt ein gewerblicher Anteil in einer Gemeinschaftspraxis unter Umständen insgesamt durch die „gewerbliche Infizierung“ zu Einkünften aus Gewerbebetrieb.

Folgen einer gewerblichen Infizierung

Die Folgen der Gewerblichkeit können im Einzelfall erheblich sein. Zwar wird die gezahlte Gewerbesteuer im Rahmen der Einkommensteuererklärung pauschaliert wieder angerechnet, aber je nach Hebesatz der Gemeinde kann es zu einer Mehrbelastung von etwa 1 bis 3 Prozent des Praxisgewinns kommen. Falls das zu versteuernde Einkommen aufgrund anderer negativer Einkünfte, zum Beispiel aus einer Vermietung, sehr niedrig ist, kann sich die Definitivbelastung auf bis zu 17 Prozent erhöhen. 

Betriebsprüfungen werden für abgelaufene Zeiträume angesetzt und gehen meistens über drei Jahre. Wenn beispielsweise 2021 die Steuerjahre 2016 bis 2018 geprüft werden und sich für diese Zeit ein Mehrergebnis ergibt, ist eine Gewerbesteuernachzahlung für die Jahre 2019 und 2020 auch schon sicher. Des Weiteren kann die Praxis zur Buchführungspflicht (Bilanzierung anstatt Einnahmen-Überschuss-Rechnung) verpflichtet werden, so dass ein Übergangsgewinn entsteht, der schnell sechsstellig sein kann und ebenfalls versteuert werden muss.

Beispiel: Eine Gemeinschaftspraxis mit zwei Inhabern in Köln (Hebesatz 475 Prozent) hat einen Jahresgewinn von 500.000 Euro und offene Forderungen zum Jahresende von 200.000 Euro. In diesem Fall betrüge die bei einer Betriebsprüfung über drei Jahre festgestellte Mehrbelastung: 

  • Gewerbesteuer nach Anrechnung: 3 x 2,5 Prozent x 500.000 Euro = 37.500 Euro

  • Steuer auf den Übergangsgewinn: 100.000 Euro (auf Antrag Verteilung auf drei Jahre)

In Summe beträgt die steuerliche Mehrbelastung also rund 137.500 Euro.

Gründe für eine gewerbliche Infizierung

Handel / originär gewerbliche Tätigkeit

Übt eine Gemeinschaftspraxis eine originär gewerbliche Tätigkeit aus (zum Beispiel Verkauf im Prophylaxeshop) oder beteiligt sie sich an einer Gesellschaft, die gewerbliche Einkünfte erzielt, führt dies zur gewerblichen Infizierung aller Einkünfte. Die Einkünfte werden lediglich dann nicht gewerblich, wenn die Einnahmen (nicht der Gewinn) aus der eigenen gewerblichen Tätigkeit wenigerals drei Prozent der Gesamtumsätze der Praxis und weniger als 24.500 Euro pro Jahr betragen.

Als Gestaltungmöglichkeit bietet sich an, eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zu gründen, die die gewerblichen Tätigkeiten übernimmt. Alternativ könnte diese Tätigkeit auch ins Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters verlagert oder auf einen Ehegatten ausgelagert werden. Dies sollte mit dem Steuerberater abgestimmt werden.

Mehrere Standorte einer Praxis

Gerade größere Praxen gehen dazu über, mehrere Standorte zu betreiben. Hier ergibt sich häufig ein gewerbesteuerliches Problem durch angestellte Zahnärzte. Grundsätzlich sind Zahnärzte berechtigt, sich der Mithilfe angestellter Zahnärzte zu bedienen. Voraussetzung ist jedoch, dass diese aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werden. Die beiden letztgenannten Punkte führen in der Praxis häufig zu Problemen. 

Sämtliche Standorte, an denen angestellte Zahnärzte tätig sind, sollten intensiv betrachtet werden. Die tatsächliche Leitung und Überwachung der angestellten Zahnärzte muss dokumentiert werden (etwa durch Ausdrucke des Kalenders des Praxisinhabers, durch Sichtvermerke des Inhabers oder wöchentliche Arbeitsplanungen), um sämtliche Risiken auszuschließen. Die Erfahrungen der Autoren haben gezeigt, dass sich Betriebsprüfer selbst bei einer Einzelpraxis mit nur einem angestellten Zahnarzt erklären lassen, wie die Überwachung gewährleistet wird.

Beispiel: Eine große Zahnarztpraxis mit mehreren Gesellschaftern eröffnet einen neuen Standort. Da keiner der Gesellschafter diesen Standort führen möchte, wird ein angestellter Zahnarzt eingestellt, der den Standort eigenständig leitet. In diesem Fall kann die Überwachung des Angestellten nicht sichergestellt werden. Der Gewinn des Standorts wäre gewerblich und durch die besonderen Vorschriften bei Gemeinschaftspraxen wäre der gesamte Gewinn der BAG gewerblich infiziert.

Risiko der sogenannten Nullbeteiligungsgesellschafter

Eine „Nullbeteiligung“ sollte steuerlich richtig gestaltet werden, da auch diese von Betriebsprüfern immer wieder unter die Lupe genommen wird.

Für eine anerkannte Gesellschafterstellung in einer Mitunternehmerschaft muss jeder Partner eine Mitunternehmerinitiative haben und das Mitunternehmerrisiko tragen. Das bedeutet, dass er eine erfolgsabhängige Vergütung bekommen muss, Anteile am Zuwachs der stillen Reserven seit seinem Eintritt erhält und auch eine Beteiligung an der Geschäftsführung haben muss. Es darf kein vollständiger Haftungsausschluss für einzelne Partner vorliegen und jeder muss auch an einem (theoretischen) Verlust beteiligt werden. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, gilt der „Partner“ steuerlich als Angestellter – und damit ist der gewünschte Zweck verfehlt. Insbesondere wird bei Gemeinschaftspraxen dann aufgrund einer wohl nicht mehr erfolgten Überwachung des Gesellschafters, der steuerlich plötzlich als Angestellter gilt, eine gewerbliche Infizierung unvermeidbar sein.

Steuerliche Brennpunkte (1 und 2)

Die Autoren fassen in zwei Teilen die wichtigsten steuerlichen Brennpunkte zusammen, die von Betriebsprüfern in der Praxis immer wieder aufgegriffen werden. Unterschieden wird zwischen Prüfungsschwerpunkten, die Einzel- und Gemeinschaftspraxen (BAG) betreffen, und solchen, die nur Gemeinschaftspraxen betreffen. Im ersten Teil (zm 11/2021, S. 80–82) ging es um die Umsatzsteuer, während sich der zweite Teil mit Prüfungsschwerpunkten abseits der Umsatzsteuer beschäftigt.

Der Nullbeteiligungsgesellschafter stellt für den steuerlichen Berater eine große Herausforderung dar. Bestehende Verträge sollten insbesondere im Hinblick auf eine rein umsatzabhängige Gewinnverteilung kritisch überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Neben den oben genannten steuerrechtlichen Voraussetzungen sind auch immer die berufsrechtlichen Vorschriften und die Vorgaben der KZVen zu beachten, die unter Umständen einen Gesellschafter mit null Prozent nicht als echten Gesellschafter einer Berufsausübungsgemeinschaft anerkennen.

Fazit

Die steuerliche Beratung von Zahnärzten wird komplexer. Immer mehr Bundesländer gehen dazu über, Betriebsprüfer speziell zu schulen. Die größten Gefahrenquellen sind hierbei die Abgrenzung umsatzsteuerpflichtiger von umsatzsteuerfreien Leistungen und die Gefahr der Gewerblichkeit von Gemeinschaftspraxen. Diese Themen sollten regelmäßig gemeinsam mit dem Berater besprochen werden, damit Vorsichtsmaßnahmen getroffen und Dokumentationen vorgenommen werden können, die die Steuerfallen von Beginn an minimieren. 

Bernhard Fuchs

Kanzlei Fuchs & Martin, Volkach
Steuerberater / Rechtsanwälte
Zahnärzteberatung
B.Fuchs@fuchsundmartin.de

Marcel Nehlsen

Steuerberater, Diplom-Finanzwirt &
Fachberater für das Gesundheitswesen
Kanzlei Laufenberg Michels
und Partner, Köln
Nehlsen@laufmich.de

Bernhard Fuchs

Kanzlei Fuchs & Stolz, Volkach
Steuerberater
Zahnärzteberatung

Marcel Nehlsen

Steuerberater, Diplom-Finanzwirt &
Fachberater für das Gesundheitswesen
Kanzlei Laufenberg Michels und Partner, Köln

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